Radsport: Ben O’Connor hat die neunte Etappe der Tour de France gewonnen. Der Mann aus Australien war der stärkste Kletterer einer anfänglich großen Ausreißergruppe. Dank seiner langen Flucht verbesserte er sich außerdem in der Gesamtwertung auf Rang zwei.
O’Connor siegt bei erneut strömendem Regen
Die Fahrer der Tour de France können einem wirklich leid tun. Auch heute sollte es auf der 144,9 Kilometer langen neunten Etappe von Cluses nach Tignes in strömen regnen. Nicht davon abschrecken ließ sich scheinbar Ben O’Connor (AG2R – Citroen). Der Australier war Teil einer anfänglich riesigen Ausreißergruppe und erwies sich letztendlich als der stärkste Kletterer. Er gewann die bei dieser Tour de France erste Bergankunft im Hochgebirge, bei der es insgesamt 5 Bergwertungen zu bewältigen galt. Und das, obwohl er es mit Sergio Higuita (EF – Nippo) und Nairo Quintana (Arkéa – Samsic) aufnehmen musste. Die beiden Kolumbianer verbündeten sich gegen O’Connor und ließen diesen – vor allem in den Abfahrten – mehrfach stehen. Doch der Australier kam immer wieder zurück und fuhr am Ende allen davon. Auch in der Gesamtwertung macht sich seine starke Leistung bezahlt. Dank seines großen Vorsprungs klettert er auf Rang zwei nach vorn. Etappenzweiter wurde Mattia Cattaneo (Deceuninck – Quick-Step) vor seinem italienischen Landsmann Sonny Colbrelli (Bahrain – Victorious), der mit dieser unglaublichen Leistung – wohlgemerkt als Sprinter – in der Punktewertung wichtige Zähler sammeln konnte.
Pogacar fährt wieder allen davon
Die Top-Klassementfahrer gingen es heute etwas ruhiger an – dachte man bis kurz vor dem Ziel. Denn dann wagte Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) einen Angriff. Diesen ging Leader Tadej Pogacar (UAE) locker mit. Doch das scheint dem slowenischen Vorjahressieger grundsätzlich nicht zu genügen. Er setzte direkt eine Gegenattacke und ließ wie bereits gestern all seine Kontrahenten stehen. Mit einem enormen Geschwindigkeitsüberschuss fuhr er davon. Dahinter blickten sich seine Herausforderer nur fragend an. Spätestens nach dem heutigen Tag dürfte es für alle nur noch um Rang zwei gehen. Ein Einbruch von Pogacar – oder auch nur der Hauch einer Schwäche – scheint bisher völlig unvorstellbar zu sein. Endgültig raus aus dem Kampf um das Gelbe Trikot ist Wout van Aert (Jumbo – Visma). Der Belgier, der bis heute Morgen noch auf Rang zwei in der Gesamtwertung lag, wurde schon frühzeitig von der Favoritengruppe abgehängt.
Quintana knöpft Poels das Bergtrikot ab
Wie erwartet ging es heute in der Bergwertung zur Sache. Dementsprechend setzte sich auch die Gruppe des Tages zusammen. Zahlreiche starke Kletterer mit Ambitionen auf den Tagessieg und auf die Bergwertung formierten sich zu einer riesigen Ausreißergruppe. Am Col des Saisies konnte Bergtrikotträger Wout Poels (Bahrain – Victorious) noch maximal punkten, doch danach fiel der Niederländer zurück. Der Kolumbianer Nairo Quintana (Arkéa – Samsic) nutzte die Gelegenheit und kletterte dank seiner offensiven Fahrweise ins Bergtrikot. Zum Etappensieg sollte es für ihn aber eben nicht reichen.
Sagan enttäuscht weiter im Kampf um Grün
So spannend der Kampf ums Bergtrikot derzeit ausgefochten wird, so interessant scheint auch der Fight um Grün zu sein. Überraschend keine Rolle spielt diesbezüglich aber Peter Sagan (Bora – hansgrohe). Der siebenmalige Gewinner der Punktewertung muss sich wohl eingestehen, in diesem Jahr kaum noch Chancen auf das Grüne Trikot zu haben. Den Ton geben andere an, auch auf Teilstücken, die Peter Sagan eigentlich liegen dürften. Gestern wie heute punktete der Slowake aber beim Zwischensprint nicht. Seine Kontrahenten Sonny Colbrelli (Bahrain – Victorious) und Michael Matthews (BikeExchange) sammelten hingegen fleißig. Und in der Wertung immer noch führend ist Mark Cavendish (Deceuninck – Quick-Step). Während der Brite auf den Flachetappen konstant gut punktet, sind der Italiener und der Australier auf hügeligen Etappen stark. Und Peter Sagan verliert weiter an Boden …
Starke deutsche Helfer in Aktion
Positiv erwähnt werden müssen heute die beiden Deutschen Nils Politt (Bora – hansgrohe) und Jonas Rutsch (EF – Nippo). Eben weil sie gewiss nicht als Bergfahrer bekannt sind, haben sie sich heute von ihren Sportlichen Leitern ein Extra-Lob verdient. Nils Politt war zunächst in der Ausreißergruppe, befand sich später in der Favoritengruppe und war der letzte verbliebene Helfer von Wilco Kelderman. Jonas Rutsch blieb als einziger Helfer von Rigoberto Uran übrig. Selbst als das UAE Team Emirates in den Schlussanstieg hineinfuhr, waren beide noch an der Seite ihrer Kapitäne. Erst als das Tempo noch einmal angezogen wurde, mussten sie abreißen lassen. Sicher kam den beiden Klassikerjägern das schlechte Wetter zugute. Denn während bei Kälte und Regen die meisten Profis eher eingehen, scheinen Politt und Rutsch gerade dann zu ihrer Höchstleistung aufzulaufen. Chapeau!
Roglic & Van der Poel sind raus
Zwei namhafte Profis haben die Tour de France heute verlassen. Primoz Roglic (Jumbo – Visma) – im vergangenen Jahr Gesamtzweiter – trat auf Grund seiner Sturzverletzungen nicht mehr zur heutigen Etappe an. Und auch Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) – immerhin sechs Tage lang im Gelben Trikot – trat die Heimreise an. Wenig überraschend sollten auf der heutigen Etappe weitere Profis ihre Segel streichen. Der unaufhörliche Regen macht dem Fahrerfeld dann doch ordentlich zu schaffen. So verließen unter anderem auch der diesjährige Etappensieger Tim Merlier (Alpecin – Fenix) aus Belgien und der letztjährige Etappensieger Nans Peters (AG2R – Citroen) aus Frankreich die Tour de France.
Mathieu Van der Poel:
„Es war eine Traumwoche für uns. Wir haben zwei Etappen gewonnen und ich war sechs Tage im Gelben Trikot. Es war meine erste Grand Tour. Ich denke, da können wir stolz drauf sein. Ich werde heute nicht starten. Mit meiner Mannschaft habe ich beschlossen, dass es das Beste für mich ist, damit ich mich auf die Olympischen Spiele konzentrieren kann. Jetzt nehme ich mir ein bisschen Zeit zur Erholung. Die ganze Tour wäre mit meinen weiteren Zielen nicht vereinbar gewesen. Ich hoffe durch diesen Ausstieg in Tokio in Topform zu sein. Nächstes Jahr fahre ich dann wahrscheinlich bis nach Paris.“
O’Connor wins stage 9#TDF2021 pic.twitter.com/kyFogt8g9w
— Jan Willems (@CyclingWiz) July 4, 2021