Radsport: Nico Denz hat eine aufregende Saison hinter sich. Für die französische Équipe AG2R LA MONDIALE bestritt der 23-Jährige in diesem Jahr seine erste Grand Tour. Velomotion bekam die Möglichkeit, ihm ein paar spannende Fragen zu stellen. Dabei blickt er gemeinsam mit uns auf die letzten Monate zurück – und natürlich auch ein bisschen in die Zukunft.
„Bei mir verläuft der Winter ohne Wettkämpfe“
Nico, zuerst die wichtigste Frage: Wie geht es dir nach der anstrengenden Saison?
„Soweit ganz gut. Ich konnte mich gut erholen und in der Pause auch etwas abschalten.“
Wie sieht dein Winterfahrplan aus? Viele Profis wechseln in den kälteren Monaten auf die Bahn, um im Wettkampfmodus zu bleiben.
„Bei mir verläuft der Winter ohne Wettkämpfe. Ich werde mich hauptsächlich auf dem Rad vorbeireiten, aber aucch gezieltes Krafttraining im Fitnessstudio machen. Ergänzend gehe ich auch gerne mal joggen.“
Du hast in einem Interview selbst von einer schlechten Saison gesprochen. Inwiefern kannst du eine Saison überhaupt als gut oder schlecht einordnen, wenn du bei den meisten Rennen als Helfer an den Start gehst und gar nicht auf eigene Rechnung fahren darfst?
„Rein ergebnistechnisch ist die Ausbeute dieses Jahr extrem mager ausgefallen. Klar darf man nicht vergessen, dass meine Aufgaben für das Team meistens in der ersten Rennhälfte stattfinden und somit ein Ergebnis schon im vorneherein schwer zu holen ist. Im Allgemeinen hatte ich aber das Gefühl, dass ich nicht das zeigen konnte was ich hätte können und nicht ganz auf meinem Niveau war. Es gibt einfach Jahre in denen läuft alles von alleine und die guten Momente reihen sich hintereinander auf, und dann gibt es Jahre in denen man einfach das Gefühl hat, man kommt nicht so richtig in Schwung. Das war bei mir dieses Jahr der Fall.“
„Romain ist ein wahres Arbeitstier“
Ist es schwer, die Motivation aufrechtzuerhalten, wenn man seinem Lebenslauf keine Ergebnisse hinzufügen kann? Natürlich ist es auch dein Verdienst, wenn ein Teamkollege durch deine Hilfe ein Rennen gewinnt, doch in deinem Palmarès taucht diese Leistung nicht auf.
„Ich bin durch und durch ein Teamplayer und daher macht es mir auch nichts aus, im Schatten zu arbeiten. Des Weiteren haben wir tolle Leader, die diese Arbeit würdigen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Selbstvertrauen, wenn man selbst ein Ergebnis einfahren kann. Ich bekomme aber immer wieder die Möglichkeit, in Gruppen zu gehen. Da kann ich dann meine eigene Karte ausspielen.“
Kapitän deiner Mannschaft ist Romain Bardet. Die Franzosen träumen seit Jahren von einem einheimischen Toursieger. Wie würdest du ihn beschreiben? Was macht ihn so stark? Traust du ihm 2018 den ganz großen Wurf zu?
„Romain ist echt ein super Typ. Er ist sich für nichts zu schade und äußerst zugänglich. Romain ist auch ein wahres Arbeitstier. Er überlässt nichts dem Zufall und feilt an jedem noch so kleinen Detail. Daher traue ich es ihm zu, ganz oben zu stehen. Ob das 2018 schon der Fall sein wird, vermag ich nicht zu sagen.“
Wie verfolgst du die Tour de France, wenn du selbst nicht mitfährst?
