Radsport Highlights: Jan Ullrich fuhr 1997 eine ganze Sportart an die Spitze Deutschlands. Der junge Rostocker gewinnt die Tour de France und löst einen Radspot-Boom aus. Wir blicken zurück auf den Tag, an dem er sich in die Herzen der Fans fuhr.
Ullrich schreibt deutsche Sportgeschichte
In der Sportwelt gibt es Momente, die für immer unvergessen bleiben werden. Dazu zählt ohne Zweifel der 15. Juli 1997. Denn an diesem Tag wurde deutsche Sportgeschichte geschrieben. Jan Ullrich – ein 23-jähriger Rotschopf mit Sommersprossen – begeistert die Massen. Auf der 10. Etappe der 84. Tour de France rast er von Luchon nach Arcalis in Andorra in die Herzen der Radsportfans. Schon im Jahr zuvor wurde er hinter Teamkapitän Bjarne Riis Gesamtzweiter der Tour de France und gewann die Nachwuchswertung. Doch 1997 sollten sich die Rollen umkehren – und zwar in Arcalis (Andorra). Denn eigentlich sollte der junge Deutsche als Edelhelfer nur die Tempoarbeit für Bjarne Riis machen. Im Schlussanstieg blickt er sich immer wieder um, bis dieser zu ihm sagt: „Wenn du dich stark genug fühlst, fahr los.“ Und Ullrich fuhr los. In einer Linkskurve ging er aus dem Sattel und ließ die Konkurrenz stehen.
Er wird zum König und Kaiser
Nach der 10. Etappe trägt Jan Ullrich das Gelbe Trikot und gibt es bis Paris nicht mehr ab. Die internationalen Medien überschlagen sich mit Superlativen. Während die Franzosen von König Ullrich sprechen, küren ihn die Italiener sogar zum Kaiser. Auch die Experten sind sich einig: Fünf oder mehr Toursiege wird Jan Ullrich in seiner Karriere sicher einfahren. Doch sie sollten sich täuschen. Insgesamt wird er fünfmal Zweiter und einmal Vierter. Der Erfolg im Jahr 1997 sollte sein einziger Toursieg bleiben. Denn fortan hat der junge Deutsche mit vielen Problemen zu kämpfen. Verletzungen, Krankheiten und Übergewicht lassen sich in der Öffentlichkeit nicht verstecken. Und diese Öffentlichkeit ist gnadenlos, weil sie Jan Ullrich keine Niederlage erlaubt. Erwartet werden Seriensiege – und damit wird jedes andere Ergebnis automatisch zur großen Enttäuschung.
Dem Radsport-Boom folgt das große Tief
Viele Sportler aus Ostdeutschland haben nach der Wende internationale Erfolge feiern dürfen. Heike Drechsler, Franziska van Almsick, Jens Weißflog, Henry Maske und Katarina Witt wurden nach dem Mauerfall zu gesamtdeutschen Stars. Doch Erik Zabel und Jan Ullrich haben es geschafft, über Jahre hinweg Millionen Deutsche im Juli vor die Fernseher zu locken. Uns hat das Tourfieber gepackt. Eine Sportart, der man kaum etwas zugetraut hätte, löste in Deutschland plötzlich einen Boom aus. Viele Fans beginnen, selbst aufs Rennrad zu steigen und ihren Idolen nachzueifern. Jahre später schauen wir Profis zu, die nur wegen Jan Ullrich mit dem Radfahren begonnen haben. Der Kreis schließt sich, als dem großen Radsport-Boom das Tief folgt. Eben jene neuen Helden müssen sich einem Doping-Generalverdacht stellen – ausgelöst auch vom damaligen Team Telekom und Jan Ullrich.
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