Test: Das Propain Hugene ist das erste 29″ Rad im Portfolio des Direktversenders mit Sitz in der Nähe von Ravensburg. Das Trailbike mit Carbonrahmen bietet 130mm Federweg im Heck und einer trailtauglichen Ausstattung, die sich jeder Kunde individuell zusammenstellen kann. Wir haben das Bike im Rahmen des Bike Festivals in Riva getestet.
Unter den deutschen Direktversendern steht die kleine MTB-Schmiede Propain aus dem Südwesten Deutschlands zwar im Schatten der großen Namen, doch konnte man sich in den letzten Jahren dennoch eine begeisterte Fanbase aufbauen. Dabei möchte man auch gar nicht im Konzert der Zweirad-Riesen mitspielen, sondern konzentriert sich lieber auf andere Qualitäten: Schneller und unkomplizierter Kundenkontakt und individuelle Ausstattungsvarianten stehen hier ganz weit oben auf der Agenda.
Mit dem Hugene präsentierte man in diesen Tagen nun das erste 29″ Bike in der Geschichte von Propain. Das Rad kommt mit spritzigen 130mm Federweg im Heck und 140 bzw. 150mm vorn und liegt damit voll im Zeitgeist. Ein modernes Trailbike wie es sich viele Biker wünschen: Irgendwo zwischen Tourenrad und Enduro, zwischen entspanntem Flowtrail und Steinfeldgeballer. Das Propain Hugene wird ausschließlich mit Carbonrahmen erhältlich sein – zu Preisen ab 3.099€.
Propain Hugene – Der Rahmen
Propain-Fans wird direkt zu Beginn auffallen, dass man beim Carbonrahmen des Hugene einerseits zwar am bewährten Pro10 Hinterbau festhält, die gesamte Umlenkung inklusive Dämpfer jedoch ins Rahmendreieck zieht. Bei anderen Rädern wie dem Enduro Tyee sitzt der Dämpfer noch hinter dem Sitzrohr. Das Problem: Hätte man die bewährte Dämpferposition hinter dem Rahmendreieck beibehalten, wären die Kettenstreben aufgrund der großen Laufräder extrem in die Länge gewachsen. Der „Dämpferumzug“ hat außerdem den Vorteil, dass der reelle Sitzwinkel beim Hugene ein gutes Stück steiler ausfällt wie beispielsweise beim Tyee, was besonders Langbeiner freuen dürfte.
Auch vom Hinterbau abgesehen steckt im Hugene Rahmen eine Menge Hirnschmalz und viel Liebe zum Detail. An allen wichtigen Stellen wie am Unterrohr oder an der Kettenstrebe sind ab Werk Rahmenschützer aufgebracht, die intern verlegten Züge laufen in dicken Schaumstoffhüllen und klappern so auch bei heftigem Gerüttel nicht. Apropos Leitungsverlegung: Am Unterrohr erspähen wir auch einen Leitungsausgang für einen optionalen Dämpferlockout. Flaschenhalter-Fans dürfen sich außerdem über viel Platz im Rahmendreieck für die Trinkflasche freuen.
Sämtliche Rahmenlager werden beim Hugene außerdem durch eine zusätzliche Lagerabdeckung samt Dichtlippe vor Schmutz und Dreck geschützt, damit man auch lange Freude am Rad hat und nicht alle paar Monate die vergammelten Lager wechseln muss. Begrüßenswert ist außerdem die Entscheidung seitens Propain, beim Tretlager trotz Carbon als Rahmenmaterial auf klassisch geschraubte BSA Lager zu setzen – so gibt’s zumindest hier garantiert keine Knarz-Probleme.
Gedanken gemacht hat man sich offensichtlich auch bezüglich der richtigen Geometrie für ein Bike vom Schlage des Hugene. Herausgekommen ist dabei eine interessante Mischung aus teilweise sehr modernen Maßen wie beispielsweise dem langen Reach und eher konservativen Ansätzen wie dem mit 67° eher steilen Lenkwinkel oder der 445mm langen Kettenstreben. Die Gedanken dahinter sind jedoch durchaus nachzuvollziehen: Wäre man dem momentanen Trend zu sehr flachen Lenkwinkeln gefolgt, hätte man dem neuen 29er Propain viel seiner Spritzigkeit genommen. Die langen Streben und der Lenkwinkel sorgen im Uphill für ein sattes Fahverhalten.
Geometrie Propain Hugene
S | N | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 410 | 440 | 470 | 500 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 573 | 601 | 628 | 656 |
Steuerrohr (in mm) | 95 | 105 | 115 | 125 |
Kettenstrebe (in mm) | 445 | 445 | 445 | 445 |
Radstand (in mm) | 1150 | 1179 | 1208 | 1236 |
Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 |
Sitzwinkel (in °) | 74.5 | 74.5 | 74.5 | 74.5 |
Reach (in mm) | 407 | 432 | 457 | 482 |
Stack (in mm) | 605 | 615 | 624 | 633 |
Propain Hugene – Die Ausstattung
Bei der Ausstattung geht man bei Propain einen eigenen, recht individuellen Weg. Bis dato gab es hier wie bei anderen Herstellern auch einige fixe Ausstattungsvarianten und ein „Free“ Modell, das man teilweise selbst konfigurieren konnte. Mit dem Launch des Hugene im Sommer wird sich hier einiges ändern: Man bietet den Kunden zwar nach wie vor drei Modellvarianten zum Kauf an, doch sind diese nicht mehr als ein Ausstattungsvorschlag. Im Klartext: Jeder kann sich sein Propain Bike künftig komplett selbst konfigurieren.
