Sieger werden im Winter gemacht – die Saisonvorbereitung ist grundlegend für eine gute Saison, das ist nichts Neues. Nach dem ersten Jahr der Enduro World Series kann man förmlich zusehen, wie die Enduro-Gemeinde wächst. Mittlerweile kann man als guter Endurofahrer von seinem Sport leben und den Winter mit etlichen Trainingseinheiten spicken. Neben dem reinen Athletik- und Grundlagentraining spielt dabei vor allem die Fahrtechnik eine entscheidende Rolle. Mit Petrik Brückner haben wir den derzeit schnellsten, deutschen Enduro-Piloten zu seinem ersten Trainingslager nach Finale Ligure begleitet.
Finale Ligure ist schon lange kein unbekannter Fleck mehr auf der Enduro-Landkarte. Mit der Superenduro-Serie konnte man vor wenigen Jahren den Grundstein für die Disziplin legen und diese richtungsweisend prägen. Was aber Finale so besonders macht, sind die vielen, technisch anspruchsvollen Trails und das meist gute Wetter.
„Es ist einfach ein Enduro-Mekka und die Bedingungen sind perfekt, um sich auf die neue Saison vorzubereiten. Der Fokus des ersten Trainingslagers lag aber vor allem auf dem neuen Rad. Ich musste das Slide erst einmal kennenlernen und auf Herz und Nieren testen. Dafür ist Finale der perfekte Ort.“
Anfang Februar brachen wir in Richtung Mittelmeer auf. Obwohl wir einen sehr milden Winter hatten und man sich jederzeit auf’s Rad schwingen konnte, waren wir heiß darauf, dem Alltag zu entfliehen.
Allerdings sollte uns das Wetter dabei nicht gnädig sein. Die Schweizer Berge waren meterhoch mit Schnee bedeckt und auch als wir die italienische Grenze passierten, kam nicht die erhoffte Sonne zum Vorschein. Der Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch. Schließlich hatten wir uns kleidungstechnisch für den Fall der Fälle auf regnerische Tage eingestellt. Nach knapp zehn Stunden im Auto erreichten wir unsere Unterkunft. Direkt in Finale sollte die Residenza Adelaide unser Basislager und Ausgangspunkt für ausgiebige Touren sein. Der erste Ausflug ging jedoch erst einmal an den Strand.
Das Ziel für das Trainingscamp war schlicht und weg so viel Rad zu fahren, wie möglich. Für Petrik hieß es zudem das richtige Set-Up zu finden. Dank des neuen Bike-Sponsor Radon sitzt er erstmals in seiner Karriere auf einem Carbon-Enduro.
Das Wintertraining sollte sich bezahlt machen. Die erste Ausfahrt führte uns auf den Bric Gettina, einen sehr beliebten Berg, der etwas im Inland liegt und unzählige, flowige Trails aufweist. Schon bei dem ersten Uphill zog Petrik davon. Knapp 800 Höhenmeter am Stück zollten ihren Tribut, bei mir zumindest. Am Traileinstieg angekommen, legte Petrik seine Kette auf rechts. Es ist bemerkenswert, nach einem derart langen Anstieg mit voller Konzentration und Druck auf dem Pedal anspruchsvolle Trails zu fahren. Doch genau das macht einen guten Endurofahrer aus.
Mit dem ersten Trail in den Beinen, wagten wir uns schließlich an die Strecken der Enduro World Series (EWS), die zur absoluten Creme de la Creme des europäischen Enduro-Netzes zählen. Petrik konnte hier im vergangenen Jahr als bester Deutscher den 33. Platz belegen und war lediglich eine Minute von den Top10 entfernt. Er kennt die Trails mittlerweile ziemlich gut und konnte uns dadurch die eine oder andere spannende Linie zeigen. Vor allem das große Steinfeld, welches im letzten Jahr einen legendären Ruf erhielt, ließ Platz für Variationen. Während Petrik sein Rad einfach laufen ließ und direkt hinein sprang, suchte der Rest unserer Gruppe zunächst etwas einfacher zu fahrende Linien.
Das Gemeinschaftsgefühl ist beim Enduro einer der schönsten Aspekte. „Es ist doch immer noch am coolsten mit seinen Freunden ein großen Loop zu fahren. Die Transfers sind meist saulustig, doch sobald es auf den Trail geht, wird Vollgas geballert.“ Und genau so sollte es in den folgenden Tagen kommen. Die Touren wurden ausgedehnter und wir saßen jeden Tag knapp vier Stunden im Sattel. Dass sich Petrik danach nochmals satte 500 Höhenmeter gab, kam nicht selten vor.
„Es ist faszinierend zu sehen, wie er sich entwickelt hat. Man kennt ihn von früher, aus unseren Anfangszeiten, und jetzt verdient er mit Radfahren sein Geld und lebt seinen Traum. Ich weiß nicht, ob ich mich jeden Tag motivieren könnte für vier bis fünf Stunden auf dem Rad, um meine Einheiten zu fahren“, kommentiert Petriks Trainingspartner Frank Hedwig aus Ilmenau die Entwicklung des Thüringers.
Gegen Ende unseres Trainingscamps traute sich die Sonne dann doch noch die Wolken zu durchbrechen. Zeit, um Bilder zu machen und die Abwechslung zu genießen. Wir fuhren nach Varigotti, um hier die Trails zu rocken. Der Blick auf’s Mittelmeer trug dabei ein Übriges zu unserer Laune bei. Den tag ließen wir mit einem kühlen Bier am Strand und einer leckeren italienischen Pizza ausklingen.
Die Sonne konnte diese Laune jedoch nicht wirklich mit uns teilen. Bereits nach einem Tag verabschiedete sich wieder. Im strömenden Regen fuhren wir bis auf den Gipfel des Bric Gettina. 1300 Höhenmeter am Stück klangen einfach zu verlockend. Der Trail beginnt mit einem ausgewaschenen Forstweg und wird von Kurve zu Kurve technischer, an Flow verliert er dabei jedoch nicht. Überall gibt es kleine Kicker an denen man abziehen kann und ordentlich Luft unter die Räder bekommt. Auch wenn die Hosen und Schuhe nach wenigen Minuten bis auf den letzten Quadratmillimeter durchnässt waren, hatten wir ein Riesenspaß.
Den letzten Tag am Mittelmeer nutzten wir zu einer Erkundungstour. Im Rahmen des Camps hatten wir immer wieder neue Einstiege zu uns unbekannten Trails gesehen. Diese wollten wir uns zum Abschluss näher anschauen – Enduro eben. In Varigotti wurden wir dabei für unseren Abenteuergeist auch belohnt und fanden einen sehr schnellen, flowigen Trail.
„Das ist genau das, was Enduro ausmacht. Man erkundet auf seinem Fahrrad neue Gegenden, neue Trails und genießt die Zeit mit seinen Freunden. Das ist der Grundgedanke von Mountainbiking.“