Radsport: Tom Dumoulin (Sunweb) hat das vielleicht schwierigste Rennen seiner Karriere überstanden. Der Niederländer hatte während der 16. Etappe des Giro d’Italia vermutlich mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen. Er verlor auf den starken Etappensieger Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) 2:16 Minuten. Der Titelverteidiger attackierte im letzten Anstieg und konnte die verbliebenen Konkurrenten in der Abfahrt distanzieren. Nairo Quintana (Movistar) kam als Dritter 12 Sekunden später im Zielort Bormio an. In der Gesamtwertung liegt Tom Dumoulin nun noch 31 Sekunden vor Nairo Quintana und 72 vor Vincenzo Nibali.
1 x Mortirolo & 2 x Stelvio bitte
Am gestrigen dritten Ruhetag konnten sich die Fahrer von den Strapazen des Giro d’Italia etwas erholen. Das sollte auch nötig sein, denn heute stand die Königsetappe auf dem Programm. Nicht nur die Länge von 222 Kilometern und die Tatsache, dass diese Etappe in der dritten Giro-Woche anstand, machten das Teilstück zu einer großen Herausforderung. Auf der Route von Rovetta nach Bormio waren auch die bekannten Berge Mortirolo und Stelvio (Stilfserjoch) zu überqueren – der Stelvio stand dabei sogar zweimal im Weg.
Zahlreiche Attacken auf Tom Dumoulin?
Nach 84,5 Kilometern erreichten die Fahrer den Gipfel des Mortirolo, der trotz seiner durchschnittlichen Steigung von 7,6 Prozent und einer Länge von 12,6 Kilometern noch nicht für eine Entscheidung sorgen sollte. Zu weit entfernt lag das Ziel. Nach 143 Kilometern sollte dann das Dach des Giro, die Cima Coppi, am Stelvio erreicht werden. Der Berg ist 21,7 Kilometer lang und weist eine Steigung von durchschnittlich 7,1 Prozent auf. Danach wird kurzzeitig auf Schweizer Boden gefahren, ehe es den Stelvio von einer anderen Seite hinaufging. Der Umbrailpass ist mit einer Steigung von 8,4 Prozent 13,4 Kilometer lang. Nach einer 19,5 Kilometer langen Abfahrt wurde dann das Ziel in Bormio erreicht. Auf Grund des großen Vorsprungs von Tom Dumoulin war mit vielen Attacken zu rechnen. Wenn die Herausforderer dem Niederländer die Maglia Rosa beim diesjährigen Giro d’Italia noch abnehmen wollen, mussten sie heute Farbe bekennen.
Nairo Quintana schickt drei Kollegen in die Spitzengruppe
Neben dem Kampf um die Gesamtwertung ging es heute natürlich auch um den Tagessieg und um einige Bergpunkte. Daher war die Zusammensetzung der Ausreißergruppe von einer großen Bedeutung. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50,3 kmh war das Tempo in der ersten Rennstunde entsprechend hoch. 25 Fahrer konnten sich vom Hauptfeld lösen, darunter mit Andrey Amador, Jesus Herrada und Gorka Izaguirre auch drei Teamkollegen von Nairo Quintana (Movistar). Tom Dumoulin (Sunweb) schickte Laurens Ten Dam mit nach vorn. Mit Mikel Landa, Vasil Kiryienka, Philip Deignan und Sebastian Henao war das Team Sky direkt mit vier Fahrern in der Gruppe vertreten. Auch Steven Kruijswijk (LottoNL-Jumbo), Luis Leon Sanchez (Astana), Igor Anton (Dimension Data) und der Österreicher Felix Großschartner (CCC Sprandi Polkowice) mit seinem Teamkollegen Jan Hirt waren bei der Flucht mit dabei. Da Kiryienka an der Spitze den Großteil der Arbeit verrichtete, konnte sich das Team Movistar sowohl vorn, als auch hinten zurückhalten – eine perfekte Ausgangsposition für Nairo Quintana.
Nairo Quintana & Tom Dumoulin im Hauptfeld kurzzeitig isoliert
Da sich mit Amador und Kruijswijk zwei Top-Ten-Piloten in der Fluchtgruppe befanden, wurde ihr kein großer Vorsprung gewährt. Dies wäre bei einer so starken Besetzung auch sehr fahrlässig vom Team Sunweb gewesen. Unterstützung bekam das deutsche Team im Hauptfeld von den Mannschaften FDJ und Trek-Segafredo. Als es den Stelvio zum ersten Mal hinaufging, wurde die Gruppe der Favoriten auf rund 25 Mann dezimiert. An der Seite von Tom Dumoulin befand sich nur noch der Deutsche Simon Geschke. Doch schließlich musste auch der Berliner abreißen lassen. Dumoulin war somit im Hauptfeld isoliert. Genau gleich erging es Quintana, doch der Kolumbianer hatte vorn noch drei seiner Helfer. Die Ausreißergruppe wurde im Anstieg auseinandergerissen. Deignan, Landa, Amador, Izagirre, Anacona, Hirt sowie Anton konnten sich von ihren Begleitern absetzen. Derweil beorderte Bob Jungels (Quick-Step Floors) seinen Teamkollegen Laurens De Plus zurück und ließ den Belgier nun in der Gruppe der Favoriten für ihn arbeiten.
