MTB News: Im Jahr 2011 gründete der aus Waldsassen stammende Fahrradhersteller Ghost mit dem Ghost Factory Racing Team ein reines MTB Damen-Team auf Weltklasseniveau. In der Saison 2018 fuhr die Mannschaft von Team Manager Tom Wickles nicht weniger als sieben Siege bei World Cup Rennen ein. Für 2019 wurde das Kader um Barbara Benko (Ungarn), Anne Terpstra (Niederlande), Sina Frei (Schweiz) und Lisa Pasteiner (Österreich) durch die Italienerin Marika Tovo ergänzt. Mit an Bord bei den Rennen ist auch der Weltcup-Fotograf Irmo Keizer, der mit dem Ghost Factory Racing Team rund um die Welt reist. Einen spannenden Blick hinter die Kulissen gewährt der Niederländer mit seinem Bericht über das Weltcup-Rennen in Andorra.
Logistischer Kraftakt
Nachdem das letzte Zelt zusammengebaut ist, bricht das Team zur nächsten Station auf, denn die Saison ist in vollem Gange. Von Waldsassen in der Oberpfalz reist das Team an die verschiedensten Orte dieser Welt. Jedes Mal bedeutet es einen logistischen Kraftakt, der einen enormen Einsatz von allen abverlangt. Wer sich schon immer gefragt hat, welcher Aufwand betrieben wird, um zu einem World Cup Rennen zu kommen, der bekommt hier einen Blick hinter die Kulissen eines professionellen Rennteams.
Vorbereitungen im Hintergrund
Die Vorbereitungen beginnen früher als manch einer denkt. Die Buchungen der Hotels und Flüge erfolgt Monate im Voraus durch Tom, dem Team Manager. Die Unterkunft muss ausreichend Platz für alle bieten – eine Küche zur Vorbereitung der Mahlzeiten und genügend Freiraum, um sich zu entspannen und auszuruhen. Neben dem ganzen Buchungswahn passiert im Hintergrund vieles parallel: Kontaktaufnahme mit Trainern, Bestellung von Ersatzteilen, Meetings, Rechnungen stellen, PR-Arbeit. Insgesamt fällt bei jedem einzelnen Weltcup sehr viel Arbeit an.
Packen und Aufbruch nach Andorra
Eineinhalb Wochen vor dem Rennen kümmert sich Tom darum, dass alle Fahrzeuge gereinigt und gewaschen sind. Anschließend werden sie beladen und überprüft, Packlisten werden erstellt und abgehakt. Fehlende Teile werden bestellt und entweder nach Waldsassen oder direkt zur Rennstrecke geschickt.
Teammechaniker Uwe checkt und reinigt in dieser Zeit jedes einzelne Bike. Für die Bikes aller Fahrerinnen nimmt das ungefähr eineinhalb Tage in Anspruch. Nach der Inspektion checkt er alle Ersatzteile, füllt die Bestände auf oder bestellt bei Bedarf nach. Der Transporter und die Autos werden normalerweise sieben Tage vor dem Event beladen. Abfahrt vom Hauptquartier des Teams in Waldsassen in Richtung Rennstrecke ist am Sonntag. Vor der Abfahrt werden alle Fahrzeuge nochmals gereinigt und gewaschen. Gleichzeitig beginnt Sebi mit dem Packen seiner Physio-Materialien. Massageöle, Verbandskästen und viele weitere wichtige Utensilien müssen geprüft und aufgefüllt werden.
Uwe fährt nach Freiburg und trifft sich dort mit Andy und Sebi, die ihn für den Rest der Reise am Montag begleiten. Die Karawane bricht nach Andorra auf und kommt ungefähr 13 Stunden später am Zielort ein. Team Manager Tom organisiert währenddessen letzte Dinge vom Büro aus, bevor er und die meisten Damen sehr früh mit dem Auto samt Anhänger aufbrechen.
