Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust bei diesem Wetter auf mein neues Rad zu steigen. Aber mein Coach Jo sitzt neben mir im Auto und sagt, dass das hier ein Stück ist, das ich vor dem Ironman Lanzarote abfahren sollte. Widerwillig steige ich aus und hole mein Fuji Norcom aus dem Kofferraum. Obwohl ich nur ein konservatives Set-Up gewählt habe (danke an DTSwiss, die mir in letzter Sekunde noch ein flaches 39er Vorderrad geschickt haben), zerrt der Wind am Rad und lässt es hin und her flattern. Aber ich muss dieses Teilstück der Wettkampfstrecke wohl abfahren – am Renntag sind ebenso Windspitzen bis 50km/h angesagt.
Umso erstaunter bin ich dann, dass es auf dem Rad mich an manchen Stellen zwar beutelt, aber ich habe mit viel mehr Schwierigkeiten gerechnet. Als ich dann jedoch die Feuerberge hoch fahre, will ich nicht mehr: Kein Wattmesser, bergan, 40km/h Gegenwind, ich komme kaum vom Fleck. Aber der Coach besteht darauf, dass ich die geplanten 90 Minuten voll mache, es komme auch noch eine wichtige Abfahrt. Also fahre ich halt weiter. Die letzten Meter fängt es dann auch noch zu Regnen an – jetzt habe ich endgültig die Schnauze voll. Mein armer Coach muss die nächsten 20min Autofahrt eine genervte Athletin ertragen, die noch null Plan hat wie das in drei Tagen im Rennen gehen soll.
Nach diesem Erlebnis war mir wieder vollkommen klar, warum ich vor zwei Jahren im Lanzarote-Trainingslager sagte, dass ich dieses Rennen nie machen werde. Sag niemals nie! Durch meine neue Wahlheimat Spanien hat sich mein Blick auf Lanzarote etwas geändert, 😉 Ich will den Titel nach Mallorca holen!
Drei Tage später stehe ich aufgewühlt an der Startlinie. Die neuen Sailfish-Sachen (Race-Einteiler in pink und der One-Neo) passen perfekt. Alles fühlt sich gut an. Der Startschuss fällt. 1800 Athleten springen in die Fluten. Es ist eine ordentliche Prügelei, aber nach 1000 Metern beruhigt es sich endlich und ich finde meinen Rhythmus. Jedoch habe ich in dem Gewühle die führenden Frauen ziehen lassen müssen. 2:20min hinter der ersten Frau steige ich als Vierte aufs Rad. Der Wind ist so stark wie angesagt. Bei Seitenwind liege ich schräg, bei Frontwind stehe ich fast, aber Kopf runter und durch. Ich halte mich genau an die Vorgaben meines Coaches. Jo und ich haben uns in den Tagen vor dem Rennen jedes Stück der Radstrecke angesehen und für jeden Abschnitt Wattwerte festgelegt, die ich treten soll. Der Plan geht auf: Nach 60km übernehme ich die Führung und heize ab da allein über die Insel und sammle die Profi-Männer vor mir ein. Zurück in Puerto del Carmen überwältigten mich die Anfeuerungsrufe der Zuschauer – egal was jetzt noch kommt, denke ich mir, allein diese enthusiastische Empfang an der Strecke war die Reise wert!
Wie weit die zweite Frau weg ist, weiß ich indes noch nicht. Keiner kann es mir sagen. Bei Laufkilometer vier steht Jo mit der Kamera. Mir geht durch den Kopf, dass wir vorher vereinbart haben, dass er nur Fotos macht, wenn ich gut im Rennen liege. Er schreit mir zu, dass ich 18 Minuten Vorsprung auf die Zweitplatzierte habe. Vor Schreck wäre ich fast stehengeblieben. Im besten Fall hätte ich mit 10 Minuten gerechnet. Der Vorsprung ist beruhigend, ich habe einen guten Rhythmus gefunden und laufe einfach mein Tempo weiter. Nach 20km ist der Abstand nur minimal kleiner, eine Minute weniger, aber was ist schon eine Minute, ich führe mit 17 Minuten. Es kann also nicht mehr viel passieren. Jetzt muss ich nur noch durchlaufen, irgendwie. Die Anfeuerungsrufe sind gigantisch. Auf den letzten drei Kilometern steigen mir Tränen in die Augen. Ich bin wirklich auf dem Weg zu meinem zweiten Ironman-Sieg und zu einer sicheren Hawaii-Quali. Überglücklich überquere ich die Ziellinie.
Erst im Nachgang wird mir wirklich bewusst, dass ich eines der ältesten und schwersten Rennen der Ironman Serie gewonnen habe. Der Medienrummel war fünf Mal größer als bei meinem Ironman Sieg vor sieben Monaten in Malaysia. Alle fragen mich, was als nächstes ansteht. Ich weiß es nicht! Klar, Hawaii. Bis dahin bleibe ich hoffentlich unfall- und verletzungsfrei. Und natürlich brauche ich noch ein paar Wettkämpfe vor der WM auf Big Island im Oktober. Welche das sein werden, weiß ich noch nicht. Erst Mal will ich meinen Sieg auf Lanzarote noch ein bisschen genießen.
Zwei Überraschungen hatte ich nach dem Rennen. Mischa (den habt ihr bereits kennengelernt), seine Schwester Hanna und ihre Eltern haben uns einen wunderschönen Abend unter Freunden in Bad Tölz geschenkt. Und wieder zurück in Felanitx bat mich unser Freund und Präsident des Triathlon Clubs Portocolom , ob ich abends nicht schnell mal bei ihm vorbeikommen könnte. Ich schlendere mit ihm die Straße lang. Stille. Wir wollen gerade eine Seitenstraße queren, da geht ein Tumult los: Der ganze Verein ist da und macht ein Tohuwabohu, Konfetti fliegen, Korken knallen: der liebevollste Empfang, den ich jemals hatte! Danke!
Nun sind wir noch drei Wochen auf Mallorca, bevor es den Sommer über zurück nach Deutschland geht. Wir wollen, oder besser gesagt müssen, noch ein wenig am Schwimmen und Laufen feilen.
Sonnige Grüße aus einem heißen Mallorca,
Eure Diana