Nach der Weltmeisterschaft XCO in Andorra/Vallnord steht für mich ein neues Projekt an: die SWISS EPIC.
Dieses Etappenrennen besteht aus einem Prolog und 5 Etappen:
- Prolog 13km/840hm
- Etappe 1 95km/3100hm
- Etappe 2 63km/3000hm
- Etappe 3 93km/3100hm
- Etappe 4 88km/3300hm
- Etappe 5 60km/2400hm
Insgesamt 360km und 12.500hm in sechs Tagen! Meine Teampartnerin ist Sally Bigham vom Topeak-Ergon Team. Ich bin in diesem Team sozusagen „Gastfahrerin“ und sehr glücklich und dankbar meinem Team BH-SR Suntour-KMC gegenüber, diese Möglichkeit zu bekommen! Die Swiss Epic hat UCI SHC-Status und ist deshalb für mich u.a. sehr reizvoll, um im UCI-Ranking wichtige Punkte zu bekommen.
Da diese Paarung mit Sally erst sehr kurzfristig zustande gekommen ist, wird es für uns beide eine echte Challenge werden. Zum einen das Rennen an sich und zum anderen wie wir beide zusammen als Team funktionieren werden. Sally ist Profisportlerin im Marathon und in Etappenrennen und ich komme ja aus dem Crosscountry-Berich. Was für eine interessante Paarung. Ich freue mich sehr darauf. Ich denke, wir können beide von den Stärken der anderen profitieren. Sally bringt die notwendige Erfahrung und Ausdauer mit – ich die Härte!
Wir müssen beide in den selben Trikots das Rennen bestreiten, das ist im Reglement so vorgeschrieben. Eine nicht ganz leichte Aufgabe die Erwartungen unserer Teams Sponsoren gerecht zu werden. Pünktlich am Freitag sind die Trikots fertig und am Samstag mache ich mich auf den Weg zum Startort Verbier.
Früh abends angekommen treffen Sally und ich das erste Mal echt zusammen. Wir verstehen uns gleich zu Beginn gut. Unterhalten uns viel bei einem langen Abendessen. Für uns ist beide klar, dass dieses Projekt ein guter Test werden wird, wie wir zusammen funktionieren. Wir sind beide sehr motiviert. Top 2-3 ist ein klares Ziel, aber wir setzten uns nicht unter Druck. Mit Annika Langwad und Arianne Kleinhans (Gewinnerinnen Cape Epic 2014/2015 & Swiss Epic 2015) haben wir auf jeden Fall zwei sehr starke Konkurrentinnen.
Am Sonntag starten wir bei leichtem Nieselregen, um den Prolog-Kurs mit dem Bike abzufahren. Sally auf ihrem Fully und ich auf meinem Hardtail! Der Kurs hat es in sich. Bereits anspruchsvolle Höhenmeter zu Beginn. Der letzte Downhill ist Bikepark-Strecke. Ein sehr technischer und schöner Prolog-Kurs! Wir sind vorbereitet und die Vorfreude auf die Swiss Epic steigt.
Um die Mittagszeit reißt plötzlich der Himmel auf, die Regenwolken verschwinden innerhalb von Minuten und endlich haben wir ein unglaublich schönes Panorama vor uns. Willkommen in Verbier. Unseren Nachmittag verbringen wir in unserem mit sehr viel Stil eingerichteten Hotelzimmer. Wie so oft verfliegt die Zeit. Zwischenzeitlich ist das komplette Team Ergon-Topeak angereist und ich kann endlich alle kennen lernen! Männer-Team, Teammanager, Physio, Mechaniker und Physio-Mechaniker-Koch-Mann!
Abends steht ein kurzes Briefing an. Abendessen. Schlafen.
Prolog – 13km/840hm Verbier – Verbier
Der Montagmorgen fängt ruhig an. Sally und ich haben erst um 12:18Uhr Start. Wir genießen unser Frühstück bevor wir uns für den anstehen Prolog fertig machen.
Auf der Startrampe kommt die Nervosität. Gleich zu Beginn geht es in den ersten Anstieg. Ich fühle mich nach einer sehr ruhigen Trainingswoche voller Power! Sally hat mehr Mühe das Tempo zu halten. Ich muss mich zurück halten und Vvrsuche das Tempo am Berg zu kontrollieren und in den Downhills eine sichere Linie zu fahren. Wir landen auf dem 2. Platz und haben eine gute Ausgangsposition für die kommenden Etappen. Für mich eine neue Erfahrung im Rennen auf den Partner zu schauen. Es war fast vorhersehbar, dass ich beim Prolog die Stärkere sein werde und ich werde sicherlich in den kommenden Etappen davon profitieren, noch nicht am Limit gewesen zu sein! Denn Sally wird die Stärkere über die Länge sein!
Der Nachmittag dient zur Entspannung und Massage. Die kommenden Etappen starten um 8Uhr!
Der Wecker klingelt um 5:30Uhr. Aufstehen und frühstücken. Fast im Dunkeln geht es nach einem kurzen Aufwärmen an die Startlinie. Startschuss. Los geht’s!
