Test Pirelli P Zero Race TLR: Die Nummer zwei im Rennrad-Programm des italienischen Herstellers mag etwas mehr Rollwiderstand aufweisen als das Topmodell. Doch auch dieser Reifen punktet mit geschmeidigem Abrollverhalten und extrem gutem Grip – und um den Pannenschutz an seine Grenzen zu bringen, muss man sich schon sehr anstrengen.
Wer einen Reifen fürs Rennrad sucht, hat heute in der Regel drei Optionen. Die meisten Anbieter bieten auf der einen Seite des Spektrums einen rollwiderstands- und teils auch gewichtsoptimierten Wettkampfreifen an, der Kompromisse beim Pannenschutz und bei der Haltbarkeit erfordert. Auf der anderen Seite gibt es stabile Trainingsreifen, ausgelegt auf hohe Laufleistungen und maximalen Schutz vor Defekten. Diese sind (man ahnt es) eher schwer und rollen auch so; manchmal leidet auch der Nässegrip unter einer harten, abriebfesten Gummimischung.
Pirelli P Zero Race TLR: Allrounder mit leichtem Lauf und gutem Pannenschutz
Am interessantesten ist die dritte Kategorie: Pneus, die gute Rundum-Eigenschaften aufweisen – also den „Zielkonflikt“ von Grip, Rollwiderstand, Pannenschutz und Laufleistung durch ein harmonisches Zusammenspiel aller vier Faktoren zu lösen suchen. Dabei ist die Reifenhaftung noch das geringste Problem, und bei modernen Tubeless-Reifen ist ein Durchstich kein allzu großes Thema mehr – eine gute Dichtmilch kann auch größere Schadstellen stopfen.
Stattdessen geht es vor allem darum, bei vertretbarem RoWi eine lange Lebensdauer zu ermöglichen. Reine Rennreifen sind teils an der Lauffläche gemessen nur halb so dick wie Allrounder; durch den Verzicht auf einen Pannenschutzstreifen und weniger Gummi lässt sich der Rollwiderstand deutlich senken. So ein Reifen ist dann aber auch schneller abgefahren und muss ersetzt werden, außerdem steigt natürlich das Risiko von Defekten, gegen die die Dichtmilch machtlos ist.

Mit dem P Zero Race TLR bietet der italienische Hersteller Pirelli einen Allround-Rennreifen an, der dem Topmodell P Zero Race TLR RS ziemlich nah kommt. Optisch sind die zwei in Italien gefertigten Reifen kaum zu unterscheiden, und auch was die Performance angeht, sind die Unterschiede gering: Pirelli nutzt an beiden Modellen seine SpeedCore-Karkasse mit zwei Gewebelagen an den Seiten und drei unterm Laufstreifen; dazu kommt eine luftdichte Schicht an der Innenseite. Auch die Gummimischung ist identisch: „SmartEVO2“ nennt Pirelli den Compound, den Radsportler der Motorsport-Expertise des Unternehmens verdanken.
Was die zwei Reifen unterscheidet und den RS im Vergleich zum Allrounder um ein paar Watt schneller macht, ist dessen zusätzliche Pannenschutzschicht. Sie soll den Reifen deutlich stichfester machen, was sich auch mit den Testergebnissen der unabhängigen Reifentest-Homepage Bicyclerollingresistance.com deckt. Dabei ist bereits der RS im Vergleich zu ähnlich konzipierten Reifen recht stabil. Die Frage ist nur, ob das Plus an Pannenschutz einen merklichen Nachteil beim Rollwiderstand mit sich bringt.
Erst einmal ist der stabilere Pirelli zwölf Euro günstiger (79,90 zu 91,90 Euro), dazu nicht unbedingt schwerer: In 30 mm Breite wiegt der P Zero Race TLR rund 340 Gramm (unsere drei Testmuster wogen 334, 341 und 344 Gramm); ein 28er RS ist mit 298 Gramm kaum leichter. Insgesamt muss man beiden Modellen ein eher hohes Gewicht bescheinigen, verglichen mit ebenso breiten Modellen der Konkurrenz.

Ein gemischtes Bild ergibt sich bei der Montage: Auf eine aktuelle Mavic-Felge bekommt man den Pirelli nur mit Hilfe von Reifenhebern; dafür dichtet der Pneu sofort ab und die normale Standpumpe reicht zum Befüllen. Bei der Hookless-Felge des Zipp 303s lässt sich der P Zero Race TLR mit den Daumen übers Felgenhorn drücken, weiter kommt man aber nur mit dem Kompressor. Pirelli bietet eigene Dichtmittel an, und zwar unterschiedliche Mischungen für Rennrad und Gravelbike. Das P Zero Sealant verströmt den typisch scharfen Geruch von Ammoniak und wird mit Latex und körnigen Partikeln gefertigt. Diese Mischung soll bei Defekten schnelles Abdichten und dadurch geringen Luftverlust sicherstellen – zu seiner Funktion später mehr.
