Test: Mit dem Corratec Inside Link Carbon 10hz hatten wir ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Rad im Test. Mit zusätzlicher Elastomerdämpfung im Heck und für ein XC-Racebike ungewöhnlicher Laufradgröße sticht es aus der Masse heraus und wir waren gespannt, wie es sich in der Praxis bewähren würde.
Corratec Inside Link Carbon 10hz: Rahmen und Geometrie
Gleich zu Beginn schauen wir uns eines der großen Highlights des Corratec Inside Link Carbon 10hz an – nämlich den Rahmen. Die erste mittelgroße Überraschung ist die Entscheidung von Corratec, sein reinrassiges Crosscountry Rad auf 650b Laufräder zu stellen und damit doch deutlich gegen den Strom zu schwimmen. Schließlich sind im XC- und Marathonbereich 29″ Bikes mittlerweile aus durchaus guten Gründen Standard. Umso gespannter waren wir natürlich auf die Fahreigenschaften des ca. 11kg schweren Carbonfullies.
Was das Herzstück der oberbayerischen Rennfeile so zu bieten hat, steckt schon in der Modellbezeichnung. Fangen wir vorn an: Inside Link heißt das Hinterbaukonzept des Herstellers aus Raubling, das seit Jahren an den Fullies zum Einsatz kommt. Übersetzt bedeutet Inside Link „inneres Gelenk“ und damit trifft man den Nagel auch schon auf den Kopf: Der Hinterbau dreht sich nämlich um einen virtuellen Drehpunkt der im Bereich des hinteren Rahmendreiecks liegt. Andere, sehr erfolgreiche Kinematik-Konzepte wie VPP (Virtual Pivot Point) oder Giants Maestro setzen auf des gleiche Prinzip. Die großen Vorteile liegen in einem sehr hohen Anti-Squat-Wert, der durch viel Kettenzug das Wippen verhindert und in der kompletten Entkopplung des Hinterbaus vom Gesamtsystem. Letzteres führt dazu, dass sich das Ansprechverhalten auch während eines Bremsvorgangs nicht verändert. So stellt der Hinterbau im Inside Link Carbon 10hz 80mm Federweg bereit – hinzu kommen noch 15mm „Zusatzfederweg“, die wir uns gleich noch genauer ansehen werden.
Springen wir ein Wort weiter, das für die meisten Bike-aficionados selbsterklärend sein dürfte; der Rahmen des XC-Fullies besteht nämlich in allen Ausstattungsvarianten aus Carbon. Die Konstruktion ist aufwändig und schön ausgeführt: Die Züge und Leitungen verlaufen im Unterrohr des Hauptrahmens und werden von dort außen an ihren Bestimmungsort geführt. Die Verarbeitung des in unserem Fall knapp 5.000€ teuren Bikes ist tadellos und das Design durchaus gelungen. Gewöhnungsbedürftig ist auf den ersten Blick die voluminöse Verbindung zwischen Sitz- und Kettenstrebe, die auch die Reifenfreiheit etwas einschränkt – bei 2,25″ ist in den meisten Fällen nämlich Schluss. Steckachsen gehören inzwischen natürlich zum guten Ton – entgegen des derzeitigen Trends setzt Corratec aber noch auf den bewährten 142mm Achsstandard und verzichtet auf Boost.
Weiter in der Corratec Nomenklatur: Jetzt ist das Anhängsel 10hz an der Reihe. Dahinter verbirgt sich ein Elastomer, der zwischen dem Dämpfer und dessen Aufnahme am Rahmen sitzt. Richtig gelesen: Ein Elastomer! Doch stopp – bevor ihr kopfschüttelnd weiterklickt und euch von den dunklen Erinnerungen an Elastomer-Federgabeln vor 20 Jahren abzulenken versucht. Im Falle von Corratecs 10hz Technologie dient der kleine und unscheinbare Gummipuffer als zusätzliches Dämpfungs- oder besser gesagt Federungselement zusätzlich zum ohnehin vorhandenen Dämpfer. Doch wieso? Nun, der Gedankengang der Entwickler ist nachvollziehbar: Unebenheiten vom Untergrund landen zunächst bei den Reifen, die – je nach Luftdruck und Breite – einiges davon Abfedern. Die ‚übrigen‘ Stöße werden weitergeleitet und landen im Normalfall bei Federgabel und Dämpfer. Das Problem: Feine Stöße und Vibrationen, die die Reifen nicht aufnehmen können, die aber nicht stark genug sind, um das Losbrechmoment moderner Luftdämpfer zu überwinden, landen beim Fahrer. Genau hier soll nun der Elastomer seine Vorteile ausspielen und genau diese Stöße, Vibrationen und Schwingungen aufnehmen. Ein ruhigeres Fahrverhalten und weniger Ermüdung sind das Ziel.
