Radsport: John Degenkolb (Lotto – Soudal) gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Klassikerjägern. Als Sieger zweier Monumente, Mailand – Sanremo und Paris – Roubaix, wäre eigentlich genau jetzt die Zeit, um Erfolge zu feiern. Doch was macht der 31-jährige Radprofi aus Oberursel in Zeiten von Corona und dem Ausfall aller Frühjahrsklassiker? Wir haben es im Interview mit John Degenkolb erfahren.
Name: | John Degenkolb |
Geburtstag: | 7. Januar 1989 |
Geburtsort: | Gera |
Wohnort: | Oberursel |
Team: | Lotto – Soudal |
Größte Erfolge: | 1x Paris – Roubaix (2015) 1x Mailand – Sanremo (2015) 1x Gent – Wevelgem (2014) 1x Vattenfall Cyclassics Hamburg (2014) 1x Etappensieg bei der Tour de France (2018) 10x Etappensieg bei der Vuelta a Espana (2012-2015) |
Velomotion: John, du hast vor knapp zwei Wochen bei Paris – Nizza eine super Form gezeigt, war da die Welt noch in Ordnung?
John Degenkolb: Ja, so könnte man es sagen. Eigentlich hätte ich bei Tirreno Adriatico starten sollen, aber da sich damals schon das Coronavirus in Italien ausgebreitet hat, wurde die Rundfahrt abgesagt. Wir haben dann kurzfristig das Rennprogramm geändert und ich bin bei Paris – Nizza gestartet.
Wie war dort die Stimmung im Fahrerfeld?
Eigentlich ganz gut, damals hofften wir noch, dass sich das Coronavirus nicht weiter ausbreiten würde. Als dann die letzte Etappe von Paris – Nizza abgesagt wurde, schlug die Stimmung schlagartig ins Negative um. Es hieß, die Grenzen werden dicht gemacht und wir kommen vielleicht nicht mehr nach Hause – was zum Glück doch noch geklappt hat.
Seither wurde ein Rennen nach dem anderen abgesagt, unter anderem auch dein Lieblingsrennen Paris – Roubaix. Warst du überrascht und enttäuscht über die Absage?
Nein, es hat mich überhaupt nicht überrascht und enttäuscht ist vielleicht das falsche Wort. Ich meine, wir befinden uns gerade alle in einer sehr schwierigen Phase, wo die Gesundheit oberste Priorität hat. Da finde ich es nur verantwortungsvoll, so zu handeln und die Rennen abzusagen. Auch wenn es mich persönlich natürlich frustriert, da die Vorbereitung im Winter sehr gut gelaufen ist und ich mich stark gefühlt habe.
Was machst du denn jetzt mit deiner Form? Wie sieht dein Training aus?
Für mich gibt es nur ein „On oder Off“! Wenn ich jetzt eine Pause einlege, dann geht mein Körper in den Ruhemodus. Ich versuche mich durch ein kontinuierliches und ausgewogenes Training weiter fit zu halten. Wir tappen alle im dunklen, keiner von uns Profis und im Team weiß so richtig, wann es wieder los geht, dementsprechend lässt sich das Training auch für unsere Trainer schwer planen. Letzte Woche hatte ich beispielsweise nur die Trainingsvorgabe 15 Stunden zu trainieren. Ohne Rennen fehlt die Struktur.
Was denkst du, wann geht es wieder los?
Eine schwere Frage, die glaube ich, zurzeit niemand beantworten kann. Es gibt einige die darauf spekulieren, dass der Rennbetrieb Mitte Mai wieder aufgenommen wird. Meine ganz persönliche Meinung: Ich glaube, dass es erst wieder im Spätsommer weitergeht.
Warum?
Na, momentan gibt es doch Wichtigeres als Spitzensport und das wird auch erst einmal so bleiben.
Damit auch keine Tour de France?
Kann ich mir beim besten Willen derzeit nicht vorstellen. Jetzt wo die Olympischen Spiele abgesagt wurden kommt die ASO als Veranstalter unter Druck und wird wohl auch die Tour de France zeitnah absagen. Olympia liegt ja zeitlich nach der Tour de France.
Mit deiner Einschätzung liegst du wahrscheinlich nicht ganz falsch.
Was machst du denn dann jetzt bis zum Spätsommer?
In erster Linie versuche ich gesund zu bleiben, meide soziale Kontakt so gut es geht und trainiere allein. In der freien Zeit werde ich ein paar Arbeiten an meinem Hof verrichten, zu denen ich sonst nicht gekommen wäre. Das Training wird wohl erst einmal so weiterlaufen, bis es absehbar ist wann es weitergeht.
Kannst du die Zeit im Training jetzt dafür nutzen, besondere sportliche Fähigkeiten zu verbessern? Hat dir dein Team ein paar Trainings-Tipps aufgegeben? Einen Tipp, den vielleicht auch unsere Leser jetzt für sich nutzen könnten?
Nein. Obwohl, von Philippe Gilbert habe ich eines in den Team-Trainingslagern gelernt: Wer runter schaltet, verliert. Seither fahre ich konsequent auf dem großen Kettenblatt (lacht). Aber das würde ich jetzt nicht als Trainingstipp bezeichnen, geschweige denn so weitergeben.