Radsport: Max Walscheid hat seine zweite Profi-Saison hinter sich gebracht. Für das deutsche Team Sunweb stand der Sprinter bei zahlreichen Rennen am Start. Wir hatten die Möglichkeit, mit dem 24-Jährigen über die abgelaufene Saison und die Zukunft zu diskutieren.
„Sprinter sollen Ergebnisse liefern.“
Hallo Max, du hast jetzt deine zweite vollständige Saison in der WorldTour hinter dir. Wie hat sich das zweite Jahr von der ersten Saison für dich unterschieden?
„2016, mein erstes Jahr, war durch Bein- und Handbrüche aus dem Trainingsunfall im Januar sowie eine Lungenentzündung im Sommer mehr als turbulent. 2017 blieben mir solche Rückschläge zum Glück erspart. Ich konnte deutlich konstanter fahren. Dennoch hätte ich mir gerne den ein oder anderen ‚Schnupfen’, gerade in der ersten Saisonhälfte, erspart.“
In einem so starken Team wie Sunweb ist es schwer, auf eigene Rechnung fahren zu dürfen. Wie arrangierst du dich damit, zunächst eher als Helfer zu agieren und nicht immer auf eigene Kappe fahren zu können?
„Als Helfer zu agieren gehört im Radsport dazu. Wir sind ein Team und mir macht es auch Spaß, meine Teamkollegen zu unterstützen. Dennoch habe ich ganz klar als Sprinter unterschrieben. Sicher muss man sich erst einmal als Neo-Profi beweisen. Man fängt bei null an, aber ich werde vom Team als Sprinter aufgebaut und Sprinter sollen Ergebnisse liefern.“
Bei vielen schnellen Leuten reicht es am Ende nicht ganz zum Siegfahrer. Ein Mark Renshaw zum Beispiel musste irgendwann erkennen, dass er der geborene Anfahrer ist. Du bist noch jung. Wie sehen deine Ambitionen aus?
„Ich bin Sprinter und will mich als solcher weiterentwickeln.“
Wann war für dich klar, dass du dich als Sprinter etablieren wirst? Hat dir deine Körpergröße schon den Weg vorgegeben?
„Zu Beginn meiner Radsport-Laufbahn bei den Junioren konnte ich weniger meine Sprintfähigkeiten unter Beweis stellen und mancher sah mich eher als Zeitfahrer. Das lag aber daran, dass ich einfach nicht das Level hatte, bei überregionalen Rennen am Ende noch genug Körner für einen Sprint zu haben. Im Training und frisch war ich allerdings immer sehr schnell und das wusste ich von Anfang an. Es ging immer – und es geht immer noch – darum, frischer ins Finale zu kommen, um dann meine Schnelligkeit zu zeigen.“
Siehst du dich eher als reinen Sprinter, oder auch irgendwann als potentiellen Klassikerjäger?
„Ich denke Rennen wie Paris-Roubaix können mir liegen. Viele Klassiker sind aber aktuell zu schwer. Meine erste Priorität gilt dem Sprint. Wie weit ich dann später bei härteren Rennen komme, wird man sehen, ist aber zweitrangig.“
„Letztlich ging es gut, mit den Erinnerungen umzugehen. “
Im Radsport ist es verdammt schwer, den Sprung von einem Hobby- zu einem Berufsfahrer zu schaffen. Viele jüngere Piloten aus der Rad-Bundesliga geben irgendwann auf, weil sie kein Angebot eines WorldTour-Teams bekommen. Du selbst bist erst relativ spät in den Radsport eingestiegen. Welche Tipps hast du für all diejenigen, die so hart arbeiten und es noch schaffen möchten?
„Internationale Rennen. Es lohnt nicht, sich auf der Rundstrecke oder kleinen nationalen Rennen für einen Vertrag beweisen zu wollen. Einige wenige große Teams kennen sicher die Bundesliga, aber letztlich zählen UCI-Ergebnisse und -Siege, dazu sicher nationale Meisterschaften.“
Anfang 2016 hast du im Trainingscamp mit einigen Teamkollegen einen schweren Unfall erlitten. Fahren diese Bilder nun bei jedem Training im Kopf mit, oder hast du diesen schrecklichen Tag schnell abhaken können?
„Ich hatte vor dem ersten Training nach dem Unfall die Befürchtung, es könne schwer werden, den Unfall zu vergessen, aber letztlich ging es gut, mit den Erinnerungen umzugehen. Insgesamt bin ich aber sicher vorsichtiger geworden. Auch wenn wir bei dem Unfall völlig schuldfrei waren, versuche ich trotzdem Risiken zu vermeiden und gerade im Training die Fehler anderer halbwegs mit einzukalkulieren. 100-prozentig geht das natürlich nie im Straßenverkehr.“
Wie sieht dein Trainings-Alltag aus? Mit welchen Kollegen trainierst du und welchen Einfluss nimmt dein Team?
„Der Einfluss des Teams ist groß. Wir haben alle teaminterne Trainer. Mein Trainer Morten Bennekou steuert in enger Absprache mit mir mein komplettes Training und gibt den Plan vor, wertet aus und analysiert. In der Regel habe ich zwei Krafttrainingseinheiten in der Woche, während der Saison oft nur eine, den Rest mache ich auf dem Rad. Im Straßentraining arbeiten wir sehr individuell mit vielen Intervallen. Kaum eine schnelle Minute ist nicht gesteuert. Um Heidelberg, meinen Wohnort, herum wohnen keine Profis. Sehr gute Trainingspartner können aber auf jeden Fall auch Amateure sein. Viele Grüße an meinen Cousin an dieser Stelle.“
„Ich möchte viele Rennen fahren“
Hast du ein Vorbild, an dem du deine eigene Entwicklung orientierst?
„Letztlich versuche ich mir von jedem Topsprinter etwas abzugucken. Vorbild würde ich ihn nicht nennen, aber trotzdem habe ich mich über ein Lob von Cipollini in der Gazetta dello Sport nach der Tour of Hainan letztes Jahr sehr gefreut.“
Welches Rennen würdest du gerne einmal selbst gewinnen?
„Der Sprinterklassiker schlechthin ist ja der Scheldeprijs, die wichtigste Etappe für Sprinter die auf der Champs-Elysées. Am meisten fasziniert mich als Rennen aber Paris-Roubaix.“
Auch 2018 fährst du für das Team Sunweb. Welche Rennen stehen auf dem Programm und welche persönlichen Ziele hast du dir gesetzt?
„Ein genaues Rennprogramm habe ich noch nicht. Der grobe Plan steht und das Team hat schon eine ziemlich genaue Idee, aber der Kalender ist noch nicht spruchreif. Meine erste Priorität ist aber eher unspezifisch: Ich möchte viele Rennen fahren, bei denen ich am Ende sprinte. Ansonsten ist sicher die erste Aprilwoche mit Schelde und Roubaix wichtig für mich.“