Reise: Es war während der Sonnen Finsternis 2015, als ich das erste Mal von den Färöer-Inseln gehört hatte. Dieses Naturspektakel war auf der Erde nur von zwei Orten zu bewundern, einer war Spitzbergen und der andere die Färöer.
Mein Freund Philip von mir war damals dort, um die Finsternis zu fotografieren, als er zurück kam, war er total begeistert und wollte unbedingt noch mal zu diesem unbekannten Fleck Erde. Da ich immer auf der Suche nach Orten bin, die noch unentdeckt vom Mountainbike Sport sind, war ich sofort interessiert. Und schon nachdem er mir die ersten Bilder gezeigt hatte, war mir klar, hier müssen wir hin, so atemberaubend und rau waren die in den dunklen Nordatlantik eingebetteten grünen Inseln.
Doch als ich anfing, mich zu informieren, fand ich heraus, dass es verboten ist auf den Inseln im Gelände Rad zu fahren. Da sich die Population auf den Inseln auf unter 50.000 Leuten beläuft und die meisten davon hart für ihren Lohn auf hoher See oder als Bauer arbeiten, gibt es nur wenige die wandern gehen.
Für die Einheimischen ist ihr Land nützlich, aber in ihren Augen nicht besonders schön. Daher gibt es nur wenige Wege, auf denen man sich offiziell bewegen darf. Da uns die Idee die Inseln auf dem Bike zu erkunden jedoch nicht losgelassen hat, entscheiden wir uns kurzerhand, mit den Gravel Bikes die Inseln zu bereisen und vom westlichsten Punkt bis zum östlichen Punkt zu radeln.
Also fingen wir an uns im Internet eine Reiseroute zu suchen. während wir bei Mountainbike Trips oft auf Google Earth vertrauen um Trails und Wege aus zu machen, nehmen wir hier Google Sheep View zur hilfe. Nein, ich habe mich nicht vertippt, denn unter „Sheep View“ kann man sich genau das vorstellen, was man sich jetzt denkt: eine 360° Kamera auf dem Rücken eines Schafes, welches das Land erkundet und anschließend die Bilder dem World Wide Web zur Verfügung stellt.
2017 startete Durita Dahl Andreassen, eine Bewohnerin der Färöer-Inseln, die Kampagne „The Sheep View“, um Google auf die bisher vergessene, kleine Inselgruppe im Nordatlantik aufmerksam zu machen. Und siehe da, der US-Konzern war begeistert, und seither kann man über Google Street View die Färöer-Inseln auf den Rücken von Schafen erkunden.
Es sind knappe zwei Stunden, die wir im Flugzeug von Kopenhagen bis zu den Färöer-Inseln brauchen. Und während sich die kleine Inselgruppe im Nordatlantik aus der Luft betrachtet so ruhig und unscheinbar gibt, so merken wir spätestens beim Landeanflug, dass der Schein trügt. Doch auch wenn wir den kleinen Streifen Land in einem Fjord, der wohl eine Landebahn darstellen soll, nicht ernst nehmen, scheint das den färöischen Piloten nicht zu interessieren, und setzt uns und unsere Bikes gekonnt ab.
Da sind wir also – Mitten im Nord Atlantischen Ozean zwischen Schottland und Island.
Natürlich hatten wir nicht erwartet, hier mit kurzer Hose radeln zu gehen, doch das Wetter, welches sich dort hinter der anderen Seite der Flughafentüren befindet, ist auch etwas anders wie erwartet. Ein heftiger Sturm tobt über die Inseln, während wir im Bus Richtung Klaksvìk sitzen, dem Startpunkt unserer Route.
Den Abend verbringen wir damit, unsere Taschen am Rad so zu befestigen, dass sie so wasserdicht wie möglich sind, denn das Wetter ist auch für die nächsten Tage schlecht angesagt, aber wir sind ja nicht den ganzen Weg bis hierhergekommen, um dann in der Unterkunft zu hocken, also schnappen wir uns unsere Räder und wagen uns raus in den Wind.
Die Route führt uns am ersten Tag in einer großen Schleife von Klaksvìk Richtung Norden bis zum westlichsten Ort der Inseln, welcher auf einer Straße zu erreichen ist, nach Vidareidi. Immer wieder peitscht uns der Wind ins Gesicht und lässt Regentropfen wie kleinen Wasserbomben schmerzhaft auf der Haut zerplatzen. Zum Glück ist im Westen der Inseln kaum noch was auf den Straßen los, denn immer wieder greift der Wind ins Rad und schleudert uns von links nach rechts und wieder zurück.
Als wir aus einem Tunnel kurz vor dem Dörfchen Havannsund kommen können wir uns kaum noch auf dem Rad halten so stark weht uns der Wind entgegen, sodass es uns selbst schwer fällt zu atmen.
Neben uns fällt das Wasser an einem der hunderten Wasserfälle herab.
