Radsport: In einer Welt, in der es immer mehr nur ums Geld geht, sind die bedürftigen Menschen stark auf die Hilfe anderer angewiesen. Mit gutem Beispiel voran geht die Kölner und Berliner faradgang. In ihrer Freizeit arbeiten die zahlreichen Mitglieder ehrenamtlich, um Geflüchteten und anderen bedürftigen Menschen das Fahrradfahren zu ermöglichen – kostenfrei! Wir haben uns mit den Vereinsgründern und -mitgliedern Franziska Diehl, Bastian Boss und Stefan Curow unterhalten, um das interessante Projekt etwas besser kennenzulernen.
Auf eurer Webseite steht „Wir lieben Fahrrad fahren“. Wie ist diese Liebe entstanden?
„Entstanden ist unsere „faradgang“ aus einem Zusammenschluss von einer kleinen Gruppe an Freunden in Köln. Wir lieben das Fahrrad als Fortbewegungsmittel. Leider kann sich aber nicht jeder ein Fahrrad leisten. Basti, eines der Gründungsmitglieder, half damals bei einem Projekt mit Waisenkindern in Kambodscha, wo den Kindern Fahrräder fehlten, um den Schulweg zu bewältigen.
Zurück in Köln sammelten wir Spenden, machten Flohmärkte, um Geld für Fahrräder anschließend nach Kambodscha zu schicken. Als sich zeigte wie viel man mit vereinten Energien ausrichten kann, formierte sich die Idee zur Vereinsbildung. Wir wollten von nun an lokaler arbeiten und machten es uns zur Aufgabe, bedürftige Menschen in Köln und Umgebung – später auch in Berlin – mit Fahrrädern zu versorgen und somit unsere Fahrradliebe mit anderen zu teilen.“
Ihr sammelt Räder, ihr repariert Räder und ihr vermittelt Räder. Wie kam es dazu?
„Die Liebe zum Fahrradfahren ist nicht alles. Wir spüren auch eine gewisse soziale Verantwortung und können mit unseren Schrauber- oder Organisationsfähigkeiten anderen Menschen helfen, sie mobil und unabhängig machen. Und: Wir haben dabei sogar selbst noch Spaß.“
Ihr organisiert so genannte Schraubertage. Was ist das und wer kann mitmachen?
„Genau. In Köln veranstalten wir meist jeden ersten Samstag im Monat einen größeren Schraubertag unter freiem Himmel. Wir haben einen sehr gut ausgestatteten Werkstatt-Container und können an einem Samstag meist 10 bis 15 Fahrräder mit den Geflüchteten zusammen fertig schrauben.
Davon abgesehen veranstalten wir ergänzend zu diesen Terminen auch noch Mini-Schraubertage, an denen wir nur wenige einladen und für ein paar Stündchen schrauben. In Berlin läuft die Umsetzung etwas anders. Hier organisieren wir jeden bzw. jeden zweiten Montagabend ein Fahrradschrauben für je 3 bis 4 jugendliche Geflüchtete und machen innerhalb des Jahres dann meist noch 2 bis 3 größere Aktions- und Schraubertage.
Der Ablauf ist simpel: Wir sammeln gespendete Fahrräder und bauen diese gemeinsam mit ihren zukünftigen Besitzern – und das sind aktuell größtenteils geflüchtete Menschen – wieder verkehrstauglich auf. Helfer sind immer herzlich willkommen, ob mit Schrauberskills oder eher in der Organisation oder mal zum Kochen oder Kuchen backen. Wer helfen möchte, schreibt uns einfach eine Mail. Wir freuen uns auf euch!“
Welche aktuellen Projekte möchtet ihr uns noch vorstellen?
„Uns ist allgemein neben dem Fahrradschrauben auch der Kontakt und der nachhaltige Austausch mit den Jugendlichen wichtig. Weiterhin planen wir zusammen mit den Jugendlichen ab dem Frühling wieder gemeinsame Faradgang-Fahrradtouren. Rauf auf’s Fahrrad und ab ins Berliner Umland zum Picknick und Naturausflug.“
In einer Welt, in der es fast nur noch ums Geld geht: Was ist eure Motivation?
