Test: Die Vision und absolutes Ziel von Pivot Cycles ist es, Bikes zu designen und zu bauen, die die Erfahrung und Definition von Fahrradfahren auf ein neues Level heben. Für die amerikanische Edelschmiede, die bei vielen Bikern mit der bisherigen Modellpalette immer ein „Unbedingt haben will“ Gefühl auslösen konnten, ist der Schritt in Richtung Elektro Antrieb definitiv ein neues Level. Das Pivot Shuttle ist das erste elektrifizierte Mountainbike aus dem Hause Pivot – ob es an das unbestritten hohe Niveau der übrigen Modellpalette anknüpfen kann? Wir haben es getestet.
Matt lackiert steht das Pivot Shuttle nun in modernem, hellen Blau mit schwarz-gelben Akzenten in der Velomotion Redaktion. Die schwarzen Bereiche des Rahmens zeigen bei genauerem Betrachten die rohe Carbon Struktur und unterstützen so optisch den edlen Charakter des EMTBs. Apropos Carbon: Das Shuttle gibt’s ausschließlich mit Rahmen aus der teuren und leichten Kohlefaser. Bei den Größen gibt’s Auswahl zwischen S, M, L und XL und das Pivot sollte somit für Fahrerinnen und Fahrer mit Größen zwischen 162 cm bis 200cm passend. Das bietet derzeit kaum ein anderes E-MTB in dieser Federwegsklasse.
Gut integriert versteckt sich der Akku des Shimano Antriebes im Unterrohr, lediglich die Akkustandanzeige und der ON/OFF Schalter spitzen hinter der massiven Verkleidung dezent und gut bedienbar hervor. Der eigentliche Antrieb ist ebenfalls sauber integriert und an der Unterseite durch ein stabiles Schild geschützt – auch dieses besteht, wie sollte es anders sein, aus Carbon. Typisch für Pivot sticht das in Zusammenarbeit mit Dave Weagle optimierte dw-link Hinterbau System ins Auge.
Die einzigen Teile des Rahmens, die nicht aus Carbon gefertigt wurden, sind die massiven Alu-gefrästen Umlenkungen des dw-link Systems. Diese Umlenkungen wurden speziell für den EMTB Einsatz designt und optimiert. Die 140mm Federweg an der Hinterachse werden durch einen Fox Float Factory DPX2 EVOL gedämpft. Dieser kommt mit einem speziellen Tune für das Shuttle, bei dem auch das etwas höhere Systemgewicht miteinbezogen wird. Durch Boost-Standard ist im Carbon Hinterbau des Pivot Shuttle bei einer Felgeninnenweite von 40mm genügend Platz für einen 3 Zoll breiten Reifen.
Gelungener Kompromiss aus Uphill und Downhill Eigenschaften
Moderne, aggressive Geometrien sind im E-MTB Bereich deutlich seltener als bei unmotorisierten Mountainbikes. Das liegt vor allem daran, dass ein E-MTB eben nicht nur gute Downhill Eigenschaften besitzen, sondern mindestens ebenso gut zum Klettern geeignet sein soll. Um es vorweg zu nehmen: Die ausgiebigen Testfahrten mit dem Shuttle bestätigten beides. Der Lenkwinkel von 65,8° ist flach genug für technische und steile Abfahrten, aber trotzdem nicht zu flach um in verblockten Uphills zu glänzen. Auch der Sitzwinkel von 74° unterstreicht diese Ausrichtung noch einmal. Lenk- und Sitzwinkel ziehen sich durch alle vier Rahmengrößen des Pivot Shuttle.
