MTB-News: „What’s all that fuss about B+?“ – zu Deutsch – „Was soll das ganze Trara um B+?“
Diese Frage stellten sich wohl spätestens beim Besuch der letztjährigen Eurobike viele Mountainbiker. Standen 2014 die Fatbikes bei vielen Herstellern im Mittelpunkt, stahlen diesen die sogenannten Plusbikes die Show, als es darum ging, die heißesten Neuheiten für die kommende Saison zu präsentieren. Plusbikes, das sind Bikes mit 2.8 bis 3.25 Zoll breiten, voluminösen Reifen, die es, montiert auf 27.5″ Felgen mit einer Innenweite ab 30 Millimeter, auf den Durchmesser eines Twentyninerlaufrads bringen. Um der Eingangsfrage auf den Grund zu gehen, hörten wir uns bei WTB, den Erfindern von B+, um. Wir erhielten Auskunft über Einsatzbereiche, Design und Zielgruppen der breiten Reifen sowie darüber, wie die Tüftelei zweier Freunde eine ganze Industrie auf den Plan rief.
Velomotion: WTB ist eine der ersten Marken, die MTB-Reifen im Plusformat auf den Markt gebracht haben. Gibt es eine bestimmte Person, die man als treibende Kraft hinter diesem Projekt bezeichnen könnte?
WTB: Es gab mehrere Person, die das Projekt B+ maßgeblich mitbeeinflusst und vorangetrieben haben. Mark Slate, einer unserer Firmengründer, sorgte dabei gemeinsam mit seinem guten Freund Bob Poor für die Initialzündung. Aber lassen wir Mark selbst zu Wort kommen und die Geschichte erzählen:
„Die Idee, bestehende Twentyniner-Bikes mit einem auf einer Felge mit geringerem Durchmesser montieren Plusreifen auszustatten, stammte von meinem guten Freund Bob Poor. Wir sprachen darüber, als er mich kurz nach der Interbike 2012 zu Hause besuchte. Wir betrachteten die durchschnittliche Reifenfreiheit an den Ketten- sowie den Sitzstreben um daraus die maximale Größe für einen Reifen abzuleiten, der in einen Großteil der erhältlichen Twentyniner passen würde. Was die Gabel betraf, war uns klar, dass dieser B+ Reifen, wie Bob ihn bezeichnete, mit sämtlichen auf dem Markt verfügbaren 29“ Modellen kompatibel war. Nachdem wir uns einige unterschiedliche Breiten durch den Kopf gehen ließen, landeten wir letzten Endes bei einer Breite von 2.8“. Auf einer durchschnittlichen bis breiten 27.5“ Felge sorgt diese Reifenbreite für ein großes Volumen sowie einen Gesamtdurchmesser von 28.5“ bei niedrigeren Luftdrücken.“
Außerdem war da noch Jason Moeschler, bei WTB OEM Sales Manager und außerdem unsere in-house Trailfräse. Er zeigte den Entwurf einigen potentiellen Kunden, von denen viele großes Interesse an unserer Idee zeigten. Aus diesem Grund muss Jason als derjenige erwähnt werden, der für den nächsten Schritt sorgte, indem er das Interesse einiger Big Player aus der Industrie weckte. Zudem stammt auch die Idee, das neue Reifenformat auf einer breiteren Felge (in diesem Fall auf der Scraper i45) zu montieren, von ihm. Kurze Zeit später präsentierte dann auch schon ROCKY MOUNTAIN mit dem Sherpa das erste Rad, das explizit für den 2.8″ breiten Trail Blazer auf unseren Scraper i45 Felgen konzipiert wurde.
Plusreifen hatten rasch den Ruf, hervorragende Allrounder zu sein. Geht man bei WTB davon aus, dass Plus-Reifen künftig auch bei Enduro-Rennen zu einem gewohntem Anblick oder sich diese Reifen als ein alternatives Format für Trailbikes etablieren werden?
