Test: Passend zu der momentan laufenden Aktion „Women’s Ride Month“ von Specialized hatten wir in den vergangenen Wochen eines der aktuellen MTB-Frauenmodelle des kalifornischen Herstellers im Test. Das Specialized Era Comp Carbon ist schön, schnell und potent – eigentlich rundum empfehlenswert – mit ein paar kleinen Schönheitsfehlern.
Fakten-Check
[tab:Übersicht]UVP: 3.899€
Gewicht: 11,5kg (Größe M, tubeless)
Rahmenmaterial: Carbon/Aluminium
Laufradgröße: 29″
Federweg vorn/hinten: 100/100mm
Herstellerseite
[tab:Geometrie] [easytable]Maß, S, M, L
Oberrohr Waagrecht,546mm,575mm,601mm
Sitzrohrlänge,382mm,420mm,445mm
Sitzwinkel effektiv,75,75,75
Lenkwinkel,70.5,70.5,70.5
Steuerrohrlänge,90mm,95mm,105mm
Kettenstrebenlänge,448mm,448mm,448mm
Radstand,1076mm,1108mm,1135mm
Stack,589mm,598mm,607mm
Reach,388mm,415mm,438mm
[/easytable] [tab:Ausstattung] [easytable]Bauteil, Modell
Gabel, RockShox Reba RL 29 Solo Air 15mm
Dämpfer,FOX/Specialized remote Mini-Brain
Naben,Specialized Hi Lo 15mm/142x12mm
Felgen, Roval 29
Reifen,S-Works Fast Trak Control 29×2.2″/Specialized Fast Trak Control 29×2.0″
Bremse,Magura MTS
Bremsscheiben,Magura Storm SL 160mm/160mm
Schaltwerk,Shimano XT Shadow Plus SGS
Umwerfer,SRAM X7 2-fach
Schalthebel,Shimano SLX M670
Kurbel,SRAM S-1250 34/22
Kassette,SRAM PG 1030 11-36
Vorbau,Specialized 6° 70mm
Lenker,Specialized Flat 8° Backsweep
Sattelstütze,Specialized 27.2mm
Sattel,Specialized Women’s Myth Comp
[/easytable] [tab:END]Der Rahmen
Das Era Carbon Comp ist das günstigste der drei Carbonmodelle des Marathon/Crosscountry-Racers für die Damenwelt. Um die Kosten zu drücken, setzt Specialized bei den Rahmenmaterialen wie viele andere Hersteller auch auf einen Materialmix. Während der Hauptrahmen aus edlem Carbon besteht, kommt am Hinterbau Aluminium zum Einsatz – der Rahmen bringt somit ein paar Gramm mehr auf die Waage als die Vollcarbonmodelle, bleibt jedoch noch immer deutlich leichter als diejenigen mit einem Hauptrahmen aus Aluminium. Optisch ist das Era Carbon ohnehin eine Augenweide. Der massive Steuerrohrbereich und das voluminöse Unterrohr harmonieren hervorragend mit dem eher filigranen Oberrohr und den organisch geschwungenen Linien.
Die im Hauptrahmen innenverlegten Züge und Leitungen tragen zum schlichten, aufgeräumten Erscheinungsbild des in unserem Fall schwarz/pinken Rahmens bei. Durch die integrierten Liner hält sich auch der oftmals mit durch den Rahmen verlaufenden Zügen einhergehende Mehraufwand in erfreulich engen Grenzen. Am Hinterbau kommt eine Steckachse im 142x12mm Maß zum Einsatz – das sorgt für sicheren Sitz, erhöhte Steifigkeit weniger schnell schleifende Scheibenbremsen nach dem Radausbau. Wie bei den meisten der aktuellen vollgefederten Modelle bei Specialized kommt auch im Era Carbon Comp das seit vielen Jahren gewährte FSR Hinterbaukonzept zum Einsatz, das Effektivität und Komfort perfekt in Einklang bringen soll. Streng genommen handelt es sich um einen 4-Gelenker mit Horst-Link, doch der spezielle FSR Link soll den Specialized-Modellen einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz bescheren – ob’s funktioniert, wird der Test auf dem Trail später klären.
