Radsport: Justin Leov führte bei der Enduro World Series in Valloire mit großem Vorsprung nach Tag eins. Doch auch ihn verschonten die Alpen nicht und so wurde er am zweiten Renntag von einem technischen Defekt vom Thron gestoßen. Lest in seinem Tagebuch, wie er das Rennwochenende erlebte.
Ich muss sagen, dass ich seit dem schottischen Rennen des EWS sehr beschäftigt war. Als Coach des Trek World Racing de Descente Teams begleitete ich das Team zu den Weltcup-Rennen in Fort William und in Leogang. Ich lerne selbst sehr viel am Streckenrand bei der Analyse der bestmöglichen Linien für die Fahrer des Teams dazu.
Die Strecke verlief seitdem über die italienischen Alpen und den Mont Blanc, eine gute Gelegenheit sich mit Kaffee und atemberaubenden Panoramas einzudecken!
Ob Felsen oder Wald, bei der Erkundung zu Fuß konnten wir die Schönheit und die Wildheit der Strecken des Valloire entdecken. Das französische Rennformat begrenzt die Erkundungsgänge auf einen einzigen je Wertungsprüfung und begünstigt somit die Chancengleichheit für alle.
1. Renntag
Die erste Wertungsprüfung begann gleich mit einem eher felsigen Abschnitt, dann kamen ein schnellerer Teil, einige Anstiege und ein Waldstück. Ich fühlte mich gut am Lenker meines Trek Remedy 29er. Mein Run war sauber und ich wurde 3., ein guter Anfang. Ich war voller Zuversicht und fühlte mich imstande, meinen Rückstand auf die Bestzeit wettzumachen. Durch verdächtige Geräusche am Ende der Wertungsprüfung entdeckte ich ein zertrümmertes Kettenglied, vermutlich durch einen Steinschlag. Ich ging somit die 2. Wertungsprüfung mit einer neuen Kette an.
Die zweite Wertungsprüfung sollte zwei Mal am selben Tag gefahren werden. Es war die längste und anstrengendste Wertungsprüfung des Wochenendes. Kurz nach dem Start wurde ein Teilabschnitt im Schnee mehr als einem Fahrer zum Verhängnis. Der Schnee war durch die Wärme weich geworden und an manchen Stellen verschwand das Rad im Schnee und innerhalb eines Augenblicks schleuderte es den Fahrer über seinen Lenker. Allein auf diesem Teilabschnitt konnte man leicht 10 bis 20 Sekunden verlieren. Meine Taktik war mit Vollgas durchzufahren und jeglichem Kontrollverlust zuvorzukommen. Das funktionierte eher gut! Abgesehen von diesem Teilabschnitt war es bei dieser Wertungsprüfung wichtig, bis zum Ende ein hohes Leistungsniveau beizubehalten. Angesichts des technischen Schwierigkeitsgrades war ich aber etwas zu aggressiv und ich musste letztendlich einige Energie aufbringen, um meine Flüge auszugleichen, durch die ich Gefahr lief, die Kontrolle zu verlieren. Trotz allem beendete ich die Wertungsprüfung in Bestzeit. Es war das erste Mal, dass ich der schnellste Fahrer einer Wertungsprüfung der EWS war. Ich wusste zwar, dass ich dazu imstande war, aber als ich es dann geschafft hatte, war es ein berauschendes Gefühl!
Die dritte Wertungsprüfung war eine Wiederholung der zweiten. Ich teilte meinem Mechaniker und meinem Teammanager mit, dass ich dieses Mal „konservativer“ fahren wollte. Da ich etwas zu früh am Start war, nutzte ich die Zeit, um aus Neugier nochmals ein Auge auf den schneebedeckten Bereich zu werfen, um zu sehen, in welchem Zustand er bei +30° ist. Es hatten sich tiefe Spurrillen gebildet und ich beschloss, für die kommende Teilstrecke die Strategie zu ändern. Ich werde mit einer angemessenen Geschwindigkeit in der tiefsten Spurrille fahren, was mir als solide Grundlage erschien. Ich fuhr dann schließlich los, und als ich mich dem Schnee näherte, hielt ich den Atem an. Ich nahm die Zufahrtskurve in weitem Bogen, um gerade auf die Spurrille zuzufahren … die breiten Räder liefen, ohne im Geringsten zu stocken und ich war wieder für einen möglichst „sauberen“ Run unterwegs. Ich kontrollierte so gut wie möglich den Kraftaufwand und das flüssige Fahren und ich kam wieder in Bestzeit an!