Auf einer Felge mit 23 mm Innenweite fällt der Pirelli ca. 1,5 mm breiter aus als die angegebenen 30 mm, ist also ganz schön voluminös. Ein Problem stellt dies höchstens dann dar, wenn man zum Erreichen optimaler Aerodynamik will, dass der Reifen schmaler ist als die Felge – in diesem Fall wäre wohl der 28er die bessere Wahl. Was das Fahrverhalten angeht, muss man jedoch keine Nachteile in Kauf nehmen, eher im Gegenteil: Der etwas breitere Reifen dürfte sogar einen noch geringeren Rollwiderstand aufweisen und damit einen möglichen aerodynamischen Nachteil wettmachen.
Breiter Reifen mit geschmeidigem Rollverhalten
In jedem Fall hinterlässt die Nummer zwei im Rennrad-Programm von Pirelli einen sehr guten Eindruck: Bei einem Druck um 4,5 bar wirkt der Reifen geschmeidig und schnell und bietet dabei hohen Komfort. Lässt man etwas Luft ab, verschiebt sich das Verhältnis von Rollverhalten und Komfort natürlich etwas, stabil ist der Pirelli jedoch immer noch. Damit macht er Lust darauf, sich in kurvige Abfahrten zu stürzen, wo sich die „SmartEVO2“-Mischung Vertrauen erweckend mit dem Asphalt verzahnt. Wobei nur die Wenigsten den Reifengrip wirklich ausreizen werden, schon gar nicht bei Nässe. Im Neuzustand deutet eine gewisse Geräuschbildung an, dass mehr Schräglage nicht mehr drin ist, bald jedoch winkelt man die Rennmaschine ausgesprochen sorglos ab. Dabei kommt neben dem Komfort auch der Reifenhaftung ein etwas reduzierter Druck zugute.
Die gelbe Dichtmilch funktioniert!
Ein direkter Vergleich von Pirelli P Zero Race TLR und Pirelli P Zero Race TLR RS auf Bicyclerollingresistance.com ergibt übrigens einen Rollwiderstands-Plus von gut 25 % bzw. 2,5 bis 3,5 Watt je nach Luftdruck. Mal zwei natürlich für Vorder- und Hinterreifen, also rund 7 Watt, die man mehr leisten muss, um in den Genuss besseren Pannenschutzes zu kommen. Wie gut dieser bei normaler Fahrweise ist, lässt sich schwer einschätzen; wer’s übertreibt, kriegt aber auch den Pirelli P Zero Race TLR kaputt. Der Wechsel vom Asphalt auf einen groben Schotterweg bei zügigem Tempo riss eine gut 5 mm lange „Wunde“ in den Vorderreifen, dass die gelbe Pannenmilch nur so spritzte. Aber nicht lange, dann hatte das Dichtmittel den Schnitt abgedichtet, wenn auch nach so starkem Luftverlust, dass nachgepumpt werden musste. Für die 40 km bis nach Hause reichte es, allerdings hielt der Latex-Pfropf nur bis knapp 2,5 bar dicht.
Schade um den schönen Reifen, doch eines kann hiermit als bewiesen gelten: Unter normalen Einsatzbedingungen sollte man mit dem Pirelli von Plattfüßen weitgehend verschont bleiben. Kleinere Defekte dürfte die gelbe Dichtmilch außerdem verlässlich versiegeln. Ohnehin liegt die Schadstelle am Testreifen knapp neben dem Bereich des Pannenschutzstreifens; auch andere Allround-Rennreifen dürften gegen diese Art des Defekts machtlos sein.
Fazit: ein sehr empfehlenswerter Reifen
Sehr empfehlenswert ist der Pirelli P Zero Race TLR auf jeden Fall. Laut Bicyclerollingresistance.com ist er beim Pannenschutz vielen ähnlich konzipierten Pneus überlegen, und angesichts der überzeugenden Performance auf der Straße tauscht man das gute Gefühl der Sicherheit gerne gegen das eine oder andere Watt Rollreibung ein. Auch der hohe Preis von knapp 80 Euro relativiert sich angesichts der „Straßenpreise“, die teilweise nur wenig über 50 Euro liegen. Allerdings sollte man darauf achten, die aktuelle Version des Reifens zu bekommen – erkennbar am gut lesbar aufgeprägten „Made in Italy“.







