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Rückruf im Pedelec-Museum: Beim „EFahrer“ und chip.de läutet die museumsreife Alarmklingel: Ein Kommentar zur aktuellen Berichterstattung über E-Bike-Rückrufe

26. März 2024 by Marcus Degen

E-Bike, Pedelec Rückrufe unseriös

E-Bike Rückrufe: Alle Rückrufe der Fahrradbranche der letzten 15 Jahre auf einen Haufen werfen, bis die Sache beängstigende Dimensionen annimmt? Nach ernsthafter Recherche klingt das nicht gerade. Schade, dass sich das, was zunächst nach seriöser Verbraucherinformation aussieht, am Ende als Panikmache und damit verbundenem Geschäftsmodell entpuppt.

Produktrückrufe sind nicht selten, vor allem in Branchen, deren Produkte lange Nutzungszeiten aufweisen und stark gefordert sind. Klar, wenn der China-Toaster nach einem halben Jahr durchbrennt, wird man nicht gleich das Bundesamt für Verbraucherschutz alarmieren. Und wahrscheinlich lohnt es sich wegen der paar Euro nicht, über die Online-Plattform den Anbieter haftbar zu machen – bzw. dies zu versuchen.

 



Beim Hersteller als Eigentümer registrieren macht Sinn

Es gibt jedoch Produktgattungen, die stärker in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit stehen – E-Bikes etwa in unserem Beispiel. Wenn hier ein Hersteller Produkte zurückruft, kann das schon mal hohe Wellen schlagen und wird von den Medien aufgegriffen – wie ganz aktuell die Rückrufe rund um die Family-Cargo-Bikes von Babboe. Und das ist gut so, denn nicht immer lassen sich alle Käufer einer bestimmten Produktserie ermitteln. Und nicht zuletzt gibt es den Gebrauchtmarkt, dessen Akteure nirgendwo verzeichnet sind.
Darum an der Stelle der Hinweis der Redaktion: Ein neue gekauftes E-Bike zu registrieren, macht neben eventuellen Zusatzleistungen durch den Hersteller (Garantieverlängerung) auch deshalb Sinn, weil dieser dann die Erstbesitzer ermitteln und kontaktieren kann, sollte etwa ein Rückruf nötig sein.

Manchmal hat man jedoch den Eindruck, dass der berechtigte Hinweis auf einen Produktrückruf zum Anlass genommen wird, gleich mal ein bisschen auszuteilen. Und oft scheint es so, als wäre die Fahrradbranche überdurchschnittlich stark von solchen Vorgängen betroffen. In etwa so, wie gerne mal kollektiv auf Fahrrad-Rowdys geschimpft wird oder viel zu pauschal die Gefährlichkeit des Radfahrens thematisiert wird. Dass eigentlich die Autos (und LKWs) die gefährlichen Verkehrsteilnehmer sind sagt in diesem Zusammenhang kaum jemand. Die Kollision mit dem KFZ macht das Radfahren gefährlich, nicht das Radfahren per se.

 



Wenig seriöse Meldungen über E-Bike-Rückrufe

Zum konkreten Anlass dieser Gedanken: „Bulls und viele Marken von Rückruf betroffen“, titelt die Online-Plattform www.efahrer.com. Klingt alarmierend, und in der Tat startete der Hersteller Zemo im Juli 2023 einen Rückruf, der diverse E-Bikes mit Einrohrrahmen aus den Modelljahren 2014 und 2019 betraf. Noch einmal auf diese acht Monate alte Sicherheitskampagne hinweisen? – klar, wenn es sein muss.

Doch im weiteren – sorry, lieber EFahrer – sinkt die Seriosität der Meldung stark ab. 11.000 Pedelecs ruft die ZEG (Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft e.G.) zurück, heißt es im Präsens, als sei dieser Rückruf brandaktuell. Wer das liest, erschrickt – ist da vielleicht das E-Bike dabei, das ich mir letzten Herbst gekauft habe? Doch schon die Bezeichnung „Pedelec“ macht stutzig, denn das sagt man in der Branche schon seit Jahren nicht mehr. Abgesehen von ein paar „Fachleuten“, die sich penetrant an überkommenen Terminologien festklammern – à la „Beim Pedelec musst du mittreten, beim E-Bike nicht“, wie es in einem Video auf chip.de heißt, das wie EFahrer zum Netzwerk von Burda-Forward gehört.

Pedelecs also, aber welche? Eine Reihe von Produktnamen wird aufgeführt, allerdings keine Hersteller – nicht der einzige Hinweis auf eine sorgfältige Recherche aus zweiter Hand. Electra 1 und 2, Li-Tec 1, das sind Namen, die erstmal nichts zum Klingeln bringen. Kein Wunder: Geht man der Sache nach, erfährt man, dass es sich hier um einen Rückruf aus dem Jahr 2010 (!) handelt. „Der Händler kümmert sich um die nötigen Reparaturen“, so der „EFahrer“ hoffnungsfroh. Wir drücken’s mal so aus: Der Händler wird den Kunden verwundert angucken, der mit einem museumsreifen Elektrorad in den Laden kommt und etwas von einem aktuellen Rückruf erzählt.