Clevere und äußerst praktische Detaillösungen runden den gelungenen Gesamteindruck vom Rahmen ab: Das Unterrohr ist auf seiner Unterseite durch eine dicke und schlagfeste Folie von heraufschleudernden Steinen und eventuellen Beschädigungen geschützt. Dies ist gerade bei Carbonrahmen äußerst sinnvoll – dennoch verzichten noch immer viele andere Hersteller darauf. Schön, dass dies bei Specialized nicht der Fall ist. Außerdem ist der Rahmen Teil des sogenannten SWAT-Konzepts (Storage, Water, Air, Tools) von Specialized. In den Rahmen integrierte Verstaumöglichkeiten sollen es dem Fahrer bzw. der Fahrerin so ermöglichen, die wichtigsten Dinge wie eben Trinkwasser oder Werkzeug mitzuführen, ohne immer zwangsläufig mit einem Rucksack auf Trailjagd gehen zu müssen. Gerade an einem für den Marathon- oder Renneinsatz konzipierten Bikes wie dem Era macht eine solche Lösung viel Sinn. Über der Dämpferaufnahme am Hauptrahmen sitzt beispielsweise ein kleines Multitool, das die wichtigsten Werkzeuge für schnelle Reparaturen unterwegs bereithält. Es lässt sich in wenigen Sekunden entnehmen und ist nach seinem Einsatz im Handumdrehen wieder im Rahmen verschwunden. Mit einem deutlich hörbaren Klick rastet es ein und sitzt fortan sicher an Ort und Stelle und wartet auf seinen nächsten Einsatz.
Die Geometrie
An Frauenbikes scheiden sich oftmals die Geister: Viele sagen, spezielle Fahrräder für Frauen seien unnötig und die richtigen Männermodelle seien ebenso geeignet. Andere wiederum schwören seit Jahren auf speziell auf die Bedürfnisse des weiblichen Geschlechts zugeschnittene Bikes. Specialized hat schon viele Jahre Erfahrung bei der Herstellung und Konzeption von Frauenrädern – und das zahlt sich beim Era aus. In gewisser Art und Weise soll das Era das Specialized Epic für Frauen sein – ein schnelles, bedingungsloses Cross Country-Geschoss.
Zum einen sind natürlich die Größen des Specialized Era auf eher kleine Körpergrößen zugeschnitten. In Größe S misst das Sitzrohr beispielsweise lediglich 382mm, das Oberrohr kurze 546mm. Es ergibt sich für die kleinste Größe eine wirklich geringe Überstandshöhe von lediglich 726mm – ein solcher Rahmen ist trotz der großen 29″ Bereifung auch für sehr klein gewachsene Personen gut zu kontrollieren. Um solche Maße zu erreichen, musste man bei Specialized tief in die Trickkiste greifen und einen hohen Aufwand betreiben. Beispielsweise weisen die unterschiedlichen Größen unterschiedlich hohe Tretlager auf und sogar der Federweg von Dämpfer und Gabel wächst bzw. schrumpft mit den unterschiedlichen Größen. Während das Era in M und L jeweils 100mm Federweg an Front und Dämpfer bietet, sind es in Größe S lediglich 90mm – so kann im Zusammenspiel mit dem 90mm kurzen Steuerrohr trotz der großen 29″ Bereifung noch eine annehmbare Sattelüberhöhung erreicht werden – ein entscheidendes Kriterium für viele Performance-orientierte Fahrerinnen im Bereich Crosscountry.
Die Ausstattung
Doch nun genug der Worte über den Rahmen – kommen wir zur Ausstattung des Specialized Era Carbon Comp. Der Antrieb stammt überwiegend aus dem Hause Shimano. Als Schaltwerk kommt ein Shimano XT in Shadow Plus Ausführung zum Einsatz – sehr schön! Das gedämpfte Schaltwerk reduziert Kettenschlagen und Abwürfe auf ein absolutes Minimum. Auch die Shifter stammen aus der XT-Reihe und bieten ein Shimano-typisch geschmeidiges Schaltgefühl, ohne jedoch die nötige Präzision vermissen zu lassen. Bei Umwerfer und Kurbel setzt Specialized auf die Shimano-Konkurrenz von SRAM: Zwar funktioniert der Umwerfer aus der X7-Reihe gut, doch hätten wir uns an einem fast 4000€ teuren Rad schon einen wertigeren, leichteren X9-Umwerfer gewünscht. Ähnliches gilt für die Kurbel: Das Modell trägt die Bezeichnung S-1250 und wird eigens für Specialized produziert und bewegt sich wie der Umwerfer auf X7-Niveau. Auch hier wäre ein leichteres Modell durchaus wünschenswert gewesen. Funktional gibt es aber wie gesagt nichts an den verbauten Antriebskomponenten auszusetzen. Die gewählte Abstufung ist mit 34/22 Zähnen hervorragend für die entspannte Trailjagd, doch dürfte für die eine oder andere Fahrerin sicherlich auch etwas größer gewählt sein.
