Test: Haibike ist in den Köpfen der meisten Radfahrer die Nummer Eins Marke für E- Mountainbikes. Diesen Stellenwert haben sich die Schweinfurter durch die Mitbegründung der Kategorie E-Mountainbike verdient. Wir haben das 2018er Haibike SDURO FullSeven 8.0 getestet.
Die 1995 gegründete, zur Winora Group gehörende, Marke Haibike hat sich mit dem 2010 vorgestellten Urahn der elektrifizierten Mountainbikes, dem eQ XDURO, im EMTB Sektor etabliert. Die Modellpalette wuchs und wuchs und wurde im Jahr 2014 durch die Modellreihe SDURO erweitert, die ist seit jeher mit Yamaha antrieben ausgestattet. Auch wird das SDURO HardNine SL im selben Jahr zum wichtigsten eBike im deutschen Fachhandel ernannt, ein Ritterschlag.
Mittlerweile bietet die legendäre SDURO Serie von Haibike eine umfangreiche Palette an EMTB Modellen mit 120mm Federweg sowie 27,5“ (650B) Rädern von schmal bis breit zur Auswahl. Wir durften das aktuelle Haibike SDURO FullSeven 8.0 testen, welches im oberen Drittel der SDURO Serie angesiedelt ist.
Moderne Geometrie mit Technologien aus dem Motorradsport!
Die SDURO-Serie steigt mit dem SDURO FullSeven 5.0 bei einer UVP von 2899 Euro ein und reicht bis zu einer UVP von 4999 Euro mit dem SDURO FullSeven 10.0. Das von uns getestete Haibike SDURO FullSeven 8.0 liegt bei einer UVP von 4299 Euro und ist in der Farbe Silber-Orange-Olive Matt erhältlich. Vier verschieden Rahmengrößen, von S über M und L bis hin zu XL werden angeboten, so sollte für (fast) alle Körpergrößen das richtige dabei sein. Wir testeten die Rahmengröße L bei einer Körpergröße von 180cm, was ideal passte. 120mm Federweg an Front und Heck sind für einen E-Tourer ideal dimensioniert, durch die Eigendämpfung der 27,5“ Plus Bereifung werden diese gefühlt sogar noch etwas erhöht.
Das Herzstück des Rahmens ist das GravityCasting Interface. Diese aus dem Motorradsport adaptierte Gusstechnologie verbindet Antrieb, Dämpfer und den restlichen Rahmen stabil und leicht miteinander. Eine M12 148mm, also Boost, Steckachse am Hinterrad hält das Laufrad am Aluminium 6061 Rahmen mit dem viergelenkigen Hinterbau System. In diesem Hinterbau ist, fast schon versteckt, ein Rock Shox Deluxe RT Luftdämpfer verbaut.
Leider ist durch diese integrierte Bauweise der Einstellring, sowie die SAG Skala nur sehr schwer abzulesen, der Fahreindruck bestätigt das Konzept allerdings wieder. Ebenfalls eine Boost-Steck-Vorderachse hat die SR Suntour Aion 35 LO-R Lockout Federgabel die an der Front montiert ist, diese bietet genügend Platz mir die verbaute Plus-Bereifung. Post-Mount Bremsstandard sowie ein tapered Steuerrohr runden die Standardschnittstellen ab.
Ein 67° Steuerrohrwinkel und 74° Sitzrohrwinkel laden zu Touren in der Ebene, bequemen Uphills und auch zu mittelschweren Downhills ein. Durch den kompakten Hinterbau mit einer Kettenstrebenlänge von 455mm und einer Oberrohrlänge von 590mm ist das Haibike SDURO FullSeven 8.0 wendig und agil im Trail unterwegs. 1183mm Radstand vermitteln trotzdem, auch bei schnelleren Bergab-Passagen genügend Sicherheit und Fahrstabilität.
Das Tretlager ist zu den Achsen um -25mm abgesenkt und bietet am Motor noch genügend Freiraum für steinigere und technischere Trailabschnitte. Der Yamaha Motor ist zusätzlich noch durch das Haibike SkidPlate geschützt, ein leichter aber trotzdem effektiver Schutz, gefertigt aus schlagzähem Kunststoff.
