Test Merida Silex 9000: Das vielseitige Gravelbike konnte sich bereits mit einem Weltmeistertitel schmücken, bietet sich aber gleichzeitig fürs Bikepacking an. In der Top-Variante mit leichten Carbonlaufrädern und der neuen Shimano GRX Di2 überzeugt dieses Rad nach wie vor, auch wenn es für den Rennsport inzwischen ein optimiertes Schwestermodell gibt.
Das aktuelle Merida Silex 9000 basiert auf einem Rahmen, der vor zwei Jahren präsentiert wurde und gleich für Schlagzeilen sorgte: Keine zwei Wochen vor der offiziellen Vorstellung wurde Matej Mohorič auf dem neuen Silex Gravel-Weltmeister. Ein reinrassiges Racebike was das Silex freilich schon damals nicht: Mit einem Lenkwinkel unter 70°, langem Steuerrohr und hoch bauender Gabel ist das Rad eher am MTB als am Rennrad orientiert und auf eine recht kommode Sitzhaltung zugeschnitten. Mit dem Merida Mission hat das Unternehmen vor kurzem einen richtigen Gravel Racer vorgestellt, auf dem Mohorič gleich WM-Dritter wurde.

Merida Silex 9000: Auch ohne Renn-Ambitionen aktuell
Das Silex, vom dem aktuell fünf Carbon-Modelle und vier Alu-Varianten verfügbar sind, hat sich seit seinem großen Auftritt nur minimal verändert: Am aktuellen Modell finden sich weiter oben am Unterrohr zwei Gewindebohrungen, die wohl für eine kleine Rahmentasche bestimmt sind. Ansonsten ist der Rahmen, dessen Gewicht Merida mit rund 1.200 Gramm angibt, gleich geblieben. Typisch Silex sind schlanke Rohrformen und ein markant geformtes Steuerrohr, welches schon den Vorgänger des aktuellen Modells auszeichnete; die integrierte Sitzklemme gibt dem Übergang zwischen Hinterstreben und Oberrohr eine ungewöhnliche Form. Hatte das alte Silex noch gerade Kettenstreben, sind diese beim neuen Modell merklich nach unten geschwungen – das erlaubt 3 mm mehr Reifenbreite, also nunmehr 45 mm, die beim Testrad auch genutzt werden. Ein interessantest Detail ist der Kunststoff-Einsatz am Unterrohr: Hier kann ein Fidlock-Adapter für die magnetischen Trinkflaschen des Anbieters eingesetzt werden, der dann glatt mit dem Rahmen abschließt. Auch die Montage von Schutzblechen ist vorgesehen, und an die Gabel lassen sich die typischen Gepäckhalterungen montieren.
Top ausgestattet mit der neuen Shimano GRX Di2
Natürlich sind beim Silex alle Leitungen integriert; nur die moderne UDH-Aufnahme findet sich erst beim neuen Merida Mission. Macht aber nichts, das das Testrad mit der neuen Shimano GRX Di2 aufgebaut ist, deren Schaltwerk ja bekanntlich an ein herkömmliches Schaltauge montiert wird. Die elektronische Schaltgruppe besteht neben dem Wechsler aus nur einem Di2-Schalthebel, nicht zweien wie an der bekannten GRX Di2 mit 2×12 Gängen. Bei der individuellen Belegung der Tasten hat man also nicht allzu viele Möglichkeiten, wobei das Standard-Schaltschema sehr gut funktioniert und sich die zwei großen Tasten gut unterscheiden lassen; die Gangwechsel selbst sind schnell, leise und präzise.
Das wuchtige Schaltwerk wurde praktisch unverändert aus dem MTB-Programm von Shimano entnommen und ist nun endlich kabellos dank Funkübertragung und integriertem Akku. Der Schaltwerkskörper ist im vorderen Bereich sehr schmal, womit verhindert werden soll, dass er an Hindernisse stößt. Auffällig ist, dass der Aus- und Einbau des Hinterrades deutlich einfacher funktioniert als mit mechanischen Shimano-Schaltwerken. Der Akku steckt in einem Schacht im Schaltwerk; um ihn zum Laden zu entnehmen, muss erst eine kleine Klappe entriegelt und abgezogen werden. Zum trailigen Charakter es Merida Silex passt die 10-51er Kassette recht gut; die 1x-Varianten des neuen Merida Mission sind dagegen allesamt mit SRAM-Gruppen ausgestattet, deren 10-46er Kassette deutlich engere Gangsprünge im schnellen Bereich bietet.
Superleichter Aero-Radsatz
Neben der neuen Shimano GRX Di2 ist der Carbon-Radsatz von Reynolds ein zweites Highlight der Komplettierung. Der Hersteller gibt ein Gewicht von 1.425 Gramm an, was angesichts der aerodynamischen Optimierung sehr wenig ist; fahrfertig und mit Schläuchen aufgebaut wiegt der Satz gut 3,4 Kilo. Die 42 mm tiefen Hookless-Felgen sind bis knapp 34 mm breit, die Innenweite liegt bei 25 mm. Reynolds verspricht sich von der bauchigen Form aerodynamische Vorteile auch mit 45 mm breiten Reifen, wie sie am Silex 9000 montiert sind. Die Maxxis Rambler konnten im Velomotion-Labortest in der 40-mm-Variante bereits mit geringem Rollwiderstand punkten, dazu ist der Reifen schön griffig. Wer will, kann natürlich auf tubeless umrüsten.
Der 2.000-Euro-Radsatz lenkt den Blick auf das sehr gute Preis-Leistungs-Verhältnis des Silex 9000, das mit 5.399 Euro ausgezeichnet ist. Im Preis inbegriffen ist sogar ein edler Easton-Carbonlenker mit angenehmem Flare; als kleines Extra gibt es außerdem ein flaches Minitool, das in einer Hülle unterm Sattel steckt. Auch gegen das Gewicht von 8,94 Kilo lässt sich nichts sagen, wobei es in dieser Preisklasse auch ein halbes Kilo leichter geht. Ein individueller Aufbau ist möglich, zumal Merida für 2.249 Euro ein Rahmenset anbietet – allerdings kostet das günstigste Komplettrad mit Shimano 2×10 auch nur 50 Euro mehr.

Als Gravel-Racebike lässt sich das Merida Silex seit der Vorstellung des neuen Mission zwar nicht mehr bezeichnen, seine positiven Eigenschaften hat es aber natürlich nicht nicht eingebüßt: Nach wie vor ist es vortriebsstark und reaktionsschnell, wobei die etwas komfortablere Sitzhaltung einem breiten Publikum eher entgegenkommen dürfte als die gestrecktere Position des neuen Modells. Trotz nicht ganz so moderner Ausstattung ist das Silex also nach wie vor eine gute Wahl für alle, denen es beim Gravelbike auch auf Vielseitigkeit ankommt.







