Test: Zum Ende der Cross-Saison präsentiert Velomotion noch ein absolutes Highlight: Das Ridley X-Night SL ist ein Cyclocross-Bike der Extraklasse, das bei der kommenden WM für einen Platz auf dem Treppchen gut sein könnte. Velomotion durfte es auf einem Worldcup-Kurs von Zonhoven ausgiebig testen.
Die Querfeldeinsaison geht ihrem Ende entgegen, doch das muss nicht bedeuten, dass das Interesse am Material schlagartig nachlässt. Natürlich kann man seinen Crosser auch in den kommenden Monaten fahren; sei es wie gewohnt auf kurzen, intensiven Runden im Gelände oder mit anderer Bereifung im Straßentraining. Wobei es Cyclocross-Bikes gibt, die mehr auf den Allround-Einsatz zugeschnitten sind, und andere, die reines Spezialistentum auszeichnet.
Das Ridley X-Night SL ist so ein Fall. Das Spitzenmodell der Belgier, die sich selbst als Marktführer im Querfeldein-Segment bezeichnen, ist definitiv ein Offroad-Sportgerät. Mit kurzem Oberrohr und steilem Lenkwinkel ist der an die 1.000 Gramm leichte Rahmen auf eine kompakte, aggressive Sitzposition zugeschnitten und lenkt sich ausgesprochen agil; und dann sind da noch Faktoren wie nur ein Paar Flaschenhalter-Bohrungen und die 1×11-Gruppe, die klar machen: Dieses Rad ist dazu bestimmt, im Gelände zu bleiben.
Und dort liefert es, wie im Grunde nicht anders zu erwarten, Bestleistungen ab. Unser Testrad wog mit Pedalen knapp acht Kilo, was an sich schon dem Fahrspaß förderlich ist, denn so lässt sich das Bike gut beschleunigen, mit leichter Hand bewegen und ohne übermäßigen Kraftaufwand schultern. Mit gewichtsoptimierten Rennlaufrädern statt Faltreifen und Carbon-Felgen dürften noch einmal einige Hundert Gramm drin sein.
Bei Rädern, die im Profisport gefahren werden, erübrigt sich die Frage nach der Steifigkeit. Klar, der eine oder andere Hobbyfahrer ist deutlich schwerer als ein durchschnittlicher Radprofi. Doch Crosser sind keine abgemagerten Bergfahrer; man kann also davon ausgehen, dass ihr Material hohe Belastungen und kräftige Pedaltritte locker aushält. Das Ridley gibt in dieser Disziplin jedenfalls keinen Anlass zur Klage; im Wiegetritt schwankt es nicht, und in Längsrinnen lässt es nie das Gefühl von seitlicher Verwindung an Gabel und Steuerrohr aufkommen.
Im Querfeldeinsport führen Felgen- und Scheibenbremsen eine friedliche Koexistenz. Ein Fahrer bevorzugt das eine, ein zweiter das andere, und Ridley respektiert diese Zweiteilung, anstatt, wie so mancher andere Hersteller, eine erzieherische Mission zu verfolgen und nur noch Disc-Crosser anzubieten. Wir fuhren das X-Night SL mit SRAM-Scheiben, die sich hervorragend dosieren lassen und bei Bedarf stark verzögern; andererseits waren wir auf einem Kurs unterwegs, der erklärt, warum viele Fahrer immer noch auf die alten Cantilever vertrauen. Im Sand von Zonhoven ist nämlich allenfalls leichtes Anbremsen gefragt; der tiefe Untergrund sorgt dafür, dass man selbst an den Gefällepassagen eher treten muss, als zu verzögern. Aus der emotionalen Grundsatzdiskussion um das Für und Wieder von Scheibenbremsen ist jedenfalls längst ein pragmatisches Abwägen geworden.
Angesichts der schweren Strecke waren wir erst einmal skeptisch, ob die 1×11-Schaltung mit 42er Blatt und 11-28er Kassette ausreichen würde. Doch es zeigt sich: Wer im Sand feststeckt, den rettet auch kein Rettungsring – absteigen und schieben bzw. tragen ist die Devise. Wer eine kürzere Übersetzung bevorzugt, kann außerdem ein 40er oder 38er Blatt montieren.
SRAM verwendet bei der Force CX1 bekanntlich ein Kettenblatt mit unterschiedlichen Zähnen für Innen- und Außenlaschen, die außerdem länger sind als gewohnt. Dass dies zusammen mit dem speziellen Schaltwerk die Kette sicher am Platz hielt, konnten wir beim unfreiwilligen Absteigen des Öfteren feststellen. Dennoch montieren manche Profis einen zusätzlichen Kettenfänger. Am Testrad könnte man einen solchen etwa am Umwerfersockel befestigen, der den einzigen Schönheitsfehler des Ridley darstellt. Mit innenliegenden Zügen und Leitungen ist der Rahmen sehr glattflächig und elegant designt, da ragt der leere Sockel schon ziemlich auffällig hervor. Schöner wär’s, einfach eine Umwerferschelle beizulegen.
Ridley vertraut auf die Kombination von Steckachse vorne und Schnellspanner hinten – das sieht man oft und es funktioniert gut. Auch die Challenge-Faltreifen sind ein typischer Anblick bei Crossern von der Stange; in Verbindung mit den recht breiten Felgen der hochwertigen DT-Swiss-Laufräder rollen sie leicht ab und können auch mit geringem Druck gefahren werden, ohne dass man sonderlich viel Angst vor Defekten haben muss.
„Done in 60 Minutes“ heißt es am Sitzrohr mit Bezug auf die Länge von Querfeldeinrennen. Unsere Testfahrt dauert deutlich länger und hinterlässt einen bleibenden, positiven Eindruck. Einzig das Preisschild sorgt für Stirnrunzeln: 4.499 Euro soll das Komplettrad kosten, 2.499 Euro das Rahmenkit. Das sind rund 500 Euro mehr, als Wettbewerber für identisch ausgestattete Modelle mit mindestens ebenso hochwertigen Rahmen aufrufen. Die gibt es dann allerdings nicht in einer Cantilever-Variante.
Fazit – Ridley X-Night SL 10 Disc
Mit dem X-Night SL stellt der belgische Marktführer eine Rennmaschine auf die Räder, die mit sehr guten Fahreigenschaften und Top-Komponenten glänzt. Wenn das Ridley jetzt noch etwas erschwinglicher wäre…
Produkt-Highlights
- Steifer, agiler Carbonrahmen
- Sehr gute Komponenten
- Gut schaltbare 1×11-Gruppe
- Top dosierbare Scheibenbremsen
Preis und Web
- Komplettrad 4.499 Euro
- Rahmenset 2.499 Euro
- www.ridley-bikes.com