„Jeden Tag vor dem Fernseher.“
yesssss 💪🏼
grande @romainbardet— Nico Denz (@NicoDenz) 13. Juli 2017
„Existenzangst ist für mich kein Thema“
Wie sieht dein Trainings-Alltag im Allgemeinen aus? Wo bist du häufig unterwegs? Welche Trainingspartner hast du? Und welchen Einfluss auf dein Training nimmt dein Team?
„Mein Trainingsalltag ist nicht immer derselbe. Aber meistens beginnt er für mich mit 30-40 Minuten Rolle vor dem Frühstück. Weiter geht es mit kurzem Rumpfkräftigungstraining unmittelbar bevor ich auf das Rad gehe. Wenn meine Motivation abends dann noch nicht abgerissen ist, darf auch das Dehnen nicht fehlen. Ich trainiere viel mit Jay Thompson vom Team Dimension Data und noch zwei weiteren Amateuren aus der Gegend. Meistens bin ich am Hochrhein unterwegs. Wenn das Wetter es zulässt, fahre ich am liebsten in den Schwarzwald. Mein Team lenkt dabei das gesamte Training über einen teameigenen Trainer mit dem ich regelmäßig in Kontakt stehe. Nach dem Training lade ich dann mein SRM-File auf die Onlineplatform des Teams hoch, damit meine Daten analysiert werden können.“
Du hast deinen Vertrag bei Ag2r um zwei Jahre verlängert und hast damit für die kommenden Monate Planungssicherheit. Wie wichtig ist so etwas für einen jungen Radprofi? Gerade jetzt, wo die Kader vermutlich kleiner werden, weil auch die Anzahl der Fahrer bei den Grand Tours reduziert wurde. Fährt die Existenzangst immer mit?
„Gerade wenn es nicht so läuft wie gewünscht, ist es wichtig, Vertrauen von Seite des Teams zu bekommen. Von demher bin ich soweit sehr zufrieden. Existenzangst ist für mich kein Thema und ich bekam schon relativ früh grünes Licht vom Team. Man darf aber auch nie vergessen, dass Radsport nicht alles im Leben ist.“
Physical training @NicoDenz @OisansT #Vaujany pic.twitter.com/6D6nqIqN8b
— AG2RLM Cyclisme (@AG2RLMCyclisme) 14. November 2017
„Eine Grand Tour ist wesentlich strukturierter“
Du hast in dieser Saison erstmals eine große Landesrundfahrt absolviert. Leider durftest du sie nicht beenden. Doch welche Erfahrungen konntest du bis dahin sammeln? Fühlt sich eine Grand Tour komplett anders an, als eine einwöchige, kleinere Rundfahrt?
„Man lernt vor allem Körner zu sparen, wo es geht. Im Prinzip ist eine Grand Tour wesentlich strukturierter als eine einwöchige Rundfahrt, da im Finale hier jeder rausnimmt, um Kräfte zu sparen. Das Grupetto bildet sich also solidarisch und schnell, wobei bei kürzeren Rundfahrten doch deutlich länger um den Anschluss gekämpft wird.“
In diesem Jahr wusstest du schon sehr früh, dass die Vuelta auf dem Programm steht. Wann wirst du darüber informiert, wann du 2018 in Topform zu sein hast? Sind vielleicht sogar schon Termine bekannt?
„Sicher ist bis jetzt nur, dass ich in Australien in die Saison starten werde. Ein grober Abriss für die erste Saisonhälfte steht auch schon, aber welche Rennen es dann genau sein werden, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Es wird aber definitiv wieder der ein oder andere Klassiker dabei sein.“
Hast du ein Vorbild? Gibt oder gab es einen Fahrer, der deinem Fahrstil entspricht und dir somit einen Ansporn gibt, es selbst auch soweit zu schaffen?
„Da ist zum einen Jens Voigt. Mit seinem klassischen Kämpferfahrstil geht das doch sehr in meine Richtung. Aber auch Bradley Wiggins, der gezeigt hat wie man seinen Körper stählen und verändern kann wenn man nur hart genug dafür arbeitet.“