Geometrie Pivot Shuttle
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 394 | 426 | 457 | 493 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 598 | 621 | 643 | 671 |
Steuerrohr (in mm) | 110 | 120 | 130 | 140 |
Kettenstrebe (in mm) | 437 | 437 | 437 | 437 |
Radstand (in mm) | 1184 | 1208 | 1232 | 1262 |
Lenkwinkel (in °) | 65.8 | 65.8 | 65.8 | 65.8 |
Sitzwinkel (in °) | 74 | 74 | 74 | 74 |
Reach (in mm) | 425 | 445 | 465 | 490 |
Stack (in mm) | 602 | 612 | 621 | 630 |
Ebenso durch alle Rahmengrößen zieht sich die Kettenstrebenlänge von 436,9mm. Zum Test hatten wir bei einer Körpergröße von 180cm das Pivot Shuttle in Größe L. Diese Rahmengröße weist eine Oberrohrlänge von 643,1mm und einen Reach von 465,1mm auf. Diese Maße bilden zusammen mit einem 1232,7mm langen Radstand eine sehr laufruhige, dennoch Uphill taugliche Kombination. Komplettiert wird dies durch eine FOX 36 Factory 29/27,5+ mit 150mm Federweg und einer 110mm QR Steckachse.
Volle Shimano XT Di2 Integration
Die Treue zum japanischen Komponentenhersteller Shimano, die wir während unseres Tests des Pivot Switchblade festgestellt hatten, ist auch im Pivot Shuttle wieder erkennbar. Verzögert wird das elektrisch angetriebene Bergfahrrad durch eine Shimano XT Bremsanlage mit Ice-Tech Belägen. An der Vorderachse greifen diese in eine 203mm große Center-Lock Scheibe und an der Hinterachse setzt man auf eine etwas kleiner 180er Scheibe. Angetrieben wird das Pivot Shuttle durch ein intuitives und leises Shimano StepsE8000 EMTB System mit einem 34T Kettenblatt. Der Akku mit einer Gesamtkapazität von 500Wh wird innerhalb etwa drei Stunden komplett geladen. 30 km in Kombination mit 1000 hm waren uns mit einer Ladung maximal möglich.
Rahmen | Shuttle Carbon |
Federgabel | Fox 36 Factory 29/27,5+ 150mm |
Antrieb | Shimano E8000 |
Akku | 500Wh |
Dämpfer | Fox Float Factory DPX2 |
Laufräder | DT Swiss EB 1550 |
Reifen VR | Maxxis Rekon 27,5+ TR120Tpi |
Reifen HR | Maxxis Rekon 27,5+ TR120Tpi |
Schaltwerk | Shimano XT Di2 |
Schalthebel | Shimano XT Di2 |
Kurbel | Shimano FC-E8050 34t |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Shimano XT M8000 |
Bremsscheiben | Shimano Ice-Tec 203/180mm |
Sattelstütze | Fox Transfer 150mm |
Sattel | Phoenix WTB Vigo Pro |
Vorbau | Phoenix Team Enduro/Trail |
Lenker | Phoenix Team Carbon 35mm / 760mm |
Alle nötigen Informationen zum Antrieb finden sich in dem kleinen, aber gut ablesbaren Display, welches am Lenker mittig montiert ist. Nicht nur die Motorinformationen, sondern auch die Info zu Schaltwerk, sprich dem eingelegten Gang an der Kassette findet sich im Shimano Display. Durch die volle Di2 Integration in Kombination mit dem E-Antrieb hat man die Möglichkeit mittels Bluetooth Verbindung und der Shimano App Belegung der Trigger zu steuern bzw. auch eine Art Automatikgetriebe festzulegen. Die Kabel der XT Di2 Trigger sind sauber an der Unterseite des Lenkers durch dezente Gummiringe geführt und verleihen dem Cockpit einen sehr cleanen Look.
