Radsport: Es geht weiter aufwärts im deutschen Team Bora – hansgrohe. Trotz einiger namhafter Abgänge – oder gerade deshalb – gelang in dieser Saison dank Jai Hindley beim Giro d’Italia der erste Gesamtsieg bei einer Grand Tour. Wird sich der Weg nach oben im Raublinger Rennstall weiter fortsetzen?
Hindley gewinnt für Bora – hansgrohe den Giro d’Italia
Seit 2010 existiert das Team Bora – hansgrohe. Damals war man noch unter dem Namen NetApp aktiv und nicht in der ersten Liga des Radsports unterwegs. Mittlerweile jedoch zählt der Raublinger Rennstall zu den besten Teams der Welt. Best of the Rest könnte man sagen, denn die Lücke zu den Top 4 ist riesig – noch! Denn Bora – hansgrohe wird weiter voll auf Angriff fahren. Der Umbruch – der Weg hin zu einem Team für die Gesamtwertung bei großen Landesrundfahrten – ist geglückt. Jai Hindley gewann nicht nur eine Etappe, sondern den ganzen Giro d’Italia. Der Triumph ist ein Ergebnis der Teamstärke, denn Hindley gewann nicht nur, weil er der stärkste Fahrer war, sondern auch und vor allem deshalb, weil seine Teamkollegen für ihn alles gegeben haben. Doch er war und ist bei weitem nicht der einzige Kapitän im Kader.
35 Saisonsiege, 82 Podien
Der Name Lennard Kämna darf bei keinem Jahresrückblick fehlen. Obwohl erst 26 Jahre alt, hat er in seiner Karriere bereits einiges erlebt. Zweimal schon zog er sich für einige Monate aus dem Renngeschehen zurück. Doch er kam wieder, fuhr Ende 2021 sogar das Mountainbike-Rennen Cape Epic. Er jubelte schon über einen Tagessieg bei der Tour de France. 2022 gelang ihm dann auch ein Etappensieg beim Giro d’Italia. Und für Jai Hindley war er im Hochgebirge der wichtigste Helfer. Fast hätte er erneut ein Teilstück bei der Frankreich-Rundfahrt gewonnen. Als er hinauf zu La Planche des Belles Filles wenige Meter vor der Ziellinie doch noch gestellt wurde, litten Radsportfans aus aller Welt mit ihm. Er kann sinnbildlich für die Hierarchie in der Mannschaft gesehen werden: Manchmal darf er selbst gewinnen, aber meistens ist er für seine Teamkollegen da. So wundert es nicht, dass Bora – hansgrohe in dieser Saison sage und schreibe 35 Siege einfahren konnte. Mehr als zehn verschiedene Profis durften sich über mindestens einen Sieg freuen. Aleksandr Vlasov gewann die Tour de Romandie, Sergio Higuita die Katalonien-Rundfahrt. Sam Bennett war bei Eschborn – Frankfurt siegreich, Marco Haller bei den Bemer Cyclassics in Hamburg. Giovanni Aleotti gewann die Sibiu Cycling Tour und Cian Uijtdebroeks die Tour de l’Avenir.
4 Fahrer gehen, 4 Fahrer kommen
Nach einer solch erfolgreichen Saison gibt es für Bora – hansgrohe keinen Grund, viele Veränderungen vorzunehmen. Zumal der große Umbruch erst ein Jahr zurückliegt. Vier Fahrer gehen, vier Fahrer kommen. Wilco Kelderman und Felix Großschartner werden künftig vor allem bei Rundfahrten vermisst. Martin Laas und Lukas Pöstlberger waren eher für Eintagesrennen, Klassiker und Sprints zuständig. Alle vier hatten ihre Aufgaben und hinterlassen demnach Lücken. Doch diese können durch die Neulinge im Team aufgefangen werden. Bob Jungels hat in diesem Jahr ein Teilstück bei der Tour de France gewonnen. Der Luxemburger hat gezeigt, dass er nicht nur in den Bergen stark ist, sondern auch Klassiker weit vorn beenden kann. Nico Denz war bei der Tour de Suisse erfolgreich und gilt als harter Arbeiter, der sich gerne in den Dienst der Mannschaft stellt. Er hat seine Stärken vor allem in der Ebene, auf leicht hügeligem Terrain und in Ausreißergruppen. Allein diese beiden Fahrer machen Bora – hansgrohe künftig noch schwerer ausrechenbar. Komplettiert wird die überschaubare Liste der Neuzugänge von Victor Koretzky und Florian Lipowitz. Der Franzose ist erst in der Vorsaison zum Straßenradsport gekommen, ist eigentlich Mountainbiker. Und der Deutsche ist erst 22, gilt als großes Rundfahrer-Talent, weil er seine Stärke in den Bergen hat. Alles in Allem wird sich im Team Bora – hansgrohe also wenig verändern, was nach einem so starken Jahr aber eine gute Erkenntnis ist.