1. Etappe – 95km/3100hm Verbier-Leukerbad
Erste Stage mit Sally. Wir finden gleich einen guten Rythmus. Ich fühle mich am Berg sehr stark, habe aber sehr viel Respekt vor den letzten Kilometern, um nicht einzubrechen. Annika und Arianne können sich gleich von Beginn an von uns absetzen. Einfach ein unglaublich hohes Tempo, das die beiden anschlagen. Doch am zweiten Berg fahren wir auf die Paarung auf und versuchen einen kleinen Vorsprung in den Downhill mitzunehmen. Aber wir sind ähnlich stark und somit sind wir zu etliche Kilometer zusammen. Das wird heute ein spannendes Duell werden! Wir schenken uns fast nichts.
Dann erleidet Arianne jedoch einen Plattfuß im Downhill. Unsere Chance! Tempo hochhalten. Die letzten 10km Aufstieg zum Ziel. Baaam! Der Mann mit dem Hammer ist schneller da, als mir lieb ist! Zu wenig gegessen und der Hungerast ist gnadenlos! Ich kann das Tempo von Sally nicht mehr mitgehen. Ich versuche alles, doch der Unterzucker ist auch mit einem Gel nicht mehr zu retten. Ich kämpfe und leide. Annika und Arianne kommen näher. Einen Kilometer vor Ziel sind wir eingeholt und ich habe nichts mehr übrig, um die Attacke zu kontern. Etappensieg um wenige Sekunden verfehlt! Ich bin so kaputt, dass ich vom Ziel direkt zum Teamzelt fahre. Kein Ausfahren heute. Erst einmal was essen. Die erste Lektion habe ich direkt bei der ersten Etappe bekommen. Genug gelernt für die restlichen vier Etappen! Duschen & Erholung! Massage!
Auf dem kurzen Fussweg durch Leukerbad zur Siegerehrung bekomme ich das erste Mal die Umgebung mit. Schönes kleines Schweizer Örtchen mit imposantem Bergpanorama drumherum!
Abendessen. Schlafen. Ich schlafe wie ein Stein!
2. Etappe – 63km/3000hm Leukerbad-Leukerbad
Heute morgen ist es sehr windig. Gewitter ist angekündigt. Der Morgen liefert uns ein dramatisches Naturschauspiel. Die Wolken ziehen schnell und der Wind ist abwechselnd warm und kalt. Ich hoffe das Wetter hält! Start.
Wie gestern startet die Etappe mit einem langen Berg bevor es in eine schöne Trailabfahrt geht. Durch den Regen in der Nacht sind die Wurzel- und Wiesenpassagen sehr rutschig. Bremsen offen halten und gute Linien suchen. Zweiter Berg. Sally und ich fahren auf Annika und Arianne auf. Jetzt kommt die Revanche für gestern. Ich fühle mich stark und starte die Attacke. Sally an meinem Hinterrad. Wir bekommen schnell eine Lücke und halten das Tempo hoch. Unglaublich starke Sturmböen auf dem steilen ruppigen Schotterweg. Die Strecke geht in einen sehr steilen Singletrail-Uphill über bevor es in den technischen Downhill geht. Auf meinem Hardtail muss der ganze Körper im Downhill so sehr arbeiten, dass ich keine Zeit bekomme auszukühlen!
Wir versuchen nicht volles Risiko zu gehen und konzentrieren uns auf eine gute Linienwahl. Bloß keinen Defekt jetzt! Nächster Anstieg. Vollgas. Ich habe einen guten Tag und kann mich ein wenig für meinen Einbruch von gestern revanchieren. Heute gehts mit einem Downhill Richtung Ziel. Erster Etappensieg für uns. Aber noch überraschender ist unser Vorsprung! Wir sind ins Leader-Trikot geschlüpft. Dopingkontrolle. Essen am Teamzelt. Überglücklich genießen wir unseren Nachmittag in Leukerbad. Egal was kommt, morgen geht’s erst mal im gelben SwissEpic-Trikot nach Grächen! Siegerehrung. Massage. Essen. Schlafen.
3. Etappe – 93km/3100hm Leukerbad-Grächen
Heute erwartet uns zuerst ein gruppiertes Gelände bevor es in den ersten technischen Downhill geht. Vor uns liegt eine ca. 15km lange Flachpassage. Das gehört nicht unbedingt zu meinen Favoriten-Stücken. Sally macht das Tempo auf der langen Flachgeraden mit Gegenwind. Mein Körper fühlt sich nicht wirklich gut. Die vielen Tempoarbeiten von gestern machen sich bemerkbar!
Nach der endlosen Geraden startet der erste lange Anstieg auf Teerstraße. Dieser ist nahezu genauso endlos wie die Flachpassage. Heute ist einfach nicht mein Tag. Der kommende Singletrail ist wie jeder Downhill super. Technisch wird vieles von uns Bikern abverlangt. Meine Muskeln schmerzen vor Müdigkeit und von den ganzen Schlägen, die abzufangen sind! Als wir im letzten langen Teer-Anstieg sind, ist für mich die einzige Motivation bald im Ziel zu sein!