Geschaltet wird mit dem Shimano XT Di2 Schaltwerk auf einer XT M8000 11 Speed Kassette mit 11-46 Zähnen. Die Ein-Finger-Bremshebel der Shimano XT Bremsanlage sind Bequem auch mit Handschuhen und ohne Werkzeug verstellbar. Das aufgeräumte Cockpit basiert auf einem Pivot Phoenix Team Carbon 35mm Lenker mit einer Gesamtbreite von 760mm. Der Lenker ist an beiden Enden schräg angesägt, so werden die Pivot Phoenix Team Pad-Loc Griffe sauber fixiert und bieten durch den zusätzlich geschaffenen Raum an der Außenseite ein enormes Plus an Dämpfung. Befestigt wird das gesamte Cockpit mit einem Pivot Phoenix Team Enduro/Trail Vorbau mit 35mm am Rad.
Alle Züge, Bremsleitungen und Kabel verlaufen unauffällig durch eine geschraubte Abdeckung in den Rahmen. Durch das Pivot Cable Port System ist die nachträgliche interne Verlegung neuer Züge und Leitungen einfach und unkompliziert zu lösen. Ein Phoenix WTB Vigo Pro Sattel ist für lange Touren auch ohne gepolsterter Short ausreichend bequem, montiert an einer Fox Transfer Sattelstütze kann dieser um 150mm versenkt werden (125mm bei Größe S), so wird genügend Freiraum geschaffen, um ungestört das Pivot Shuttle unter sich laufen zu lassen.
Die EB1550 EMTB Laufräder von DT Swiss mit einer Innenweite von ganzen 40mm haben ein Pivot-eigenes Design erhalten und sind Basis für eine Maxxis Bereifung. Am Vorderrad ist ein Maxxis Minion DHF 2,8 Zoll Breite montiert und am Hinterrad befindet sich für geringen Rollwiederstand ein Maxxis Rekon+ ebenfalls mit 2,8 Zoll Breite. Diese Kombination sorgt für gutes Pedalierverhalten im Uphill (Falls man mal ohne oder mit geringer Unterstützung unterwegs ist) und für genügend Traktion am Vorderrad auch bei rutschigeren und losen Trail-Verhältnissen.
Hervorzuheben sind definitiv die auf den E-MTB Einsatz abgestimmten Bauteile. Da aufgrund des höheren Gewichts von 19,95 kg, sowie einem zugelassenen Systemgewicht von 120kg deutlich mehr Last und mehr Kräfte auf den Komponenten liegt. Aber nicht nur das Gewicht setzt den Komponenten mehr zu, auch die Fahrweise, so ist man im Uphill in der Regel im Sattel und das deutlich schneller als mit Muskelkraft getriebenen Mountainbikes. Durch diesen Effekt lasten unter anderem auf Dämpfer, Sattel und Laufräder höhere Kräfte, welchen durch eine angepasste Bauweise bzw. angepasste Abstimmung entgegengewirkt wird.
Überzeugender Allrounder mit (fast) perfekter Balance
Aber genug der technischen Details, diese sind zwar wichtig und bieten eine objektive Vergleichsmöglichkeit, der Fahreindruck ist aber noch deutlich wichtiger. Denn hier zeigt sich wie die einzelnen Maße und Komponenten zusammenspielen. Intensive 280 Kilometer, 7000 Höhenmeter und zehn Akkuladungen sind die Basis für unsere Bewertung des Pivot Shuttle. Betrachtet man das Geländeprofil war auch alles dabei. Asphalt- und Forststraßen über Wurzel- und Flowtrails bis hin zu stark verblockten Up- und Downhills. Das Pivot Shuttle stellte sich in diesem gemischten Gelände als echtes Allround-Talent heraus.