Geometrietabelle Haibike SDURO FullSeven 8.0
S | M | L | XL | |
---|---|---|---|---|
Sitzrohr (in mm) | 40 | 44 | 48 | 52 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 570 | 590 | 610 | 630 |
Steuerrohr (in mm) | 120 | 125 | 130 | 135 |
Kettenstrebe (in mm) | 455 | 455 | 455 | 455 |
Radstand (in mm) | 1163 | 1183 | 1204 | 1225 |
Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 |
Sitzwinkel (in °) | 74 | 74 | 74 | 74 |
Reach (in mm) | 407 | 426 | 445 | 463 |
Stack (in mm) | 603 | 608 | 613 | 617 |
Das Haibike SDURO FullSeven 8.0 ist umfangreich ausgestattet
Rahmen | Aluminium 6061, hydroformed, Gravity Casting Interface |
Federgabel | SR Suntour Aion 35 LO-R 120mm |
Antrieb | Yamaha PW-X |
Akku | 500Wh |
Dämpfer | Rock Shox Deluxe RT |
Laufräder | Haibike TheHub++ Naben, DT Swiss Speichen, Rodi Tryp 35 Felgen |
Reifen VR | Schwalbe Nobby Nic Evo Addix 2,8 |
Reifen HR | Schwalbe Nobby Nic Evo Addix 2,8 |
Schaltwerk | Shimano Deore XT M786 |
Schalthebel | Shimano Deore M6000 |
Kurbel | Haibike for Yamaha |
Umwerfer | Shimano Deore M6000 |
Bremse | Magura MT4 |
Bremsscheiben | 203 / 180mm |
Sattelstütze | XLC AllMtn 125mm |
Sattel | Selle Royal Rampage |
Vorbau | Haibike Components TheStem ++ |
Lenker | Haibike Components TheBar ++ 740mm |
Das Cockpit eines EMTB ist in der Regel immer etwas voller als das eines durch Muskelkraft getriebenen Fahrrads. An der 740mm breiten Haibike Components TheBar++ Lenkstange des SDURO FullSeven 8.0 ist es jedoch schon sehr voll. Von Links: Bremshebel, Trigger für den Umwerfer, Antriebssteuerung, Display, Hebel für die Sattelstütze, Trigger für das Schaltwerk und wieder ein Bremshebel. Diese umfangreiche Ausstattung lässt nicht viel Platz beziehungsweise viele Möglichkeiten zur individuellen Anordnung der Bedieneinheiten, im Winkel können diese jedoch problemlos und unabhängig voneinander angepasst werden.
Der Vorbau, ein Haibike Components TheSem++, ist um 6° geneigt und nimmt alle gängigen Lenker mit 31,8mm Durchmesser auf. Neben Vorbau und Lenker sind viele Anbauteile von und für Haibike gefertigt und gelabelt, darunter auch die Griffe, die Kurbel und die Radnaben. Letztere sind mittels DT Swiss Industry Speichen an den geösten Hohlkammer Aluminium Felgen Tryp 35 von RODI zentriert. Diese sind wiederum mit Schwalbes Nobby Nic Evo SnakeSkin Addix mit einer Breite von 2,8 Zoll bereift.
Verzögert wird das 23,1kg schwere EMTB durch eine Magura MT4 Bremsanlage mit einer 203mm Scheibe Vorderachse sowie einer 180mm Scheibe an der Hinterachse. Die insgesamt vier Kolben (2 Vorne, 2 Hinten) der Bremsanlage sind, was der spätere Test auch zeigte, bei einem Systemgewicht von in unserem Fall über 100kg, nicht üppig dimensioniert. Es bedarf in technischen und schnellen Passagen enormem Kraftaufwand, um das Bike samt Fahrer zu verzögern. Bei einem zulässigen Systemgewicht von 120 Kilo würden wir uns hier mehr Power wünschen. Warum nicht z.B. eine MT Trail Sport mit vier Kolben an der Front?
Auffällig war an unserem Testbike die sehr kurze Bremsleitung, welche bei einem verdrehten Lenker (z.B. durch Sturz) durchaus abreißen könnte. Allerdings kennen wir solch einen Montagezustand nicht von anderen Haibike Rädern und es dürfte sich hier um einen Einzelfall handeln, wir haben das Bike sehr früh in der Saison bekommen.
Angetrieben wird das potente Trailbike von einem Yamaha PW-X System mit 250 Watt Leistung und einem Drehmoment von 80 Newtonmetern. Versorgt wird der Antrieb durch einen Yamaha Lithium-Ionen-Akku mit 500 Wh, der laut Herstellerangaben in 3,5 Stunden durch das Yamaha 4A Schnelladegerät wieder vollgeladen wird. Erkennbar ist alles gut auf dem Display und durch die Select-Taste kann komfortabel zwischen den einzelnen Informationen gewechselt werden.
Ab dem SDURO FullSeven 8.0 wird das Yamaha System zusätzlich mit der Haibike eConnect Funktion ausgeliefert. Damit ist es möglich deutlich mehr Informationen via Bluetooth und Smartphone App auszulesen. Um die Kraft des Motors auch je nach Situation mit der richtigen Übersetzung auf den Trail zu bringen, werden jeweils ein 34 und 44 Blatt FSA Aluminium Kettenblatt von einem Shimano Deore M6000 Rapidfire Umwerfer angelenkt. An der Hinterachse wird die KMC X10e Kette mittels Shimano Deore XT M786 Shadow Plus Schaltwerk über die SunRace CSMS2 Kassette mit einer Bandbreite von 11-40 Zähnen geschwenkt.