Tom Dumoulin verliert den Anschluss
Bei einem Rückstand von rund zweieinhalb Minuten nahm das Feld etwas Tempo heraus, so dass einige Fahrer, unter anderem auch Helfer von Dumoulin und Quintana, wieder aufschließen konnten. Philip Deignan hat seine Arbeit in der Spitzengruppe derweil verrichtet und ließ sich zurückfallen. Der Umbrailpass begann und alles wartete auf die Attacke von Nairo Quintana. Doch sie kam noch nicht. Stattdessen erhöhten die Teams Katusha-Alpecin, Orica-Scott und Bahrain-Merida das Tempo für ihre Kapitäne Ilnur Zakarin, Adam Yates und Vincenzo Nibali. Derweil lösten sich Steven Kruijswijk, Jan Hirt und Mikel Landa aus der Spitzengruppe. Plötzlich sahen die Zuschauer die Maglia Rosa am Straßenrand. Tom Dumoulin warf sein Rad zur Seite und entledigte sich seiner Kleidung. Vermutlich hatte der Niederländer mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen. Sein Teamkollege Laurens Ten Dam wartete auf seinen Kapitän, konnte ihm bei der Aufholjagd jedoch nicht mehr helfen und flog zurück.
Mikel Landa übernimmt das Bergtrikot
Tom Dumoulin kämpfte sich den Umbrailpass allein nach oben. Sein Rückstand betrug rund 1:15 Minuten. Diesen konnte er überraschenderweise konstant halten. Zwar gab es vorn keine Attacken, doch gewartet haben seine Kontrahenten natürlich auch nicht. Franco Pellizotti (Bahrain-Merida) führte die Gruppe der Favoriten näher an das Führungstrio heran. Als der 39-jährige Italiener aus der Führung ging, attackierte sein Teamkollege Vincenzo Nibali. Der Titelverteidiger setzte sich gemeinsam mit Nairo Quintana, Domenico Pozzovivo (Ag2r) und Ilnur Zakarin ab. Durch diese Tempoverschärfung wuchs der Rückstand von Dumoulin weiter an. Derweil löste sich ganz vorn Mikel Landa von seinen beiden Begleitern. Der Spanier sicherte sich die Bergpunkte und wird damit morgen im Bergtrikot an den Start gehen. Den Etappensieg hatte er jedoch noch nicht sicher. Das Quartett sammelte nach und nach Kruijswijk und Hirt ein. Am Gipfel hatten sie auf Landa nur noch einen Rückstand von ca. 15 Sekunden.
Vincenzo Nibali gewinnt – Tom Dumoulin verteidigt Rosa knapp
Etwas mehr als zwei Minuten später kam auch Tom Dumoulin oben an. Mikel Landa wehrte sich in der Abfahrt tapfer, um den knappen Vorsprung auf das Quartett zu verteidigen, doch der starke Abfahrer Vincenzo Nibali konnte den Anschluss herstellen. Dahinter hatten in dieser langen Abfahrt alle Fahrer allein mit der enorm hohen Geschwindigkeit zu kämpfen. Auch Tom Dumoulin konnte ein solch hohes Tempo nicht auf den Asphalt bringen und verlor Sekunde um Sekunde auf seine Konkurrenten. Landa und Nibali kamen gemeinsam im Zielort Bormio an. Die beiden ehemaligen Mannschaftskameraden sprinteten den Etappensieg auf der kurvigen Strecke aus. Vincenzo Nibali setzte sich durch und sorgte damit für den ersten italienischen Erfolg beim diesjährigen Giro d’Italia. Quintana verlor als Dritter lediglich 12 Sekunden, Pozzovivo 24 und Zakarin 34. Tom Dumoulin verteidigte die Maglia Rosa knapp und kam 2:16 Minuten hinter dem Etappensieger ins Ziel.
Das Ergebnis der 16. Etappe des 100. Giro d’Italia 2017
Platz | Fahrer | Land | Team | Zeit |
---|---|---|---|---|
1. | Vincenzo Nibali | Italien | Bahrain-Merida | 6:24:22 |
2. | Mikel Landa | Spanien | Sky | st |
3. | Nairo Quintana | Kolumbien | Movistar | +0:12 |
4. | Domenico Pozzovivo | Italien | Ag2r | +0:24 |
5. | Ilnur Zakarin | Russland | Katusha-Alpecin | +0:34 |
6. | Davide Formolo | Italien | Cannondale-Drapac | +1:26 |
7. | Bauke Mollema | Niederlande | Trek-Segafredo | +1:35 |
8. | Bob Jungels | Luxemburg | Quick-Step Floors | st |
9. | Adam Yates | Großbritannien | Orica-Scott | st |
10. | Thibaut Pinot | Frankreich | FDJ | st |
Die Gesamtwertung des 100. Giro d’Italia 2017 nach 16 von 21 Etappen
Platz | Fahrer | Land | Team | Zeit |
---|---|---|---|---|
1. | Tom Dumoulin | Niederlande | Sunweb | 70:14:48 |
2. | Nairo Quintana | Kolumbien | Movistar | +0:31 |
3. | Vincenzo Nibali | Italien | Bahrain Merida | +1:12 |
4. | Thibaut Pinot | Frankreich | FDJ | +2:38 |
5. | Ilnur Zakarin | Russland | Katusha-Alpecin | +2:40 |
6. | Domenico Pozzovivo | Italien | Ag2r | +3:05 |
7. | Bauke Mollema | Niederlande | Trek-Segafredo | +3:49 |
8. | Bob Jungels | Luxemburg | Quick-Step Floors | +4:35 |
9. | Steven Kruijswijk | Niederlande | LottoNL-Jumbo | +6:20 |
10. | Adam Yates | Großbritannien | Bahrain-Merida | +7:00 |