Nun aber ab auf die Trails, nach diversen klassischen Ausfahrten geht es ans Eingemachte. Den verblockt startenden Downhill, der in seinen zehn Kilometern zunehmend flowiger wird – einmal in die eine, dann in die andere Richtung. Es beginnt mit den ersten relativ flachen Metern auf Asphalt. Hier wurden erstmal die verschiedenen Unterstützungsstufen des Antriebs getestet. Der Shimano Steps E8000 verfügt über drei verschiedene Unterstützungsstufen. Die ECO+ Variante unterstützt am geringsten und ist für die Ebene oder leichte Steigungen geeignet. Die Trail Stufe ist in der Unterstützung variabel, dies bedeutet je mehr Kraft aufgewendet wird, desto höher ist die Unterstützung. Den Zenit findet der Antrieb in der Stufe Boost, bei dieser liegt konstant die volle Unterstützung an. Für das gemütliche Einrollen reicht ECO+ aus, generell ist aber beim Shimano Antrieb festzustellen: Wenn man sich in der Ebene im Geschwindigkeitsbereich zwischen 23 km/h und 26 km/h bewegt, ist manchmal ein leichtes Zucken vom Motor zu spüren.
Eingestiegen in den ersten Trail Metern wird die Trail-Stufe nötig, diese ist egal ob loser Waldboden, feuchte Wurzeln und Steine oder griffige Singltrails immer die richtige Wahl. Das Pivot Shuttle klettert hier ohne Probleme auch durch technischere Passagen und ohne mit der Wimper zu zucken hoch. Der flache Lenkwinkel hat jedoch zur Folge, dass das Shuttle bei sehr steilen Einheiten den Drang hat, das Vorderrad vom Boden zu lösen, dies kann nur durch Gewichtsverlagerung kompensiert werden. Schaltvorgänge im Uphill, auch unter Last, gehen durch die elektronische Unterstützung der Shimano Di2 stets präzise und leicht vom Daumen. So bringt uns das Shuttle bequem und mit einem breiten Grinsen im Gesicht die nächsten Kilometer durch die typische Trail-Landschaft des bayerischen Waldes.
Nach kurzem Durchatmen geht’s weiter und es wird steiler, verblockter, technischer. Hier kann das Shuttle zeigen was im Uphill in ihm steckt. Linie suchen, raus aus dem Sattel und problemlos hoch geshuttelt, den Namen hat dieses E-MTB definitiv verdient. Spielerisch meistert das Pivot Shuttle auch diese Passagen. Kurz vor dem Gipfel angekommen sind allerdings die Grenzen des machbaren erreicht, außer man heißt Danny MacAskill. Da generell das Schultern eines E-MTB nicht zu den leichtesten Aufgaben gehört versuchen wir mit der integrierten Schiebehilfe des Shimano STEPS E8000 System die letzten Höhenmeter zu erzwingen.
Nach kurzem Aussichtsgenuss packt uns die Neugier ob sich das Pivot Shuttle im Downhill genauso gut schlägt wie im Uphill. Schonmal vorweg: JA! Start in dieselbe Strecke runter wie wir eben hoch sind. In den ersten verblockten Metern hat das Shuttle etwas zu tun, jedoch nicht so, dass es für dieses Gelände nicht agil genug wäre. Das relativ hohe Gewicht muss mit Kraft und Technik durch diesen Abschnitt bewegt werden. Sobald es jedoch schneller wird, werden alle Register gezogen. Mit einer Stabilität und Laufruhe ballert das Pivot Shuttle Höhenmeter für Höhenmeter den Trail hinab und lädt zu jedem Zeitpunkt zu kleinen Sprüngen und Drops ein. Durch den tiefen Schwerpunkt aufgrund Akku und Motor behält es mühelos, auch bei schnellen Kurven, die Traktion und gibt ein sicheres Gefühl zurück an den Fahrer.
Das perfekt Abgestimmte Fahrwerk schluckt Wurzelteppiche sowie kleine und große Schläge mühelos. Ein Gefühl wie auf Schienen. Am Ende der 15 Kilometer langen Abfahrt angekommen können wir den sehr positiven Eindruck im Uphill auch im Downhill bestätigen. Wir hatten stets ein Gefühl der absoluten Kontrolle und Sicherheit und würden und würden dieselbe Tour am liebsten gleich nochmals fahren – aber dafür muss das Shuttle zunächst wieder an die Steckdose.