So viel nun also zu den technischen Werten des Corratec Inside Link Carbon 10hz Rahmens – doch mindestens ebenso wichtig für ein ausgewogenes Fahrverhalten ist eine entsprechende Geometrie. Hier fällt zunächst auf, dass es das Rad nur in drei Größen gibt; zwar kann man über Vorbaulänge oder Spacer das eine oder andere ausgleichen, eine weitere Zwischengröße hätten wir dennoch begrüßt. Ansonsten zeigen die Zahlen ganz klar, wo die Reise hingeht: Ganz schön racig und auf viel Vortrieb ausgelegt ist das Bike: Der Lenkwinkel fällt mit 71° sehr steil aus, ein kurzes Steuerrohr und niedriger Stack sorgen für eine gestreckte Sitzposition mit viel Sattelüberhöhung.
Corratec Inside Link Carbon 10hz Geometrie
44 | 49 | 54 | |
Sitzrohr (in mm) | 440 | 490 | 540 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 593 | 610 | 633 |
Steuerrohr (in mm) | 105 | 115 | 125 |
Kettenstrebe (in mm) | 445 | 445 | 445 |
Radstand (in mm) | 1095 | 1141 | 1159 |
Lenkwinkel (in °) | 71 | 71 | 71 |
Sitzwinkel (in °) | 73 | 73 | 73 |
Reach (in mm) | 424 | 441 | 459 |
Stack (in mm) | 570 | 580 | 589 |
Corratec Inside Link Carbon 10hz: Ausstattung
Rahmen | Inside Link Carbon 10hz |
Federgabel | Rock Shox Reba RL |
Dämpfer | Rock Shox Monarch R |
Laufräder | ZZYZX Cross Attack 650b |
Reifen VR | Continental RaceKing 2,2 Faltreifen |
Reifen HR | Continental RaceKing 2,2 Faltreifen |
Schaltwerk | Shimano XT 11-fach |
Schalthebel | Shimano XT |
Kurbel | Shimano XT |
Umwerfer | Shimano XT |
Bremse | Shimano Deore M615 |
Bremsscheiben | Shimano RT56 180/160 |
Sattelstütze | ZZYZX Aluminium 31.6 |
Sattel | Corratec Race |
Vorbau | ZZYZX 31.8 |
Lenker | ZZYZX 6 Series 720mm |
Im Test hatten wir die 4.999€ teure XT-Variante des Racebikes. Alternativ gibt es noch ein etwas günstigeres Modell mit SLX/XT Mix aber ebenso hochwertigem Fahrwerk und das Topmodell mit XTR Schaltung und RS-1 Upside Down Gabel von Rock Shox. Letzteres reißt aber mit knapp 8.000€ auch ein ordentliches Loch ins Portemonnaie. Unsere Mittelklasse-Variante kommt bereits mit einem potenten Fahrwerk von Rock Shox. An der Front verbaut Corratec die bewährte Reba mit 100mm Federweg und der eher einfachen RL Variante mit Lockout am Lenker. Im Heck steckt ein Monarch R Dämpfer, der sich ebenfalls für lange Uphills locken lässt – in diesem Fall jedoch nur per Daumenhebel am Dämpfer selbst.
Wie uns der Name bereits verrät kommt der gesamte Antrieb aus dem Hause Shimano, genauer gesagt aus der XT Reihe des japanischen Komponenten-Riesen. Hier hat man auch an versteckten Stellen nicht gespart und verbaut von Schaltwerk, über Umwerfer, Kette, Kassette und Shifter nur Bauteile aus der aktuellen 11-fach Gruppe. Eine kleine Ausnahme stellen die Bremsen dar: Hier kommen nämlich mit den M615 Stopper aus der Deore-Gruppe zum Einsatz, die erfahrungsgemäß jedoch ihren XT-Pendants nur in Nuancen nachstehen und lediglich ein paar Gramm mehr auf die Waage bringen. Mit 180er Scheibe vorn und 160mm hinten ist man angesichts des Einsatzbereiches für alle Eventualitäten gerüstet.
