Test / Mountainbike – Bulls Aminga 1: Das gerade noch im dreistelligen Bereich angesiedelte Einsteigerinnen-Mountainbike überrascht mit einer komfortabel bedienbaren 1×10-Schaltung. Ob das im Vergleich zum Vorjahresmodell mit doppelt so viel Gängen ein Rückschritt ist? Eher nicht, wie sich zeigt – und daneben zeigt der aufgeräumt wirkende Offroader noch ein paar andere Qualitäten
Je mehr Gänge, desto besser – diese Denkweise war beim Fahrrad jahrzehntelang verbreitet, und natürlich auch beim Mountainbike. Mit Dreifach-Kettenblatt und sechs bis zehn Ritzeln hinten ließen sich imposante Zahlen vorweisen, wobei die 18 bis 30 Gänge jedoch nie wirklich ebenso vielen unterschiedlichen Übersetzungen entsprachen: Manche Gänge tauchten zweimal auf, und andere ließen sich wegen des zu großen Kettenschräglaufs nicht schalten. Außerdem war und ist ein Getriebe mit drei Kettenblättern eher umständlich zu bedienen und nicht gerade einsteiger(-innen)freundlich.
Bulls Aminga 1: Zehn Gänge für unter 1.000 Euro
Aus all diesen Gründen sind an allen besseren MTBs heute 1x-Schaltungen zu finden, will heißen ein Kettenblatt und aktuell bis zu zwölf Ritzel an der Hinterradnabe. Zweifach- und Dreifach-Kettenblätter sind inzwischen nur noch an sehr günstigen Modellen zu finden, was etwa bei Bulls heißt: an Bikes unter 900 Euro. Denn für den Modelljahrgang 2023 hat die Kölner Sportmarke die Spezifikationen einiger Modelle überarbeitet. Das Männer-Mountainbike Bulls Copperhead 1 und seine Entsprechung für Frauen, das Bulls Aminga 1, beide für 999,95 Euro gehandelt, kommen ab sofort mit Zehnfach-Getriebe statt 2×10 Gängen. Bei dieser Halbierung stellt sich die Frage: Vorteil oder Rückschritt?
Erst einmal zu den anderen Merkmalen des Aminga: Das CrossCountry-MTB kann mit ausgewogener Geometrie als perfekter Allrounder im Gelände gelten. Mit 100 mm Federweg weist die Gabel große Reserven auf, und die Sitzhaltung ist eher angenehm als rennmäßig. Wer sportive Offroad-Touren fahren will, ist mit dem Aminga also gut beraten, bis dann bei steigender Bike-Leidenschaft vielleicht mal ein besser ausgestattetes Modell ansteht. Das in zwei unterschiedlichen Laufradgrößen – 29 und 27,5 Zoll – erhältliche Rad ist natürlich mit Scheibenbremsen ausgestattet, außerdem können an Sattelklemmschelle und Vorbau MonkeyLink-Akkuleuchten angeklickt werden – auch für die Alltagsnutzung bietet sich das Bike also an. Bei der Rahmenform ist frau festgelegt (so etwas wie einen Tiefeinsteiger gibt es nicht); als zweite Farbvariante steht Fuchsia zur Wahl.
Höherer Schaltkomfort, kaum Einbußen
Aber zurück zur Schaltung – zehn statt 20 Gänge zur Verfügung zu haben klingt nicht gerade nach technischem Fortschritt, oder? Vergleicht man die einzelnen Übersetzungsverhältnisse beider Getriebe, ist die Sache klar: Dem 2023er Aminga fehlen im Vergleich zum 2×10-Modell zwei Gänge – ein Schnellgang und ein Berggang. Außerdem ist die Übersetzung am Zehngangrad minimal gröber abgestuft, da ein Zwischenschritt fehlt. Doch ob sich das in der Praxis negativ bemerkbar macht, sei dahingestellt; allzu groß sollte der Unterschied nicht ausfallen. Denn immer noch bietet das Getriebe einen superleichten Berggang, mit dem man auch bei zweistelligen Steigungsprozenten locker pedalieren kann; ein rennradmäßig langer Schnellgang muss an einem MTB eh nicht sein.
Auf der anderen Seite ist das 1×10-Getriebe natürlich deutlich komfortabler zu schalten – Kettenschräglauf ist kein Thema, und man muss sich keine Gedanken über den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz des vorderen Umwerfers machen. Kleiner „Fun fact“ am Rande: Wäre das Aminga mit einen Zwölffach-Zahnkranz mit 10-51 Zähnen ausgestattet, wäre der Übersetzungsumfang quasi identisch mit dem des 2×10-Modells – ein entsprechendes Upgrade-Kit (Schaltwerk, Kassette, Kette, Schalthebel) kostet rund 200 Euro.
Ein Kettenblatt: auch optisch besser
Und letztlich kommt der Verzicht aufs Mehrfach-Kettenblatt auch der Optik des Aminga zugute – ohne Umwerfer und Schalthebel links am Lenker wirkt es aufgeräumt und „clean“, zumal Bulls bereits in dieser Preisklasse Bremsleitung und Schaltzug im Unterrohr führt. Auch das kennt man eher von teureren Bikes.
Und so ist das Aminga 1 – egal ob mit den größeren Twentyninern oder den etwas agileren 27,5-Zoll-Laufrädern – ein guter Tipp für alle, die stressfrei und gemäßigt sportlich mountainbiken wollen. Der schön gemachte Alu-Rahmen kann so gut gefallen, dass ein Upgrade wie das beschriebene (oder eine Luftfedergabel) nach einiger Nutzungszeit durchaus zu empfehlen sind – mit dem preiswerten Bulls macht frau also nichts falsch!