Damit einhergehend wird es künftig auch deutlich mehr Auswahl bei den Komponenten geben: Bei den Fahrwerken gibt’s neben den RockShox und Fox an der Front auch die Option auf eine Formula Selva. Während man bisher bei den Variostützen nur die Wahl zwischen einer Alustütze und der BikeYoke Revive hatte, kommen hier zukünftig noch die Kind Shock LEV und die Fox Transfer hinzu. Auch bei den Laufrädern gibt’s viel Auswahl: Von Stan’s kann man zwischen der Flow S1, der Flow MK3 und der leichten Arch MK3 wählen. Zusätzlich können sich Kohlefaser-Fans auch einen leichten Reynolds BL Enduro Carbon LRS konfigurieren.
Unser Testbike des Propain Hugene entsprach überwiegend der edelsten Ausstattungsvariante, die es für 6.399€ zu kaufen geben wird. Zum Fox Factory Fahrwerk bestehend aus 36er RC2 mit 150mm in der Front und DPX2 im Heck gesellt sich eine MT7 Bremse von Magura und ein kompletter Sram XX1 Eagle Antrieb. Bei den Laufrädern war anstelle der Reynolds BL Enduro bei uns ein Satz mit Stan’s Flow MK3 Felgen verbaut. Insgesamt auf jeden Fall ganz schön auf Abfahrt getrimmt und weit weg von zahmem Tourenrad. Dazu passen auch die Magic Marry Reifen vorn und hinten (!).
Propain Hugene Ausstattungsvorschläge
Start | Bestseller | Highend | |
---|---|---|---|
Gabel | Formula Selva | RockShox Pike RCT3 | Fox 36 Factory RC2 |
Dämpfer | RockShox Deluxe RT | RockShox Super Deluxe RC3 | Fox DPX2 Factory |
Antrieb | Sram GX Eagle | Sram X01 Eagle | Sram XX1 Eagle |
Bremsen | Formula Cura | Sram Guide RSC | Magura MT7 |
Laufräder | Stans Flow S1 | Stans Flow MK3 | Reynolds BL Enduro |
Preis | 3.099€ | 4.099€ | 6.399€ |
Propain Hugene – Auf dem Trail
Im Trail-Mekka am Gardasee gibt es unzählige Möglichkeiten, ein Bike vom Schlage des Hugene auf eine richtige Probe zu stellen. Wir entschieden uns für den Val del Diaol – ein waschechter Enduro-Trail mit einer spaßigen Mischung aus fordernden natürlichen Abschnitten voller Felsen und Wurzeln und gebauten Passagen mit schnellen Anliegern und dem einen oder anderen Sprung.
Bevor es jedoch auf den Trail ging, musste das Hugene erst einmal zeigen, wie es sich im zähen Uphill auf Asphalt so schlägt. Auffällig war dabei der extrem effiziente Hinterbau, der auch bei komplett geöffnetem Dämpfer nur minimal wippte. Der Lockouthebel des DPX2 ist übrigens dank der neuen Dämpferposition ganz gut zu erreichen – aber wie gesagt: Wir haben ihn eigentlich nicht gebraucht. Dank der langen Streben mussten wir auch an steilen Rampen nicht zu weit nach vorn rutschen, um das Vorderrad am Boden zu halten.
Das Bike wusste also gleich zu Beginn in einer Disziplin zu glänzen, wo wir eigentlich seine Schwächen vermutet hätten. Und auf dem Trail? Vollgas! Gleich zu Beginn knallt das Hugene seelenruhig über ein steiles Steinfeld und schlägt sich besser als so einige Enduros, die wir in der Vergangenheit zum Test hatten. Das Fahrwerk schluckt extrem viel weg – dank des sehr effizienten Hinterbaus fühlt es sich trotz eines Federwegunterschieds von 20mm keinesfalls unausgewogen an. Die Magura Bremsen sind gut dosierbar, packen aber falls gewünscht mit brachialer Gewalt zu. Dank der Magic Marry Reifen mit stabiler Apex Karkasse bleiben wird von Durchschlägen verschont und haben auch bei leicht feuchten Bedingungen genügend Grip.
Die Sitzposition ist perfekt – der lange Hauptrahmen bietet viel Bewegungsfreiheit um das Körpergewicht verlagern zu können und dank der langen Kettenstreben bekommt man sehr viel Laufruhe. Da der Radstand auch wegen des 67er Lenkwinkels schön kompakt bleibt, schlägt sich das Hugene auch in engen Passagen sehr gut. Apropos Lenkwinkel: Wir hatten erwartet, dass das Propain deshalb etwas an seine Grenzen stößt, wenn es steil und technisch wird. Aber – weit gefehlt. Auch hier machte die Trailrakete aus Carbon extrem viel Freude und fühlte sich sehr sicher an.