Nach 5:20h Fahrzeit erreichen wir als ersten Damen-Team das Ziel! Was für eine harte Etappe. Die feucht-nasse Kälte hat mir ganz schön zu kämpfen gemacht auf den letzten Kilometern.
Nach der Dopingkontrolle essen wir am Teamzelt bevor es zum Hotel unter die heiße Dusche geht. Ich dusche ausgiebig und lege mich zuerst ins Bett! Wir hatten noch Glück mit dem Wetter, denn inzwischen hat es angefangen zu regnen! Nachdem es mir etwas besser geht, beginne ich den restlichen Tag zu genießen. Der kleine idyllische Schweizer-Ort ist größtenteils autofrei und wird mit Elektrotaxis befahren. Der Ort ist allerdings so klein, dass wir alles problemlos zu Fuß erreichen können. Es hat aufgehört zu regnen und die Wolken verziehen sich. Endlich können wir die umliegenden 4-tausender Berge sehen und das kleine Örtchen bewundern. Siegerehrung. Wir haben unser Vorsprung ausbauen können. Massage. Essen. Schlafen.
4. Etappe – 88km/3300hm Grächen-Grächen
Im Leader-Trikot ist unsere Taktik: All-Inn! Startschuss und das Tempo von Start bis Ziel hoch halten.
Inzwischen sind wir ein eingespieltes Team und wir funktionieren sehr gut zusammen. Wir fühlen uns beide gut und unterstützen uns gegenseitig! Das Leder-Trikot ist unser Ziel! Wir gehen beide an unser Limit. Geben Vollgas in den Uphills und konzentrieren uns auf eine sichere und schnelle Linienwahl in den Downhills! Da jeder Downhill andere Fähigkeiten fordert ist das eine große Herausforderung! Erneuter Etappensieg! WOW!!!
Essen und so schnell als möglich unter die heiße Dusche. Die kalten Temperaturen ziehen noch mehr Energie, als ohnehin schon benötigt wird! Bei einem heißen Cappuccino mit Sally entspannen wir ein wenig bevor es erneut zur Siegerehrung geht. Kleiner Fußmarsch durch die idyllischen Straßen von Grächen. Massage. Abendessen. Morgen letzte Etappe!
5. Etappe – 60km/2400hm Grächen-Zermatt
Unser Vorsprung beträgt bereits über 30 Minuten auf die Zweitplatzierten. Heute wollen wir die Etappe genießen und auf Sicherheit fahren. Das Highlight soll bei dieser Etappe der Blick auf das Matterhorn sein. Hoffentlich lässt das Wetter dieses Spektakel zu!
Bei ca. 4 Grad starte ich mein kurzes Aufwärmprogramm auf der Rolle. Es wird so langsam an hell. Die Wolken und der Frühnebel verschwinden und der blaue Himmel kommt bereits zum Vorschein. Der Startschuss fällt um 8 Uhr! Meine Beine brennen. Zum Glück ist heute die letzte Etappe.
Die Etappe startet nach einen kurzen und sehr steilen Aufstieg in einen Singletrail. Der erste Downhill ist grandios. Über Wurzeln und Steine schlängelt sich der Trail hinunter und auch der erste kleine Aufstieg ist sehr technisch über nasse und glatte Wurzeln. Kurze Flachpassage bevor es in den ersten langen Aufstieg geht. Dann unser Highlight Blick auf das Matterhorn. Sally und ich vergessen kurzzeitig die ganzen Schmerzen und genießen den Ausblick. Mit einem Lächeln im Gesicht genießen wir jeden Blickkontakt, der uns auf dem nach oben schlängelnden Schotterweg ergibt. Der Aufstieg ist lange. Am höchsten Punkt angekommen erwartet uns bereits ein schöner Singletrail entlang eines kleines Bergsees. Die letzte Verpflegungsstelle liegt hinter uns. 15km zum Ziel.
Der letzte Downhill ist fast der anspruchsvollste der ganzenTage. Wurzeln und Steine in einem steilen Gefälle. Geile Etappe. Nach dem letzten Aufstieg haben wir eine schmale Hängebrücke zu überqueren. Ich genieße jetzt jeden Kilometer. Wir sind im Ziel. Etappensieg und Sieger der SWISS EPIC. Eines der härtesten Etappenrennen. Unglaublich schönes Gefühl. Kaputt und überglücklich fallen wir uns in die Arme. Kurzes Interview. Dopingkontrolle. Im Liegestuhl genieße ich im Sonnenschein das Bergpanorama und Blick zum Matterhorn in Zermatt!
Nach einer kurzen Stärkung und ausgiebigen Dusche geht’s zur Siegerehrung. Wir bekommen jetzt endgültig unser Leader-Trikot übergestriffen und genießen die Sektdusche :-)!
Am Abend ist eine grandiose Abschlussparty organisiert. Sehr spezielles Ambiente mit delikatem Fingerfood, guter Musik und Abendprogramm! Der Sieg wird gefeiert und wir können auf eine perfekte Woche zurückblicken.