Der Renntag rückt näher
Am Dienstag macht Uwe die Bikes für die Fahrerinnen fertig, damit sie die erste Runde drehen können. Dann beginnt die komplette Mannschaft mit dem Auspacken und der Vorbereitung aller notwendigen Dinge. Das Auspacken der Ausrüstung dauert ungefähr 2 Stunden. Je nach Rennstrecke bauen Andy, Uwe und Tom noch am selben Tag das Fahrerlager auf und obwohl alle mit anpacken, kann der komplette Aufbau von Teambox und Einrichtung der Unterkunft zwischen drei bis sechs Stunden in Anspruch nehmen. Inzwischen hat Sebi in der Unterkunft bereits den Physiobereich eingerichtet und beginnt mit den ersten Behandlungen der Fahrerinnen. Tom kümmert sich um alle Probleme vor Ort, hält die geschäftliche Seite des Teams am Laufen und beantwortet EMails.
Am Mittwoch schaltet jeder einen Gang höher, denn der Renntag rückt näher. Andy kümmert sich um das Frühstück und Tom trifft sich mit Journalisten, Fotografen und Sponsoren. Sebi, Tom, Uwe und Anja (unsere zweite Physiotherapeutin) gehen Lebensmittel einkaufen und bereiten über den Tag hinweg das Essen vor, damit die Rennfahrerinnen stets mit genügend Energie versorgt werden. Sebi und Anja treffen sich mit den Mädels und fragen ab, ob es irgendwelche Schmerzen gibt oder eine Massage erforderlich ist.
Sebi geht mit Andy zur Rennstrecke, stellt sicher, dass die Teambox komplett eingerichtet ist und baut letzte Ausrüstungsgegenstände auf, während sich Andy mit den Fahrerinnen auf die Strecke begibt. Gegen Mittag trifft sich das Team zum gemeinsamen Essen. Danach macht Andy eine Videoanalyse von den Mädels auf der Strecke und wer will, kann nachmittags nochmals eine Runde trainieren. Am Abend gegen 19:00 Uhr kommt das ganze Team zum Abendessen zusammen und bespricht den weiteren Ablauf. Nach dem Essen behandeln Anja und Sebi die Fahrerinnen, während Uwe an den Bikes schraubt. Freizeit bleibt der Crew zwischen 21:00 Uhr und Mitternacht, sollte es allerdings nötig sein, arbeitet jeder in dieser Zeit auch weiter.
Donnerstag vor dem Rennen
Alle stehen früh auf. Das Frühstück für die Mädels wird vorbereitet und Andy klärt mit ihnen ab, ob sie noch einmal trainieren wollen. Zusammen verbringen sie dann ungefähr zwei Stunden auf der Strecke und kehren danach zur Teamunterkunft zurück. Sebi begleitet das Team, besetzt den Boxenbereich und hilft bei Bedarf aus; gleichzeitig bereitet er das Mittagessen zu.
Freitag: Es wird ernst
Uwe baut die Rollentrainer auf, damit sich die Fahrerinnen aufwärmen können. Die Bikes sind in Top-Zustand, wofür Uwe häufig bis tief in die Nacht arbeitet. Ein Wetterumschwung würde zusätzliche Arbeit bedeuten, da andere Reifen aufgezogen werden müssten. Er prüft den Reifendruck aller Bikes und macht einen letzten Check. Nach den Übungen für das Short-Track-Race werden die Bikes gereinigt, geprüft und bei Bedarf nachjustiert. Anja, Sebi und Tom unterstützen das Team vor Ort.
Pünktlich und mit genügend Zeit vor dem Rennen kommt das Essen auf den Tisch, für das Andy schon seit 10:30 Uhr in der Küche steht. Um 12:00 Uhr wird dann serviert. Die Vorbereitung für das XCC Rennen starten erst um 15:30 Uhr. Sobald das Rennen läuft, sind alle auf ihrer Position. Sebi, Tom und Andy helfen in den Warmup-Boxen aus, holen Kühlwesten und helfen den Fahrerinnen nach der Zieldurchfahrt. Nach dem Rennen packen alle zusammen und fahren in die Unterkunft zurück.
