Test: Offroader und Alltagsrad in einem? Im Bereich der E-Bikes gibt es das – E-SUV sagt man dazu, und wozu man es braucht und was es kann, zeigt ein genauerer Blick auf das Bulls Iconic Evo TR 1. Im Test beweist das sportlich-komfortable Bike, dass ein Allrounder genau das ist, was viele Radler heute brauchen.
Vor rund 20 Jahren standen vollgefederte Alltagsräder hoch im Kurs. Schon in den günstigen Preisklassen gab’s Tiefeinsteiger mit teils sehr schlichten Hinterbaufederungen und wackeligen Gabeln, die viel Komfort versprachen, aber schnell verschlissen waren. Und so machte sich bald Ernüchterung breit, und bis auf ein oder zwei Qualitätsanbieter zogen sich die Hersteller zurück. Und so blieb die Vollfederung für lange Jahre dem Mountainbike vorbehalten.
Die Rückkehr der Alltags-Fullys
Doch irgendwann borgte sich das Mountainbike vom Alltagsrad den E-Motor aus und hatte damit großen Erfolg, und im Gegenzug schenkte es dem Trekking-, City- und Tourenrad die Vollfederung. Inzwischen hat sich nämlich viel geändert: Bei den elektrifizierten Fahrrädern hat sich das Preisniveau von Sport- und Alltagsrädern angenähert, um nicht zu sagen angeglichen; was heute ein solides E-Trekkingbike kosten darf, hätte man vor Jahren höchstens für eine Rennmaschine oder ein MTB ausgegeben. Außerdem macht es die Motorisierung auch Alltagsradlern möglich, komfortspendendes Mehrgewicht mitzuführen, wogegen man beim unmotorisierten Rad noch um jedes Kilo feilschte. Dazu haben sich die Nutzungsgewohnheiten geändert, und viele Radfahrende wollen ihr E-Bike im Alltag wie in der Freizeit nutzen – und das eben nicht nur auf glattem Asphalt. Und so ist eine neue E-Bike-Gattung entstanden, die gemeinhin „E-SUV“ genannt wird: viel Federweg, gepaart mit alltagstauglicher Vollausstattung.
Viel Komfort dank Luftfederung
Ein schönes Beispiel für diesen Rad-Typ liefert Bulls mit dem Iconic Evo TR 1. „Iconic“ steht bei Bulls eben für E-SUVs, „TR“ für die vollgefederte Variante. Es ist ein Rad, das es in sich hat: Das Fahrwerk bietet 120 mm Federweg vorne und hinten, außerdem sorgt eine Luftfederung für sensibles Ansprechverhalten und optimale Einstellbarkeit – die Luftfederung lässt sich nämlich sehr gut aufs Fahrergewicht und auf die persönlichen Ansprüche abstimmen.
Aber wer außer einem Mountainbiker brauch so viel Federweg? Ganz einfach: Angesichts der großen Reserven kann man die Federung extrem komfortabel abstimmen, ohne dass das Risiko besteht, dass sie bei groben Stößen durchschlägt – so wie ein breiter Fahrradreifen viel mehr Spielraum beim Luftdruck bietet als ein schmaler, der schnell einen Defekt erleidet, wenn der Druck zu niedrig ist.
Aber kann man dann nicht einfach den nötigen Komfort mit extrabreiten Reifen realisieren? Das geht leider nur in engen Grenzen: Zum einen walkt der Reifen bei niedrigem Druck stark und verschleißt schnell, vor allem bei einer hohen Gewichtsbelastung wie beim E-Bike. Zum anderen werden Reifen bei niedrigem Druck schwammig; dazu können Ein- und Ausfedergeschwindigkeit nicht kontrolliert werden – bei starken Stößen kommt es zum Flummi-Effekt. Und so ist die Vollfederung letztlich der Königsweg, wenn es darum geht, beim Sportrad Fahrdynamik und Bodenhaftung und beim Alltagsrad viel Komfort zu gewährleisten.
Und damit zurück zum Bulls Iconic Evo. Seinen hohen Komfort sieht man dem Bike auf den ersten Blick an. Alleine die Sitzposition spricht für sich: Wo eine aufrechte Haltung beim ungefederten Rad schnell dazu führt, dass Stöße schmerzhaft auf den Rücken gehen, dringt hier nichts zum Fahrer durch. Gleichzeitig sorgt der gute Überblick übers Verkehrsgeschehen zusammen mit dem stabilen Lenkverhalten für viel Sicherheit im Alltag wie auf Touren. In beiden Fällen nimmt ein solider, elegant eingepasster Träger das Gepäck auf; ein echtes Sicherheitsplus ist außerdem der mit 100 Lux extrem helle Frontstrahler.
Stark motorisiert ist das Iconic natürlich auch – hier kommen wieder seine MTB-Gene durch. Bulls gönnt ihm den stärksten Antrieb von Bosch, den Performance CX, gespeist von einem integrierten Akku mit wahlweise 400, 500 oder 625 Wattstunden. Sehr praxistauglich in der Stadt wie auf Touren sind Zehngangschaltung und breit bereifte 27,5-Zoll-Laufräder. Und nicht zuletzt findet sich am Bulls ein Detail, das das E-Fully im Alltag erst praxistauglich macht: Da das Tretlager bei einem vollgefederten Bike deutlich höher liegt, ist am Iconic eine absenkbare Sattelstütze montiert. Mountainbiker nutzen so etwas, um auf schnellen Abfahrten den Körperschwerpunkt abzusenken; Tourenfahrer hingegen erleichtern sich damit das Auf- und Absteigen. Was wieder einmal zeigt, wie moderne Fahrradtechnik gänzlich unterschiedlichen Einsatzbereichen gerecht werden kann.
Was also kann das E-SUV von Bulls? Geht man davon aus, dass die meisten Mountainbikes – ob mit oder ohne Motor – eher für Touren auf Feldwegen und Forststraßen genutzt werden, ist klar, wie weit man mit dem vollausgestatteten Bike kommt. An seine Grenzen gelangt es höchstens dort, wo die Allround-Reifen nicht mehr griffig genug sind oder wo Erdreich und Geröll zwischen Reifen und Schutzblech zu schleifen drohen – also in schon recht anspruchsvollem Gelände. Auf glatter Fahrbahn ist das Fully dann ebenso flott und handlich wie jedes andere Elektrorad – klar, denn die Grenze setzt gemeinhin das Ausklingen der Antriebsunterstützung bei 25 km/h. Dafür ist die Fahrdynamik des Bulls merklich höher als bei einem un- oder nur vorne gefederten Bike. Schlaglöcher und Bordsteinkanten bügelt das Fahrwerk einfach weg, was dazu führt, dass man in vielen Fahrsituationen einfach flüssiger unterwegs ist und nicht so sehr nach Unebenheiten Ausschau halten muss. Das Mehrgewicht der Federung wiederum fällt während der Fahrt nicht auf – dafür sorgt der drehmomentstarke Bosch-Motor. In den Keller tragen will man das Iconic freilich nicht unbedingt. Aber das trifft nun mal auf viele E-Bikes zu und sollte kein Hinderungsgrund sein, sich das E-SUV einmal genauer anzuschauen. Zumal das Iconic – jedenfalls mit dem kleinsten Akku – gar nicht mal so viel mehr kostet als ein konventionelles E-Trekkingbike.