Bequem macht man es sich schließlich auf einem Selle Royal Rampage Sattel, welcher an einer XLC AllMtn Temote Teleskopstütze montiert ist. Der Hub von 125mm reicht für den Trail Fahrer aus und bietet genügend Freiheit bei abgesenktem Sattel. Ausgeliefert wird das Haibike SDURO FullSeven 8.0 mit einfachen aber funktionellen Aluminium Plattformpedalen. So ist das EMTB rund um ziemlich gut ausgestattet, neben den für schwerer Fahrer zu klein geratenen Bremsen kann man maximal in der Ästhetik, aufgrund extern verlegten Zugführung für die Sattelstütze, sowie der externen Verlegung am Hinterbau einen kleinen Punkt abziehen. Kleines Plus wieder ist das bereits ab Werk verbaute Schutzblech am Vorderrad, so bleibt auch bei matschigen Verhältnissen das Gesicht möglichst schmutzfrei.
Grinsend Bergauf, Spaßig Bergab!
Akku an die Steckdose, vollladen und ab auf den Trail. Die ersten Kilometer über Teer- und Forststraßen mit leichtem Anstieg bewältigt der Yamaha Antrieb spielerisch, es reichte hier auch Stufe 2 von 5 (Eco) aus um mit Tempo 25 und angemessenem Kraftaufwand voran zu kommen. Die Abriegelung bei 25 km/h erfolgt sanft und das Abreißen der Unterstützung war kaum – bis auf erhöhten Kraftaufwand – merklich. Auch ohne Unterstützung hat sich das Bike gut vorwärts bewegt, ein leichter Widerstand des Motors war jedoch ständig präsent.
Als sich die ersten Trailmeter vor uns auftaten, wurde schnell in Stufe 5 von 5 (Exp) gewechselt. Je steiler es wurde, desto breiter wurde das Grinsen im Gesicht. Bis über beide Ohren, fast schon lachend, spielten wir uns die 6 Kilometer und 450 Höhenmeter hinauf und wurden in rekordverdächtigen 15 Minuten erledigt. Der Akkustand brachte die Euphorie allerdings schnell zum Erliegen. Nach insgesamt 12 Kilometer und 150 Höhenmeter waren bereits 40% aufgebraucht. Jetzt war haushalten angesagt. Die mäßig steilen Uphills waren aber auch ohne Fun-Einbußen mit Stufe 3 bzw. 4 (Std. bzw. Hgh.) zu meistern.
Anfahren am Berg verlief in den unterschiedlichen Unterstützungsstufen problemlos und der Yamaha PW-X war sofort präsent und brachte Vortrieb satt. Auch die Geometrie sowie das gesamte Fahrverhalten machten in diesem Streckenabschnitt, welcher auch mal steiler war, eine rundum gute Figur und sind ideal auf den Traileinsatz abgestimmt.
Single-Trail ahoi! Nach den fast schon verflogenem Uphill geht’s bergab. Schmale Trails mit teils lockerem Boden, auf denen sich Grip und Agilität des Haibike SDURO FullSeven 8.0 auszahlen. Die 2.8 Zoll breiten Pneus krallten sich in den losen Untergrund. Problemlos zirkelte das Bike auch durch technische und enge Passagen ohne dem Fahrer höchstes fahrtechnisches Können abzuverlangen. Lediglich in ausgesetzteren Abschnitten machte man sich um die geringe Motor/Tretlagerhöhe Sorgen, der angebaute Schutz erfüllte hier allerdings voll seinen Zweck. In schnellen Passagen vermittelt das Bike noch ausreichend Sicherheit und Spurtreue, für Racer oder die, die es noch werden wollen wird es vermutlich zu wenig sein.
Wie vorhin schon erwähnt stellten wir bei langen oder harten Bremsmanövern eine schlichtweg zu geringe Verzögerung fest. Es ist ein enormer Kraftaufwand nötig, um das Bike mit seinen über 100kg Systemgewicht (inkl. Fahrer) zum Stehen zu bringen. Hier hätte man, wenn schon die „kleinen“ Magura Bremsen verbaut sind, auf alternative Bremsbeläge setzen können. Mit, durch eine sparsame Fahrweise, genügend Reststrom geht’s nach dem Downhill wieder einmal kurze aber knackige 150 Höhenmeter nach oben und durch flowige Single-Trails zurück zur Redaktion.
Kurze Anstiege gefolgt von kurzen Abfahrten forderten hier Antrieb und Schaltwerk. Ohne größere Vorkommnisse wurde sauber und verlässlich geschaltet. Durch die Shadow Plus Technologie war auch bei Wurzelpassagen kein allzu starkes Klappern der Kette zu hören. Nach insgesamt 28 Kilometern und 800 Höhenmeter, meist mit voller Unterstützung ist der Akku auch leer. Die Reichweite kann durch die Wahl von geringeren Unterstützungsmodi deutlich erhöht werden. In den etwa 200 Testkilometern durch die Hügellandschaft des bayerischen Waldes mussten wir das Bike fünf Mal ans Stromnetz zum Ladevorgang hängen.