Samstag: Letzte Besprechung
Tom geht zum Meeting der Team Manager, um mögliche Probleme mit der Rennstrecke oder dem Austragungsort zu diskutieren. In der letzten Besprechung während des Abendessens wird das Team dann von ihm über Last-Minute-Änderungen informiert. Währenddessen kaufen Anja, Sebi und Andy neue Lebensmittel ein, den restlichen Tag sind sie im Teambereich unterwegs. Mittagessen gibt es dann für alle im Fahrerlager. Kühlwesten und andere wichtige Dinge für Sonntag werden von Sebi vorbereitet. Andy macht mit den Fahrerinnen eine letzte Streckenbesichtigung. Nachmittags bleibt noch Zeit, sich etwas auszuruhen – entweder im Fahrerlager oder in der Unterkunft. Uwe checkt nochmals die Bikes und macht sie race-ready. Beim Abendessen bespricht Tom den finalen Plan und die Besonderheiten des Renntages mit dem gesamten Team.
Der Renntag
Bereits um 6:15 Uhr steht das Frühstück bereit, da der Start für das U23-Rennen schon für 8:30 Uhr angesetzt ist. Das Team verteilt die Aufgaben, denn die Mädels starten sowohl in der Eliteklasse als auch beim U23-Rennen. Andy verlässt die Unterkunft um 7:00 Uhr, um alles vorzubereiten und die Fahrerinnen an der Rennstrecke in Empfang zu nehmen. Sebi übernimmt dabei den Transport und bringt die Mädels von der Unterkunft zur Rennstrecke, außerdem bereitet er alle Trinkflaschen und die Verpflegung für die Rennen vor. Er unterstützt die Fahrerinnen über den Tag hinweg in der Startbox, den Verpflegungs- und Tech-Zonen und im Zielbereich. Am Morgen vor dem Rennen behandeln Sebi und Anja die Fahrerinnen ein letztes Mal. Die Kühlwesten werden vorbereitet, um die überhitzten Körper nach dem Rennen schneller herunter zu kühlen.
Den ganzen Tag über ist Tom präsent und behält den Überblick. Er hilft aus, wenn Not am Mann ist und unterstützt im Start/Ziel-Bereich. Während des Rennens erhalten die Fahrerinnen jede nur denkbare Unterstützung. Jedes einzelne Teammitglied hat seine Aufgabe und hilft bei Bedarf den anderen aus. Die Verpflegungs- und Tech-Zonen sind besetzt, die Fahrerinnen werden vor dem Start mit Westen gekühlt und nach der Ziellinie von den Teammitgliedern in Empfang genommen. Sie versorgen sie mit Getränken und Waschtüchern, spenden Trost oder freuen sich mit den Mädels. Die Siegerehrungen finden nach dem Eliterennen der Frauen statt und anschließend beginnt die Crew um ca. 15:30 Uhr mit dem Abbau des Boxenbereichs.
Vor dem Transport werden die Bikes gereinigt und gegen 18:30 Uhr ist alles verpackt. Die Crew fährt zum Abendessen und zum Feiern in die Unterkunft. Tom bereitet die Fotos auf und postet sie auf allen Social Media Kanälen.
Es geht zurück nach Hause oder zum nächsten Race
Tom schreibt die Pressemeldung und verschickt sie an seine Kontakte. Die Mädels werden zum Flughafen gebracht, während die anderen im Auto die Rückreise antreten … oder direkt zur nächsten Rennstrecke fahren.
Lange Tage und harte Arbeit
Das ist kurz gefasst der Aufwand hinter den Kulissen eines Weltcup-Wochenendes. Jedes Rennen ist anders and die Arbeit, die dahinter steckt, enorm hoch. Obwohl jeder im Team seine eigene Aufgabe hat, unterstützt man sich bei Bedarf gegenseitig. Über das Jahr hinweg ist die Teamleitung mit Verträgen, Sponsoren und sonstigen Aufgaben ausgelastet. Alles in allem leistet das Team eine beeindruckende logistische Leistung – von außen für die meisten nicht sichtbar, aber von unschätzbarem Wert für die Fahrerinnen. Das bedeutet lange Tage und harte Arbeit, aber das Ergebnis ist es wert.