Radsport: Totgesagte leben länger. Auch im Radsport trifft dieses Sprichwort auf manche Fahrer zu. In der Saison 2016 kam es zu mindestens drei beeindruckenden Radsport Comebacks und damit auch zu drei überraschenden Siegern. Sie wurden bereits abgeschrieben, doch konnten noch einmal für einen großen Erfolg zurückkommen. Mit dabei ist auch ein Schweizer und ein Deutscher.
Mark Cavendish dominiert völlig unerwartet die Sprints der Tour
Von 2008 bis 2013 dominierte Mark Cavendish die Sprintankünfte der Tour de France. Mit 25 Etappensiegen in sechs Jahren führt er diese Statistik in unserer Generation deutlich an. Doch in den darauf folgenden Jahren konnte er an seine alte Stärke nicht anknüpfen. 2014 musste er wegen einem Sturz zwar aufgeben, doch seine Dominanz schien sowieso mehr oder weniger vorbei zu sein. Die Konkurrenz radelten ihm den Rang ab, allen voran natürlich die beiden deutschen Marcel Kittel und André Greipel.
2015 gewann der Brite noch eine Etappe bei der Tour, doch für das Jahr 2016 hatte ihn kaum noch jemand ernsthaft auf der Rechnung. Sein Name fiel höchstens auf Grund seiner vergangenen Erfolge. Doch dann kam der Juli 2016: Mark Cavendish war wieder der Alte. Er gewann bei der Tour de France vier Etappen und erhöhte seinen Kontostand damit auf 30 Siege. Cavendish überholte somit Bernard Hinault (28) und liegt auf Rang zwei. Nach diesem Comeback ist ihm zwar alles zuzutrauen, doch Eddy Merckx (34) wird er wohl nicht mehr einholen.
Fabian Cancellara feiert seinen goldenen Abschied
Genau wie Mark Cavendish hat auch Fabian Cancellara eine ganze Ära geprägt. Beide kamen sich recht selten in die Quere, da sie auf unterscheidlichem Terrain ihre Stärken ausspielen konnten. Cancellara dominierte jahrelang die Zeitfahren und die Klassiker mit Kopfsteinpflaster. 2013 gewann er zum zweiten Mal das Double, bestehend aus Paris-Roubaix und der Ronde van Vlaanderen. Danach wurden die Erfolge weniger, auch wenn er sich jedes Jahr seine Siege bei einigen Zeitfahren holte und 2014 noch einmal die Flandern-Rundfahrt gewann. Jüngere Fahrer kamen auf und neue Gegenspieler entstanden dadurch. Sein Karriereende hat der Schweizer bereits frühzeitig angekündigt. Die Saison 2016 wollte er noch mitnehmen, doch danach sollte Schluss sein.
Mit seinem Sieg bei Strade Bianche kam er gut durch die Vorbereitung. Bei der Ronde Van Vlaanderen war Spartacus chancenlos gegen Peter Sagan und bei Paris-Roubaix sollte ebenfalls wenig zusammenlaufen. Zum Abschied gewann er den Prolog bei der Tour de Suisse, doch der Tour de France konnte er seinen Stempel nicht mehr aufdrücken. Mitte August standen bei den Olympischen Spielen in Rio seine beiden letzten Rennen an. Beim Straßenrennen wurde er kaum als Mitfavorit genannt und landete am Ende auf Rang 34. Doch viel größere Chancen wurden ihm sowieso beim Einzelzeitfahren zugetraut. Obwohl Tom Dumoulin, Chris Froome, Rohan Dennis, Vasil Kiryienka, Tony Martin und Co. deutlich stärker eingeschätzt wurden, dominierte Cancellara wie in alten Tagen das gesamte Starterfeld. Am Ende gewann er mit satten 47 Sekunden vor Dumoulin die Goldmedaille. Nur wenigen Sportlern ist ein solch goldener Abschied vergönnt. Chapeau, Fäbu!
Tony Martin ist plötzlich wieder der Alte beim Zeitfahren
Noch lange nicht am Ende seiner Karriere angekommen ist Tony Martin. Der 31-jährige Deutsche begann ein paar Jährchen später mit dem Siegen als Cancellara und Cavendish. Ihre Ära konnte jedoch auch er mitprägen. Als Teamkollege von Mark Cavendish bei HTC-Columbia und Etixx-Quick Step war er an vielen Siegen des Briten beteiligt. Gleichzeitig durfte er selbst um Siege mitfahren, wenn es in den Zeitfahren gegen Fabian Cancellara ging. Sein Durchbruch gelang ihm spätestens im Jahr 2011, als er seine erste Tour de France Etappe gewinnen konnte und er Weltmeister im Einzelzeitfahren wurde. Danach ging jeder Zeitfahrerfolg nur noch über ihn. Auf Grund seines kräftigen, stampfenden Tritts wurde Tony Martin international auch respektvoll „The German Panzerwagen“ getauft. Nach unzähligen Erfolgen in den Zeitfahren dieser Welt wollte sich Tony Martin umorientieren. Natürlich blieb er dem Radsport treu, doch er wollte dort in einem anderen Bereich für Erfolge sorgen. Die Klassiker sollten es sein.
Bereits im Jahr 2015 war diese Veränderung zu beobachten. Die Erfolge blieben aus – nicht nur bei den Klassikern, sondern nun auch bei den Zeitfahren. Die jüngere Konkurrenz wurde stärker, doch Tony Martin selbst wurde auch schwächer. Die Veränderungen im Trainingsplan haben auch zu einer Verschiebung der Fähigkeiten geführt. Lediglich sieben Siege insgesamt konnte er in den Jahren 2015 und 2016 einfahren. Auf Grund dieser Zahlen und seinem schwachen – wenn auch durch eine Verletzung beeinträchtigten – Auftritt bei Olympia, wurde er nicht als einer der Topfavoriten für die Weltmeisterschaft in Doha genannt. Doch wie aus dem Nichts war Tony plötzlich wieder da. Er war wieder der Alte. Martin gewann und ließ der Konkurenz nicht den Hauch einer Chance. 2017 wird er für das Team Katusha-Alpecin an den Start gehen. Dort will er endlich auch bei den Klassikern für Erfolge sorgen.
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