Was den professionellen Rennfahrer angeht, können wir diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten, da wir nicht glauben, dass B+ Reifen erste Wahl für Racer darstellen. Profis bewegen ihre Bikes deutlich näher am Limit als der Durchschnittsbiker, wodurch Reifen mit größerem Volumen oberhalb einer Grenze bewegt werden, bis zu der sie, was Komfort und Performance betrifft, sinnvoll fahrbar sind. Hingegen sehen wir Amateur- und Hobbyrennfahrer als eine der Hauptzielgruppen von 27.5+ Bikes . Von ihnen glauben wir, dass ein Plusbike das einzige Rad in ihrer Garage werden könnte. Sie würden sowohl im Training als auch bei Rennen von der zusätzlichen Traktion sowie der erhöhten Kontrolle profitieren, die sich durch die größeren Reifen ergibt. Wir sind überzeugt, dass diese Fahrer mit einem Plusbike Enduro-Rennen bestreiten können, ohne dabei in irgendeiner Form Kompromisse eingehen zu müssen. Es ist sogar vielmehr so, dass einige Hobbyrennfahrer aus unserem Bekanntenkreis, die auf den Downhilltrails hier in Kalifornien unterwegs sind, ihre schnellsten Zeiten fuhren, als sie auf einem 27.5+ Bike saßen.
Die Vorteile von Tubeless haben schon bei bislang üblichen Reifen für eine gravierende Veränderung der Fahreigenschaften gesorgt. Werden diese Vorteile durch Reifen in Plusgrößen nochmals verstärkt?
In der Theorie sorgt ein Tubeless-Setup wie unser TCS (Tubeless Compatible System) dafür, dass die Reibung, die systembedingt zwischen dem Schlauch und der Reifeninnenseite auftritt, eliminiert wird. Dies führt dazu, dass der Reifen geschmeidiger abrollt, Stöße besser abdämpft und somit für eine erhöhte Traktion sorgt. Die Möglichkeit, mit einem Plusreifen niedrigere Reifendrücke als mit einer konventionellen Schlauch-Reifen-Kombination fahren zu können, resultiert aus dem größeren Reifenvolumen, das überwunden werden muss, um einen Durchschlag auf die Felge zu provozieren. Jedoch ist auch eine breitere Felge ein maßgeblicher Bestandteil des gesamten Systems: Die erhöhte Felgenbreite, die für gewöhnlich in Kombination mit Reifen in Plusgrößen Verwendung findet, stabilisiert den Reifen in lateraler Richtung und sorgt so für die notwendige Abstützung. Diese ist erforderlich, um den ein Einknicken des Reifens oder gar sogenanntes „Burping“ in Kurven zu verhindern.
Wurden die geringeren Luftdrücke sowie die erhöhte Flexibilität der Plusreifen auch in die Überlegungen bezüglich des Aufbaus der Reifenkarkasse mit einbezogen?
Was die Karkasse angeht, gibt es keine Besonderheiten. Den besonderen Eigenschaften der Plusreifen wird jedoch beim Design der Gussform Rechnung getragen: Diese orientiert sich stark an dem Querschnitt, den der Reifen unter Last annimmt: Je breiter ein belasteter Reifen wird, desto stärker ausgeprägt ist die Veränderung seines Querschnitts, was wiederum bedeutet, dass der Reifen zunehmend weniger rund ausfällt. Diese Eigenschaft ist jedoch nicht durch die grundsätzliche Form des Reifens vorgegeben, sondern ist eine Folge der bei Plus-Reifen gebräuchlichen niedrigeren Luftdrücken. Aus diesem Grund müssen bei Herstellung der Gussform sowohl die größere Auflagefläche als auch der geringere Luftdruck berücksichtigt werden, die sich aus der Verwendung breiterer Reifen ergeben.
Wie sieht die Zukunft für die Mid-Fat 27.5+ und 29+ Bikes aus? Handelt es sich um die Zukunft des MTB-Sports oder lediglich eine Modeerscheinung, die so schnell wieder verschwinden wird, wie sie gekommen ist?