„Wir wollen teilen, unsere Zeit und unsere Leidenschaft. Wir wollen mehr Menschen mobil unabhängig machen und Bedürftigen die Möglichkeit geben, fahrradfahrend die Stadt zu erkunden. Und dabei haben wir noch Spaß und bekommen viel zurück. Jeder, der ehrenamtlich tätig ist, weiß wie schön eine solche Arbeit ist. Man glaubt gar nicht, wie motivierend es ist, wenn Geflüchtete mit breit grinsenden Gesichtern auf ihren neuen Fahrrad herumfahren. Es ist schön, etwas Nützliches zu tun, woran Menschen, die zumeist Schreckliches erleben mussten, Freude haben.“
Wie viele Räder habt ihr wohl schon verschenkt?
„Puuh … schwer zu sagen, da wir leider nicht mitzählen. Aber es dürften in Köln und Berlin zusammen und über die Jahre weit über 500 Fahrräder gewesen sein.“
Faradgang e.V :Menschen aus sozialschwachen Schichten durch Mobilität wieder ein Stück Selbstbestimmtheit zurückgeben ❤ pic.twitter.com/7oNjs7ipZV
— Teresa M (@teresamula) 26. März 2017
Wie begegnen euch die Leute, wenn sie erfahren, dass alles gratis ist?
„Sie freuen sich natürlich. Und ganz gratis ist es ja auch nicht, schließlich müssen die Leute auch selbst mitarbeiten und mitschrauben. Wir wollen, dass sie zumindest einen Platten flicken können und ihr neues Fahrrad zu schätzen wissen. Manche fragen auch, wie lange wir das schon professionell machen. Wenn wir ihnen erzählen, dass es für uns eine Freizeitbeschäftigung ist, haben sie oft Mühe, dies zu verstehen. Umso glücklicher sind sie dann jedoch über das Resultat und schätzen es noch mehr wert.“
Habt ihr Geschichten erlebt, die besonders lustig oder kurios waren?
„Naja, gar nicht so selten passiert es, dass den Leuten und vor allem den Jugendlichen die Fahrräder einfach nicht gefallen, die wir ihnen anbieten. Alte Holland- oder Klappräder, die wir persönlich super finden, wollen die meist männlichen Fahrradanwärter nicht. Schnell vergriffen und heiß begehrt sind hingegen Mountainbikes und alle sportlichen Räder. Das bringt uns schon immer wieder zum Schmunzeln.
Als es einmal darum ging, dass ein Jugendlicher seine erste Probefahrt mit dem frisch reparierten Fahrrad machen durfte, offenbarte er uns, dass er gar nicht Fahrrad fahren könne. Wir haben es ihm dann schmunzelnd beigebracht.“
Wie finanziert ihr eure Projekte? Wie kann man euch unterstützen?
„Wir sind kontinuierlich auf Spenden angewiesen, um Werkzeuge und natürlich auch Verschleißteile zu kaufen und immer auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten. Wir halten also ständig Ausschau nach Förderungen und schreiben fleißig Anträge. Was wir uns noch sehr wünschen würden, wären Sponsoren für gute Fahrradschlösser, denn die sind leider sehr teuer. Wir freuen uns über jede Spende. Das geht auch ganz einfach über unseren Spenden-Button auf der Homepage.
Uns werden unregelmäßig häufig Räder angeboten. Doch unser Keller in Berlin-Neukölln hat nur eine begrenzte Stellfläche. Falls wir uns etwas wünschen könnten, dann eine weitere Abstellmöglichkeit. An dieser Stelle möchte ich es betonen, dass wir unglaublich froh über die Unterstützung der Berliner Jugendwerkstatt „Statt Knast“ sind, dessen Werkstatt und Keller wir mitbenutzen dürfen. Zuvor veranstalteten wir unsere wöchentlichen Schrauber-Events auf einem Außengelände, was das Lagern und Reparieren in den kalten Jahreszeiten unmöglich machte. Dass die Jugendwerkstatt „Statt Knast“ seine Ressourcen so großzügig mit uns teilt, wird von uns stark wertgeschätzt.“
Ihr wollt die faradgang unterstützen?
Auf der Webseite der faradgang findet ihr eine Kontaktmöglichkeit und könnt Spenden.
www.faradgang.de
Quelle der Bilder: © Maximilian Glas