Diese verteilen sich über die Inseln. Der vor uns erreicht aber nicht wie gewöhnlich den Boden, sondern wird vom Wind erfasst und mit Wucht wieder nach oben gerissen, es scheint fast so, als würde der Wasserfall verkehrt herum funktionieren. Nachdem wir am Abend unser Tagesziel erreicht haben, entscheiden wir uns allerdings gegen die Nacht im Zelt und dafür unsere durchweichten Sachen vor einer warmen Heizung zu trocknen.
Die nächsten Tage sollen zwar vom Wind her genauso stark sein, jedoch deutlich weniger Regen haben. Also machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg die westlichste der drei Hauptinseln zu verlassen und auf die größte Insel der Färöer Eysturoy zu fahren. Um die Inseln zu verbinden, haben die Färöer riesige Tunnelröhren in den Atlantik gegraben, durch die wir nun mit unseren Bikes rollen. 8 km Dunkelheit, hier und da kommt ein Auto vorbei, erhellt die schwarzen Wände für ein paar Augenblicke, bevor uns die Dunkelheit wider umhüllt. Immer wieder tropft es von der Decke und das Wissen, dass hunderte von Tonnen Wasser direkt über unseren Köpfen in den Fjorden liegen, lassen einen unweigerlich fester in die Pedale treten.
Als wir nach ein einer gefühlten Unendlichkeit den Tunnel wieder verlassen, und uns innerlich schon wieder gegen das wappnen, was wir am Eingang des Tunnels hinter uns gelassen haben, erwartet uns doch plötzlich genau das Gegenteil.
Blauer Himmel, wärmende Sonnenstrahlen auf unsere Haut und das Gefühl plötzlich zurückkehrender Lebensgeister.
So macht uns sogar die lange Schiebepassage an der Steilküste von Elduvik nichts mehr aus, und als wir unseren Schlafplatz erreichen, können wir unseren Reiseproviant im Trockenen zubereiten, bevor wir uns vollkommen entkräftet in unsere Schlafsäcke verziehen.
Flatsch. Max dreht sich murrend auf die andere Seite und verkriecht sich tiefer in seinem Schlafsack. Flatsch. Jetzt hat es mich getroffen. Und während ich mich noch halb im Tiefschlaf frage, was genau gerade mein Gesicht abgeschlabbert hat, trifft mich die völlig durchnässte Zeltplane noch einmal.
Ich habe auf meinen Reisen schon viele Wetter durchgestanden, doch Angst um mich und mein Zelt hatte ich noch nie. Sturmböen peitschten über uns hinweg, Regen prasselte nicht mehr auf, sondern einfach durch das Zelt hindurch, und das alles, während Max sich noch einmal genüsslich umdreht und einfach weiterschläft. Wie der nächste Tag für mich aussieht? Genauso, wie man sich einen Tag im Gegenwind nach einer schlaflosen Nacht vorstellt.
Die Rettung?
Tankstellen am Straßenrand, in die wir total entkräftet einfallen um die Tanks wortwörtlich aufzufüllen. Selten hat ein einfacher Hotdog besser geschmeckt wie hier. Am letzten Tag krabbeln wir unter der warmen Sonne aus unserem Zelt, der Wind hat sich gelegt und die Wolken haben sich verzogen, so also schauen die wenigen Sommertage auf den Färöern aus. Wenn auch vom Wetter gebeutelt, das, was wir heute erleben, ist mehr als eine gute Entlohnung für all die Strapazen der letzten Tage.
Wir rollen mit unseren Bikes durch grüne Täler, von dessen steilen Hängen kleine Rinnsale bis ins Meer fließen, wir sehen die berühmten Papageientaucher, die wie kleinen Raketen durch die Luft schießen, ins Wasser eintauchen und genauso schnell wieder mit einem Schnabel voller Fisch davon flattern.
Die Färöer-Inseln wissen, wie sie sich zu präsentieren haben. Nach dem letzten Tunnel unserer Reise rollen wir mit den Bikes hinab Richtung Gasadalur, in dem sich der wohl bekannteste Wasserfall der Inseln befindet.
Das Dorf war bis 2005 so gut wie von der Zivilisation abgeschnitten.
Erst nachdem der Tunnel fertig gestellt wurde, gab es eine Möglichkeit mit dem Auto bis hier her zu fahren. Vorher musste alles über einen beschwerlichen Bergpfad oder mit dem Boot an die zerklüftete und steile Küste gebracht werden und von dort aus eine unvorstellbar steile Treppe hinaufgetragen werden. Was war das wohl für ein Leben?
Vieles hat sich seither geändert, nicht jedoch die Gastfreundschaft der Bewohner. Da wir nicht wussten wo wir am letzten Tag der Reise übernachten sollen, fragten wir einen Dorf Bewohner, wo es denn erlaubt wäre zu zelten. Daraufhin lud er uns ein, unser Zelt gleich bei ihm im Garten aufzustellen. Wie selbstverständlich fragt er uns, ob wir am Morgen einen Kaffee wollen. Das sind die Färöer, Wind, Wetter und auch grenzenlose Gastfreundschaft.