Beim Fahrwerk des Specialized Era Carbon Comp bleiben keine Wünsche offen: In der Front steckt eine RockShox Reba RL mit einer 15mm Steckachse und 100mm (M/L) bzw. 90mm (S) Federweg. In den vergangenen Jahren mauserte sich die Reba bei RockShoxk immer mehr zur Konkurrenz für die SID aus dem eigenen Hause. Die beiden Crosscountry Topmodelle teilen sich inzwischen das Casting und liegen deshalb beim Gewicht sehr dicht beieinander – auch in Puncto Performance muss sich die etwas günstigere Reba nicht vor der großen Schwester verstecken.
Für den Federweg im Heck ist ein Dämpfer aus dem Hause Fox zuständig. Als besonderes Highlight kommt dieser mit der von Specialized entwickelten Brain-Dämpfung. Diese ist dafür zuständig, dass das Heck auf ebenen Strecken straff bleibt und selbst im Wiegetritt kaum Energie schluckt, während der Mechanismus bei gröberen Gelände dann die vollen 100mm Federweg zu Verfügung stellt. Bewerkstelligt wird dies durch ein außerhalb des Dämpfers gelagerten Trägheitsventils, das die unterschiedliche Charakteristik von von der Fahrerin ausgehenden Kräften z.B. im Wiegetritt und Unebenheiten auf dem Trail unterscheiden kann. Durch einen Regler lässt sich die Schwelle für diesen Übergang individuell auf die Anforderungen anpassen. Wer sich für die Technik hinter dieser Dämpfung interessiert, kann sich auf Youtube ausführlich informieren. Wir waren jedenfalls gespannt, ob und wie gut die Brain-Dämpfung im Era funktioniert.
Die Bremsanlage im Specialized Era Comp Carbon 29 kommt aus Deutschland, genauer gesagt aus dem Schwabenland, nämlich von Magura. Das wie die Kurbel eigens für Specialized produzierte Modell MTS ist technisch baugleich mit der Magura MT4, kommt allerdings in einem angepassten Gewand daher. Kombiniert wird die Bremse mit Magura Storm SL Bremsscheiben mit jeweils 160mm. Das Bremsgefühl ist zunächst gewöhnungsbedürftig, denn die Magura hat einen etwas weicheren Druckpunkt als die Konkurrenz von Shimano, SRAM und Co. Viele Fahrer schätzen das zu Beginn etwas schwammig wirkende Gefühl nach der Eingewöhnungsphase, denn die Bremskraftdosierung gestaltet sich so wesentlich einfacher. Etwas seltsam finden wir die Entscheidung, auch an der Front auf eine kleine 160mm-Scheibe zu setzen. Denn in Kombination mit den großen 29″ Rädern wirken erhöhte Kräfte auf die Bremse und eine 180mm-Scheibe hätte nur für wenig Mehrgewicht gesorgt.
Sehr gut gefallen haben uns die Laufräder am Era Comp Carbon. Sie kommen wie auch viele der Anbauteile (Lenker, Vorbau, Sattelstütze) aus eigenem Hause. Als Naben kommen die an vielen Modellen verbauten Specialized Hi Lo zum Einsatz. Diese machen einen gut verarbeiteten Eindruck und die Hinterradnabe hat einen angenehmen, deutlich wahrnehmbaren aber nicht zu aufdringlichen Freilaufsound. Die Felgen stammen von Roval – die Marke gehört ebenfalls zu Specialized. Mit einer Innenbreite von 21mm sind sie gewappnet für Reifen bis zu 2,3″ – außerdem sind sie Tubeless-Ready. Unser Testrad kam fertig aufgebaut im Tubless-Setup. Der Laufradsatz bringt ohne Felgenband ca. 1800g auf die Waage – ein sehr guter Wert angesichts der Eckdaten.