Es hätte nicht besser laufen können. Am Ende des Tages stand ich mit einem Vorsprung von 30 Sekunden auf dem ersten Platz der Wertung. Was für ein Tag!
Der vorangegangene Tag war sowohl für die Fahrer als auch für die Mechanik sehr anstrengend. Ich tauschte die Pedale, den Kettenwechsler, die Kette und die Reifen. Meine Räder waren am Ende des Tages mehr oval als rund, aber Ray hat eine super Arbeit an meinem Fahrrad verrichtet, damit ich unter den besten Bedingungen weiterfahren konnte. Mein Ziel war es, sauber und ohne unnötige Risiken zu fahren. Ich konnte es mir erlauben, einige Sekunden zu verlieren, aber ich musste unter allen Umständen mechanische Probleme oder einen Sturz vermeiden.
Die vierte Wertungsprüfung war eher kurz aber kompliziert. Viele Felsen und eine sehr steile Abfahrt im Wald. Ständiges Wegrutschen mit einem Haufen Spaß! Wir hatten den Reifendruck erhöht, um bösen Überraschungen vorzubeugen. Ich wurde 7. und war etwas enttäuscht von mir. Ich fahre nicht sehr gerne „vorsichtig“, aber ich gebe zu, dass es nichts Intelligenteres gibt, um seinen Vorsprung zu verwalten. Ich war überrascht, dass mein Vorsprung auf den zweitplatzierten Fahrer auf 38 Sekunden angestiegen war.
Die fünfte Wertungsprüfung war länger und schneller mit einigen Anstiegen, die man in den Beinen spürte, aber ich fühlte mich gut und meine Ausrüstung war top. Mit etwas Glück werde ich die letzten beiden Wertungsprüfungen problemlos absolvieren können. Das dachte ich auf jeden Fall!
Bevor ich den Paddock verließ, bemerkte Ray eine Schnittstelle in meinem Hinterreifen. Zur Beruhigung fuhr ich mit einem neuen Reifen und einem sogar noch etwas höheren Druck weiter.
Ich fuhr los und nahm eine sehr felsige Teilstrecke vorsichtig in Angriff. Ich hatte eine Durchfahrt falsch eingeschätzt und schon lag ich auf dem Boden. Ich stieg wieder auf mein Fahrrad. Ich hatte 5 Sekunden verloren, aber ich wusste, dass dies noch kein Problem war. Ich fand sofort in einen guten Rhythmus zurück. Was dann passierte, war aber wahrhaftig ein Albtraum. Es gibt kein anderes Wort, um diese Situation zu beschreiben. Das Geräusch eines Felsen, der den Reifen zerschneidet, das Pfeifen des Reifen, der Luft verliert, und meine Siegträume, die ein abruptes Ende nahmen. Ich war am Boden zerstört. 38 Sekunden Vorsprung vor den letzten beiden Wertungsprüfungen und jetzt 2 Minuten Rückstand!
Als ich zum Paddock zurückkam, versuchte ich zu analysieren, was gerade passiert war. Warum! Was hätte ich anders machen können? Arrgh, der Wettkampf kann manchmal so grausam sein!!
Ich hatte viel Zeit verloren, aber ich hatte nicht vor aufzugeben. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, was eine gute Ausrede war, um nicht mehr „vorsichtig“ zu fahren! Neue Reifen, ein gutes Warm-up und ich war am Start der sechsten und letzten Wertungsprüfung. Ich war entschlossen, sie zu gewinnen, um mein Ansehen wieder herzustellen!
Als ich über die Ziellinie fuhr, wusste ich, dass ich eine gute Zeit gefahren war. Ich gewann schließlich diese letzte Wertungsprüfung. Etwas Labsal am Ende eines besonders anstrengenden Tages. Ich wurde schließlich 11. in der Gesamtwertung. Gerade genug, um meinen zweiten Platz in der Zwischenwertung der EWS 2014 zu behalten.
Für ihre Unterstützung bedanke ich mich bei Trek Factory Racing Enduro, Bluegrass Protection, Met Helmets, Fox Racing Shox, Shimano, Bontrager, Adidas Eyewear, Stages Power Meters, CNP Nutrition.
Was für ein Wochenende! Es gibt einige Lehren zu ziehen, und wieder etwas mehr Erfahrung.
In weniger als drei Wochen geht es mit einer neuen Folge dieser epischen Schlacht in La Thuile weiter.