Cyclist Technik-Check: Focus behauptet, dass das Izalco das leichteste Serienrennrad mit Scheibenbremsen auf dem Markt ist. Doch wie ist das Fahrgefühl?
Nötige Überarbeitung
Derzeit sponsert Focus Ag2r La Mondial und im September wird das Team Scheibenbremsen unter Wettbewerbsbedingungen testen können. Läuft alles nach Plan, wird die UCI 2016 weitere Tests zulassen und Scheibenbremsen bei der WorldTour 2017 möglicherweise gänzlich einführen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf hat Focus sich sein Ag2r-Rennrad geschnappt und dieses einer Scheibenbremsen-Überarbeitung unterzogen.
Die Gabel ist der offensichtlichste Ort, an dem diese Überarbeitung vonstatten gehen musste. Am originalen Izalco Max war sie zwar sehr dünn und federleicht, eignet sich aber genau aus diesen Gründen nicht für Scheibenbremsen. Die neue Variante sieht optisch sehr ähnlich aus, allerdings wurde die Wandstärke am linken Gabelbein deutlich erhöht, der Durchmesser jedoch blieb gleich. Bei Focus wollte man außerdem unbedingt Steckachsen verwenden. Diese ermöglichen es, dass die Carbonfasern hinunter zur Gabel und wieder hinauf durchgängig verlaufen, ohne dass sie von einem offenen Ausfallende unterbrochen werden.
Mit nur wenig Mehrgewicht wird die Stabilität somit deutlich erhöht, die neue Gabel wiegt mit 320 g somit lediglich 27 g mehr als die Felgenbremsenausführung.
Auch der Rahmen ist etwas schwerer geworden – weitere 40 g ergeben ein Gesamtgewicht von 790 g. Das komplette Rad wiegt nur 6,81 kg, weshalb Focus behauptet, dass es das leichteste Serienrennrad mit Scheibenbremsen auf dem Markt ist.
Abgesehen vom minimalen Mehrgewicht hat Focus auch einige Änderungen am Rahmen vorgenommen. So ist nun beispielsweise das Oberrohr zur Erhöhung der Steifigkeit länger, außerdem kommen die Kettenstreben mittlerweile auf 415 mm.
Auf dem Prüfstand
Zur Markteinführung in Italien bin ich mit dem Rad einige schnelle, lange Abfahrten gefahren und beim Durchqueren der Kurven blieb das Focus ruhig und beherrscht. Sobald die Straße wieder bergauf ging, wurde klar, dass das Izalco Max durch die Wandlung zum Scheibenbremsrenner kein bisschen von seinen Renngenen eingebüßt hat. Das hintere Rahmendreieck war immer noch steif genug, um sicherzustellen, dass die Beschleunigung blitzschnell vonstatten ging. Das geringe Gewicht machte sich bei den Steigungsgraden über 10 % positiv bemerkbar.
Die große Überraschung war für mich jedoch, wie komfortabel sich dieses Rennrad fuhr. Die schlimmsten Unebenheiten der Straße werden gedämpft, was ein entspanntes Fahrgefühl ergibt. Focus führt dies auf die höhere Flexibilität der CPX-Sattelstütze zurück. Deren Design ist zwar einzigartig, nachdem ich die Stütze jedoch gegen meine normale ausgetauscht hatte, konnte ich in Sachen Vibrationsdämpfung keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Somit schätze ich, dass die Sattelstütze nur zum Teil für die komfortable Fahrt verantwortlich ist, weshalb ich keine Sekunde zögern würde, sie für eine korrekte Sitzposition auszutauschen (die CPX ist nicht ohne Versatz erhältlich).
Meine jüngsten Runden auf dem Rad musste ich bei unglaublich schlechtem Wetter absolvieren. Nach der Hälfte meiner Tour war die Temperatur um 11 °C gefallen und es schüttete wie aus Gießkannen. Meine Sommerklamotten waren schon längst komplett durchnässt, ich fuhr aber weiter – und musste trotz des miesen Wetters die ganze Zeit lächeln. Normalerweise hasse ich es, bei solchen Bedingungen unterwegs zu sein. Was mich jedoch von der Suche nach dem nächsten Bahnhof abhielt, war der Spaß, den ich mit dem Izalco auf den nassen Abfahrten hatte. Die Gefahr, bei Regen mit Carbonfelgen bergab zu fahren, ist wohlbekannt. Doch ausgerüstet mit den hydraulischen Scheibenbremsen der SRAM Red hatte ich stets die volle Kontrolle.
Bis vor Kurzem waren Scheibenbremsen noch ein Anzeichen für Endurance-Räder mit Augenmerk auf Langstrecken und Komfort. Nun liefert uns Focus Scheibenbremsen an einem standesgemäßen Rennrad, das zudem noch komfortabel ist. Mich hat das Izalco Max Disc überzeugt, und als ich wieder auf mein reguläres Rad mit Felgenbremsen stieg, fühlte sich dies wie ein Schritt zurück an. Der wahre Test folgt aber im nächsten Jahr, wenn die Profis ihre Wahl treffen müssen.