Auf dem Trail
Schluss mit der Theorie – ab in den Wald mit dem Era! Von der ersten Pedalumdrehung an macht sich der wirklich unwiderstehliche Vorwärtsdrang des schwarz-pinken Schmuckstücks bemerkbar. Die sehr gute Bereifung von Specialized auf den recht leichten Laufrädern und die steilen Winkel machen das Era selbst auf der gemütlichen Feierabendrunde zum Renngerät. Man will einfach schnell Fahren, es fühlt sich richtig an – das Era atmet Geschwindigkeit durch jede Pore. Die Geometrie unseres Testrads in Größe M passt unserer 1,73cm großen Testerin wie angegossen. Insbesondere die niedrige Front mit dem kurzen Steuerrohr und dem Flatbar-Lenker ist eine Genugtuung für viele kleinere Fahrerinnen.
Rein gar nichts auszusetzen gibt es am Antrieb – das Shimano XT Schaltwerk arbeitet gewohnt leise und zuverlässig und die Shadow Plus-Dämpfung macht einfach Spaß. Auch die anfangs kritisierten X7-Komponenten verrichten ihren Job absolut zuverlässig. Ganz besonders gespannt waren wir natürlich auf die Vorstellung der im Vorfeld so hoch angepriesenen Brain-Dämpfung im Hinterbau. Zugegeben, gerade zu Anfang nahmen wir den Effekt eigentlich kaum wahr – das Era fühlte sich nach einem straffen Rennbike an, doch weder im Uphill, noch auf dem Trail oder auf der Straße spürten wir einen merklichen Unterschied zu einer herkömmlichen Dämpfung. Dann begannen wir, uns der Brain Fade Einstellung am Trägheitsventil anzunehmen – und siehe da: Nun spüren wir die Veränderung! Nach einigem Testen und Einstellen haben wir die passende Schwelle des Ventils gefunden. Auf ebener Strecke bleibt der Dämpfer so selbst im Wiegetritt extrem straff und federt kaum ein, während er auf ruppigen Trails die Dämpfung öffnet und den Federweg freigibt. Das funktioniert in den meisten Fällen wirklich hervorragend, doch es gab die eine oder andere Situation, als sich das „Brain“ eine kurze Auszeit nahm und den ersten gröberen Schlag ungefedert ins Heck weitergab. Das passierte vor allem dann, wenn wir längere Zeit auf gemütlichen, weniger anspruchsvollen Wegen unterwegs waren und dann auf einen Trail wechselten. Doch in 95% der Fälle arbeitete das System wie gewünscht und war eine echte Erleichterung.
Alles gut also? Fast! Der einzige größere Kritikpunkt, der sich während unseres Tests immer wieder bemerkbar machte, war die Bremsanlage, genauer gesagt, die unterdimensionierte Scheibe am Vorderrad. Es reichten bereits kürzere Abfahrten unserer 72kg leichten Fahrerin um die Bremsanlage an der Front an ihre Grenzen zu bringen und die Leistung merklich sinken zu lassen. Das ist ärgerlich und unnötig – eine 180mm große Scheibe würde sicherlich für genügend Reserven sorgen. Doch im Fall der Fälle lässt sich die Scheibe auch schnell und kostengünstig wechseln.
Fazit
Was bleibt also unter dem Strich stehen für das Specialized Era Comp Carbon 29? Toller Rahmen mit cleveren Detaillösungen wie dem integrierten Multitool, sehr guter Hinterbau mit in den meisten Fällen hervorragend funktionierender Brain Dämpfung und ein sehr guter Laufradsatz. Leider sind die Anbauteile, Kurbel und Umwerfer nicht auf dem Niveau, das man von einem Rad dieser Preisklasse erwarten würde. Außerdem scheint uns die 160mm große Bremsscheibe an der Front unterdimensioniert – trotz eher leichterem Fahrergewicht und gemäßigtem Einsatzgebiet. Wer sich an den kleinen Kritikpunkten aber nicht weiter stört, der bekommt ein tolles Damenrad, das seinen Namen auch wirklich verdient.
Hallo,
I bin auf der suche nach einem fully mit brain. Aktuell gibts das 2017 Model in L bei einem Anbieter für 1999€.
Ich bin 176cm gross und zu klein für mein gewicht 🙁 95 kg und möchte mal wieder die 70.ger kg sehen 🙁
Kann man als mann dieses Rad auch fahren ? Oder gibts da irgendwelche sachen die ne so gut wären.
Gruss
Thomas