Und da sind ja auch noch die Eigner eines Bulls Green Mover, die vom „EFahrer“ dazu aufgerufen werden, beim Händler ein Update der Steuerungssoftware aufspielen zu lassen. Dieser wird erstmal den Azubi in den Keller schicken, um nach dem alten Diagnosegerät für den Alber-Heckmotor zu suchen – immerhin ist die Sache mit dem Bulls Green Mover ja auch schon mindestens neun Jahre her.

Nutzer eines E-Bikes von KTM oder Biketec (was auf die Marke Flyer hinweist, die aber nicht genannt wird, weil es Redakteurin vermutlich nicht besser weiß) sollen ihre E-Bike-Akkus aus dem Jahr 2013 bitte nicht mehr benutzen. Wie viele dieser elf Jahre alten E-Bikes aber noch genutzt werden wäre tatsächlich interessant zu wissen. Wir vermuten, die Zahl geht stark Richtung „0“. Und sollte es diese Nutzer doch noch geben, wird sich der Austausch des betroffenen Akkus schwierig gestalten.

 



Prüflabor E-Bike
Im Prüflabor, wie hier bei PTLabs, werden E-Bike-Rahmen auf ein Vielfaches der späteren Nutzung belastet.

Aber warum machen die Redakteure eines großen Portals wie chip.de sowas?

Click-Baiting nennt man das Neudeutsch. Die verunsicherten Verbraucher dazu animieren den Artikel anzuklicken und damit Reichweite für das eigene Portal zu erzeugen. Gleichzeitig werden in solch einem Artikel dann E-Bikes angepriesen bei deren Verkauf der Betreiber des Portals über sogenannte Affiliate-Links eine Verkaufsprovision erhält. Im Fall des oben erwähnten Artikels bei EFahrer sind das aber auch Produkte wie E-Bike-Versicherungen oder Links zu Online-Shops. Hier finden sich dann Shops wie Amazon oder Lidl – keine Geheimtipps also – und plötzlich gibt’s für EFahrer Verkaufsprovisionen wenn der Leser ein paar Stunden später bei Amazon einen Eimer Wandfarbe bestellt – Cookies sei Dank!

Interessant übrigens auch, wie dreist Chip und EFahrer diese Artikel mehrfach veröffentlichen. Der angesprochene Artikel erschien im Original bereits 2023 und wurde jetzt zu Saisonbeginn mit den ersten Sonnenstrahlen und dem erwachenden Interesse an Fahrrädern und E-Bikes wieder aus der Konserve geholt und mit Veröffentlichungsdatum vom 22. März 2024 einfach nochmal publiziert – kostet ja nichts und vielleicht bestellt ein Leser ja später noch Wandfarbe bei Amazon, dann sind damit schnell und einfach ein paar Euro verdient.



Wer sich seriös über E-Bikes, Tests, Neuheiten informieren möchte oder vor dem Kauf auch mal eine Probefahrt absolvieren will, dem empfehlen wir immer den Gang zum Fachhändler. Aktuell sind die allermeisten E-Bikes gut erhältlich und lassen sich bspw. Dank Dienstrad-Leasing sogar attraktiv finanzieren und sind nebenbei bestens versichert. Nach bestem Wissen und Gewissen getestete Fahrräder und E-Bikes finden sich immer bei uns auf velomotion.de oder auch bei den Kollegen von focus-mobility.de – die zwar auch zu Burda Forward gehören, aber glücklicherweise in Sachen E-Bike deutlich seriöser arbeiten.

 

Im Fachhandel erhalten Käufer die bestmögliche Beratung zu aktuellen Fahrrädern, E-Bikes und Zubehör.


Stichworte:Bullschip.deE-BikefeaturedFocusRückrufeZEG

Über Marcus Degen

Marcus Degen ist Chefredakteur und Geschäftsführer von Velomotion. Als Niederbayer aus Leidenschaft genießt er die Vorzüge der Region sowohl auf dem Fahrrad als auch kulturell und kulinarisch. Bereits 2003 gründete er das deutsche Radsportmagazins Procycling und war für neun Jahre dessen Chefredakteur. Während dieser Zeit gründete er auch die Magazine Fahrrad News und World of Mountainbiking. Er hat Physik und Ingenieurwesen in München studiert und war bereits als Schüler im Radsport und später als Triathlet aktiv. 2013 startete er mit dem digitalen Fahrrad-Magazin Velomotion.de.

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