Radsport: Die Tour de France war bereits ein Highlight. Doch der Giro d’Italia hat dies noch einmal getoppt. Erst am letzten Tag wurde über den Gesamtsieger entschieden – und das mit nur 39 Sekunden Differenz. Wir blicken zurück auf die wohl spannendste Grand Tour seit vielen Jahren.
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War für euch die diesjährige Italien-Rundfahrt die beste Grand Tour der vergangenen Jahre?
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Favoritensterben beim 103. Giro d’Italia
Als der Giro d’Italia am 3. Oktober in Monreale begann, hatten die Experten einige Favoriten auf der Rechnung. Vergleichen wir diese Favoriten-Liste von damals drei Wochen später mit den Top 5, finden wir vermutlich kaum eine Übereinstimmung. Ein Favoritensterben sondergleichen hat die Italien-Rundfahrt heimgesucht. Direkt zum Auftakt crashte sich Miguel Angel Lopez (Astana) aus dem Rennen. Schon auf der dritten Etappe verabschiedete sich mit Geraint Thomas (Ineos) der absolute Top-Favorit auf den Gesamtsieg. Nach zwei Stürzen musste er auf der Ätna-Etappe den Giro d’Italia verlassen. Für Ineos war das Kapitel Rosa damit beendet – dachte man zumindest. Jetzt wissen wir es alle besser. Am ersten Ruhetag erwischte es dann Simon Yates (Mitchelton – Scott) auf Grund eines positiven Corona-Tests. Das Team von Steven Kruijswijk (Jumbo – Visma) zog sich wegen der Corona-Gefahr zurück. Und Vincenzo Nibali (Trek – Segafredo) und Jakob Fuglsang (Astana) schienen einfach nicht in Topform zu sein.
Die Youngster und Helfer bestimmen das Renngeschehen
Wer im Radsport erfolgreich sein möchte, musst stets einen Plan B in der Tasche haben. Gezeigt haben uns das in dieser Saison vor allem die Fahrer der Mannschaft Ineos. Eigentlich hätte man mit Egan Bernal die Tour de France und mit Geraint Thomas den Giro d’Italia gewinnen wollen. Gekommen ist es ganz anders. Jetzt stehen acht Etappensiege und der Gesamtsieg mit dem 25-Jährigen Tao Geoghegan Hart zu Buche. Ähnlich verlief es beim deutschen Team Sunweb. Mit Michael Matthews sollten Etappensiege her. Stattdessen schied dieser aus und man fuhr plötzlich mit Wilco Kelderman im Rosa Trikot spazieren. Und am Ende kam es dann doch ganz anders. Der 24-Jährige Jai Hindley übernahm das Ruder und wird am Ende Gesamtzweiter. Zuvor prägte für viele Tage der erst 22-Jährige Joao Almeida (Deceuninck – Quick-Step) das Renngeschehen. Nach drei intensiven Wochen in Italien stehen die drei besten Nachwuchsfahrer unter den Top 4 des Gesamtklassements.
Starke Österreicher: Konrad & Pernsteiner in den Top 10
Historisches gibt es auch aus Österreich zu vermelden. Denn noch nie haben es zwei Fahrer aus der Alpen-Republik in die Top 10 einer Grand Tour geschafft. Patrick Konrad (Bora – hansgrohe) war mit seinem polnischen Teamkollegen Rafal Majka als Doppelspitze in die Rundfahrt gestartet und platzierte sich letztendlich vor diesem. Mit Rang acht bestätigt er seine starke Leistung von 2018, als er hier bereits Gesamtsiebter wurde. Fast hätte es sogar mit einem Etappensieg geklappt. Gleiches gilt auch für Landsmann Hermann Pernsteiner (Bahrain – McLaren). Ganz nebenbei gelang es ihm als Helfer von Pello Bilbao selbst noch in die Top 10 zu fahren – und das bei seinem ersten Giro d’Italia.
Absolute Dominanz: Démare sprintete in einer anderen Liga
Die Geschichte des Giro d’Italia hätten wir nicht komplett erzählt, wenn der Name Arnaud Démare (Groupama – FDJ) nicht fallen würde. Der Französische Meister tausche sein Meistertrikot recht bald gegen die Maglia Ciclamino und gab dieses bis Mailand nicht mehr ab. Trotz heftiger Gegenwehr von Peter Sagan (Bora – hansgrohe) ließ sich Arnaud Démare nicht aus der Ruhe bringen. Selbst auf welligen Teilstücken war er nicht abzuschütteln. Kam es dann zum direkten Duell gegen den dreifachen Weltmeister, hatte dieser stets das Nachsehen – und zwar deutlich. Arnaud Démare gewann vier Etappen und damit gemeinsam mit Filippo Ganna (Ineos) die meisten beim diesjährigen Giro d’Italia. In dieser Form dürfen wir uns freuen, ihn 2021 wieder bei der Tour de France zu begrüßen.