Plusbikes sind definitiv mehr als nur ein weiterer Trend, und auch, wenn man sie derzeit noch als Nischenprodukt bezeichnen könnte, haben sie doch rasch ihren festen Platz innerhalb der Industrie gefunden. Was die meisten überrascht haben dürfte, ist die Vielzahl an unterschiedlichen Fahrstilen und Disziplinen, die sich mit einem Plus-Bike abdecken lassen. Dazu gehören sowohl ambitionierte Fahrer, die auf anspruchsvollen Strecken von der erhöhten Traktion der 27.5+ Reifen profitieren als auch Anfänger, die den fehlerverzeihenden, gutmütigen Charakter der breiteren, voluminöseren Reifen zu schätzen wissen. Unter Bikepackern, die oftmals tagelang auf unebenem Geläuf unterwegs sind, kristallisierte sich nach kurzer Zeit 29+ aufgrund des Mehrs an Komfort und Fahrstabilität, welches sich besonders bei einem mit Gepäck beladenen Bike positiv bemerkbar macht, als favorisierte Reifenplattform heraus. Bereits jetzt bietet der Markt Plusreifen für jeden Einsatzweck und Fahrstil und man kann fest davon ausgehen, dass das Angebot stetig weiterwachsen wird. Wir bei WTB sind voll und ganz von den Vorteilen der Plusplattform überzeugt und werden uns auch in Zukunft mit der Entwicklung weiterer Reifenmodell zu dieser bekennen.
Zum Abschluss noch eine letzte Frage: Angenommen, man möchte eine Feierabendrunde auf den Trails drehen – greift man dafür am besten zu einem ein konventionell bereiften Full Suspension Trailbike oder einem Plus-Hardtail mit einer eher flach ausgelegten Geometrie?
Das ist eine knifflige Frage, deren Beantwortung stark von dem Terrain sowie von dem Ziel abhängt, das man letzten Endes mit einer Runde auf dem Bike erreichen möchte. Sprechen wir von rauem, felsigem Gelände, das außerdem mit zahlreiche Drops und anderen Hindernisse gespickt ist, wird man sehr wahrscheinlich in einem Großteil der Fälle dem vollgefederten Trailbike den Vorzug geben. Gleiches gilt, wenn man einfach ballern gehen und dabei die Grenzen seiner Fahrtechnik ausloten möchte: Auch in diesem Fall würde man zu einem Rad greifen, das man gewöhnlich als Trailbike bezeichnet. Reifen mit konventioneller Breite sind nun einmal dafür gemacht, um aggressiv unterwegs zu sein und häufig ist genau das das Ziel einer Ausfahrt mit dem Bike. Auf der anderen Seite sind Plus-Hardtails rasch für viele Leute bei WTB zu dem Bike geworden, das man aus dem Schuppen holt, um beispielsweise die Mittagspause oder den Feierabend für eine entspannte Tour mit Freunden zu nutzen, bei der man einfach nur Spaß haben möchte. Mit einem Augenzwinkern gesagt: Wir halten Plusbikes für die Mittagspausen-freundlichsten Bike überhaupt, da sie mit ihrem erhöhten Komfort sowie der erhöhten Traktion dafür sorgen, dass man unbeschadet und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Außerdem sollte man auch das Preis-Leistungsverhältnis nicht außer Acht lassen: Ein Plus-Hardtail ist in der Regel deutlich günstiger als ein vollgefedertes Trailbike, steht diesem in Sachen Fahrspaß jedoch kaum nach. Letzten Endes sollte man sich jedoch Folgendes vor Augen führen: Beide Arten von Bikes dienen einem völlig unterschiedlichen Zweck und es würde uns ausgesprochen schwer fallen, einer der beiden Bike-Kategorien und den ihr eigenen Eigenschaften den Vorzug gegenüber der anderen zu geben. Allerdings sind wir der Meinung, dass die Kombination aus beiden, sprich ein vollgefedertes Plusbike, die Bedürfnisse der meisten Biker zu einem großen Teil abdeckt.
Vielen Dank für diesen ausführlichen Einblick! Wir sind gespannt darauf, welche Entwicklung diese Reifenplattform künftig nehmen wird!