Test / E-Bikes: Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass das Legend Etna so einiges anders macht, als der große Teil der erhältlichen E-Bikes. Ein Faltmechanismus trifft auf Vollfederung, ein schlanker Nabenmotor auf den im Rahmen integrierten Akku. Eine durchaus interessante Mischung – vor allem der Faltmechanismus im Oberrohr macht uns neugierig. Doch an dieser Stelle sei direkt angemerkt, das Legend Etna ist kein Faltrad im klassischen Sinne, das Gelenk eher ein zusätzliches Feature als eine bestimmende Eigenschaft des Bikes.
Doch der Reihe nach: Legend ist ein bis dato noch ziemlich unbeschriebenes Blatt, hat jedoch mittlerweile vier E-Bikes im Programm, alle übrigens mit einem Faltmechanismus. Durchaus bemerkenswert: Legend ist ein durch und durch europäisches Unternehmen, die Entwicklung der Räder findet in Barcelona statt, die Produktion in Portugal und der Service sitzt in Hannover. Das auch deshalb eine schöne Sache, weil sämtliche Legend E-Bikes auch preislich durchaus fair sind. Das Etna macht dabei keine Ausnahme, denn für 2.099 Euro konnte es uns wirklich positiv überraschen. Die Bikes kommen übrigens direkt aus der Produktion zum Kunden, der Verkauf erfolgt über die Webseite von Legend E-Bikes.
Für den Antrieb des Bikes zuständig ist ein Nabenmotor im Hinterrad mit dem eigenen Firmennamen darauf. Keine Überraschungen gibt es bei den technischen Daten, so liegt er mit seinem Drehmoment von maximal 40 Nm ungefähr auf dem Niveau der Konkurrenz. Beim Akku bleibt den Käufern die Wahl zwischen einer Variante mit 374 Wh oder 504 Wh. Beide sind im Oberrohr verstaut und lassen sich durch das Öffnen des Falt-Gelenks sehr bequem entnehmen. Hier kann sich der eine oder andere große Name eine Scheibe abschneiden. Bedient wird der Antrieb über die sogenannte iWoc Remote: An der kompakten Bedieneinheit geben LEDs Auskunft über Ladestand des Akkus und Unterstützungsstufe. Die Buttons besitzen leider keinen wirklich festen Druckpunkt, die Bedienung könnte entsprechend etwas besser von der Hand bzw. den Fingern gehen.
Ein Highlight der iWoc Remote ist ihre Konnektivität, denn sie ist Teil des Mahle Smart Bike System. Über eine kostenlose App lässt sich das Smartphone verbinden, das sich dann beispielsweise als vollwertiges Display nutzen lässt. Darüber hinaus bietet sie auch Funktionen wie beispielsweise die Steuerung der Antriebsleistung abhängig vom Puls des Fahrers oder der Fahrerin – optimal für’s Training. Auch eine individuelle Unterstützungsstufe lässt sich anlegen, die über eine intuitive Leistungskurve ganz auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden kann.
Beim Blick auf den Alu-Rahmen überrascht natürlich zunächst der Falt-Mechanismus. Nicht, dass motorisierte Falträder im Jahr 2022 besonders spektakulär wären, aber vollgefederte E-Bikes mit „normalgroßen“ Laufrädern (hier: 27,5 Zoll) gibt es neben dem Etna wohl kaum auf dem Markt. Schon allein deshalb lässt sich das Bike kaum mit anderen Falträdern vergleichen und der Anwendungsbereich dürfte auch etwas anders liegen. Zwar schrumpfen die Abmessungen des Etna so auf fast die Hälfte, aber wirklich handlich ist das Bike dennoch nicht: Das liegt zum einen natürlich am Gewicht, zum anderen muss für die besten Abmessungen das Vorderrad ausgebaut werden. Zudem steht das Rad im gefalteten Zustand kaum von selbst und der Faltmechanismus lässt sich auch nicht fixieren.
Trotz dieser Kritikpunkte fallen uns einige Beispiele ein, bei denen das Falten des Bikes durchaus praktisch sein kann: Wer sein Rad beispielsweise im Kofferraum transportieren möchte, hat mit dem Etna leichtes Spiel. Auch für den Campingurlaub könnte das Bike so deutlich attraktiver werden.
Auf den ersten Blick mag der gefederte Hinterbau des Etna echte Geländetauglichkeit versprechen. Doch schon die „nur“ 40 mm Federweg verraten, dass Legend hier eher auf ein Komfort-Plus abzielt. Dafür darf man sich an der Front über durchaus üppige 100 mm Federweg freuen, noch dazu über eine Gabel vom namhaften Hersteller RockShox. Ähnliches gilt übrigens für die gesamte Ausstattung: Seien es die gut dimensionierten Scheibenbremsen von Shimano, die 11-fach Schaltung von Sram oder das Promax Cockpit: „Billigteile“ sucht man hier vergebens, was in dieser Preisklasse heutzutage nicht selbstverständlich ist. Sehr schön!
In der Praxis gefällt direkt beim Aufsetzen die moderne und gut ausgewogene Geometrie, die unserem Tester mit 1,86 cm Körpergröße gut passt. Leider ist das Bike jedoch nur in einer Rahmengröße erhältlich – besonders kleinere Fahrer dürften sich damit entsprechend schwer tun. Das Fahrverhalten überrascht positiv und das Legen Etna ist ein unauffälliges, insgesamt einfach rundes Tourenrad. Natürlich muss man angesichts des Preises Abstriche machen: Ja, der Motor schiebt durch den Verzicht auf einen Drehmomentsensor etwas nach – etwas Eingewöhnung ist notwendig. Die Hinterbaufederung funktioniert auf schlechten Asphaltstraßen, auf Schotter und Forststraßen gut, für einen Trail ist sie jedoch ganz eindeutig nicht gedacht – wie übrigens auch das gesamte Rad.
Absolut überzeugend sind die gewählten Komponenten, die ohne Ausnahme zuverlässig funktionieren. Vom Nachschieben abgesehen macht auch der Antrieb viel Spaß und ist vor allem angenehm leise. Ein überraschendes Highlight ist die wirklich gelungene App, die mit den ganz großen Namen auf dem Markt mithalten kann.