Die Laufräder stammen von Corratecs Eigenmarke ZZYZX. Die Cross Attack 650b bieten mit den Alufelgen (Innenweite 21,5mm) und einem Gewicht von rund 1.750g solide Kost, sind aber auch kein Highlight. Positiv hervorzuheben ist die problemlose Umbaubarkeit auf Tubeless. Für Traktion auf dem Untergrund sollen die Reifen von Continental sorgen – mit dem Race King setzt man hier auf einen bewährten Pneu der sagenhaft gut rollt, aber nichts für schweres Gelände ist. Unverständlich ist für uns zudem, weshalb man bei einem solch hochwertigen Rad auf die günstige Gummimischung setzt, statt auf den tollen Black Chili Compound.
Sämtliche Anbauteile kommen aus eigenem Hause: Der 720mm breite Lenker stammt ebenso wie Vorbau und Sattelstütze von ZZYZX, der Sattel von Corratec selbst.
Corratec Inside Link Carbon 10hz: Auf dem Trail
Nach so viel Theorie dürfen natürlich auch die Fahreindrücke aus der Praxis nicht fehlen. Hier muss ich klar sagen, dass es sehr lange her ist, ein so agiles und effizientes Rad im Uphill unter dem Hintern gehabt zu haben wir das Corratec Inside Link Carbon. Der straffe Hinterbau wippt auch bei offenem Dämpfer überhaupt nicht, bleibt jedoch aktiv genug, um Unebenheiten auszubügeln. Der sehr steile Lenkwinkel und die eher langen Kettenstreben führen dazu, dass das Bike auch an steilen Rampen förmlich auf dem Boden klebt. Steigendes Vorderrad? Ganz sicher nicht hier. Man muss aber auch klar sagen, dass das Bike wahrscheinlich noch mehr Potenzial hätte: Wenn es bergauf wie bergab etwas technischer zugeht, würden 29″ Laufräder sicherlich noch ein Quäntchen mehr herauskitzeln.
Ähnliches gilt für längere flache Passagen wie man sie von MTB Marathons gut kennt. Auch hier schlägt sich das Corratec super, aber gefühlt ist da einfach noch ein wenig Luft nach oben. Auf eben solchen Forstautobahnen lässt sich auch der 10hz Elastomer am besten erfahren. Während andere Räder hier zu unangenehmen Vibrationen neigen, die man bewusst kaum wahrnimmt, auf Dauer aber unangenehm werden, bleibt das Corratec weitestgehend still. Der Unterschied ist nicht riesig, der Elastomer keine Revolution, aber klar für jeden spürbar.
Die breite Übersetzung und der tadellose Antrieb verrichteten wie erwartet einen absolut zuverlässigen Job und funktionierten bei allen Bedingungen ohne Murren – das selbe gilt auch für die Bremsen, die einen ebenso positiv-unauffälligen Eindruck hinterließen. Auf etwas ruppigen Passagen und wenn es mal mehr oder weniger steil nach unten geht, stößt das Inside Link Carbon recht schnell an seine Grenzen: Im Downhill führen der recht kurze Hauptrahmen und der doch sehr steile Lenkwinkel dazu, dass das Rad recht schnell nervös wird und dem Fahrer einiges an Arbeit abverlangt. Sehr positiv tat sich jedoch auch hier der Hinterbau hervor: Immer aktiv und zwar straff aber mit spürbaren Reserven fühlten sich die 80mm nach deutlich mehr an.
Als Spaßbremse erwiesen sich hin und wieder die Reifen – vor allem dann, wenn es etwas Nass wurde, neigten sie schnell zum Rutschen, vor allem auf Steinen und Wurzeln. Zudem bietet der RaceKing an der Front recht wenig Kurvenhalt – hier muss man im Zweifelsfall ein wenig Tempo rausnehmen. Wer viel und gerne auch im Gelände unterwegs ist, sollte deshalb über einen Satz potentere Reifen nachdenken; unsere Wahl wäre beispielsweise der Conti XKing in Black Chili Mischung – am besten als Protection Variante, dann lässt sich das Corratec auch schnell auf Tubeless umrüsten.
Alles in allem also ein wirklich gutes, leichtes XC-Rad für eher leichtes Gelände und Leute, die bergauf mindestens so viel Freude haben wie bergab.