Test: Vollgas! Das neue Marin El Roy ist ein aggressives Trail-Hardtail mit Stahlrahmen, bei dem die Kalifornier sowohl in puncto Geometrie, als auch bei der Ausstattung in die Vollen gegangen sind. Maximale Trail-Performance ist das Resultat.
Marin El Roy: Die Fakten
Rahmenmaterial: Stahl
Federweg: 140 mm
Laufradgröße: 29 Zoll
Gewicht: 14,85 kg
Preis: 2.799 Euro
Neuzugang bei Marin: Das El Roy ist ein neues Hardtail und erweitert das umfangreiche Portfolio des kalifornischen Traditionsherstellers. Es bildet zweifelsfrei die Speerspitze der abfahrtslastigen Hardtails im Programm: 29 Zoll Laufräder treffen auf 140 mm Federweg an der Front und eine ausgesprochen progressive Geometrie, die so manchem Enduro ebenso gut zu Gesicht stehen würde.
Schicker Rahmen, interessante Geometrie
Das Marin El Roy sieht schon im Stand verflucht schnell aus. Dem schlanken Stahlrahmen sieht man seinen ultra-flachen Lenkwinkel direkt an und auch die Ausstattung verrät sofort, dass man es hier mit einem rassigen Abfahrts-Hardtail zu tun bekommt. Die Basis bildet ein Stahlrahmen aus 4130 CrMo, der klassische Rohrformen mit der angesprochen progressiven Geometrie und natürlich mit modernen Features kombiniert. Da wäre beispielsweise die Montagemöglichkeit für ein Trail-Kit an der Unterseite des Oberrohrs zu nennen: Rucksack-Verweigerer können hier problemlos ein Not-Kit für Defekte und Pannen anbringen – schöne Sache. Ansonsten findet man am Unterrohr noch Ösen für einen Flaschenhalter. Nutzt man beides, kann man die nötigsten Dinge direkt am Bike verstauen. Eher traditionell gibt sich das El Roy beim Thema Leitungsverlegung: Alles extern, sauber unter dem Unterrohr, wo die Außenhüllen auch optisch überhaupt nicht auffallen. Dafür freut man sich bei der Wartung über einfachen Zugriff.
Kommen wir zu einem der spannendsten Punkte am El Roy – der Geometrie. Hier geht Marin durchaus einen Sonderweg und bietet das Rad nur in zwei (!) Rahmengrößen an. Trotzdem geben die Kalifornier an, dass das El Roy für Körpergrößen zwischen 165cm und 193cm passend sein soll – wie das geht? Nun: Die beiden Größen unterscheiden sich primär in ihrer Länge, dagegen bleibt das Sitzrohr fast unverändert kurz: 420 mm in ‚regular‘ und 430 mm in ‚grande‘, also kaum der Rede wert. Die Anpassung auf verschiedene Körpergrößen erfolgt also primär über die Länge der verbauten Sattelstütze. Die verbaute X-Fusion Manic hat dabei entweder 150 oder 170 mm Verstellweg. Die übrigen Maße des Rahmens sind sehr progressiv und ausgesprochen abfahrtslastig. 63° (!) Lenkwinkel treffen auf 78° (!) Sitzwinkel und einen Reach von 480 bzw. 510 mm. Puh! Auch das mit einem BB Drop von 65 mm sehr tiefe Tretlager passt hier ins Bild.
Geometrie Marin El Roy
Regular | Grande | |
---|---|---|
Sitzrohr (in mm) | 420 | 430 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 617 | 647 |
Steuerrohr (in mm) | 120 | 120 |
Kettenstrebe (in mm) | 435 | 435 |
BB Drop (in mm) | 65 | 65 |
Lenkwinkel (in °) | 63 | 63 |
Sitzwinkel (in °) | 78 | 78 |
Reach (in mm) | 480 | 510 |
Stack (in mm) | 645 | 645 |
Durchdachte Ausstattung mit kleinen Highlights
Mit knapp 2.800 Euro zählt das Marin El Roy zu den teureren Bikes in unserem Testfeld, was sich nur teilweise in der Ausstattung widerspiegelt – aber klar, auch der hochwertige Stahlrahmen hat seinen Anteil am sportlichen Preispunkt. Doch gleich vornweg: Dort, wo es drauf ankommt, hat man bei Marin eben nicht gespart und deshalb ein rundes Komponentenpaket geschnürt. Das beginnt schon bei der Gabel: Die Bomber Z1 von Marzocchi ist rundum überzeugend und zählt im mittleren Preissegment zu unseren absoluten Lieblingen am Markt. Mal ganz davon abgesehen, dass sie mit ihrem roten Casting optisch perfekt an das Marin passt, bringt sie eben auch ein sensibles Ansprechverhalten und überzeugende Dämpfung mit.
Bei der Schaltung kommt man in den Genuss von satten 510% Bandbreite der neuen Shimano Deore 12-fach Gruppe, an der es aus unserer Sicht rein gar nichts auszusetzen gibt – außer vielleicht ein paar Gramm Übergewicht, was jedoch angesichts von über 15 Kilogramm beim El Roy dann auch nicht mehr so wirklich entscheidend ist. Ebenfalls von den Japanern kommen die MT420 Bremsen, die zwar zu den eher günstigen Stoppern gehören, dank ihrer 4 Kolben vorn und hinten und der 203er Scheibe an der Front auch für längere Abfahrten einige Reserven mitbringen. Die Laufräder mit Shimano MT400 Naben und den hauseigenen, tubeless-kompatiblen Alufelgen mit 29 mm Innenweite sind solide Kost, auf denen Jedoch mit dem Assegai von Maxxis einer der besten Enduro-Reifen überhaupt Platz findet. Damit jedoch nicht genug: Die mächtigen 29×2,5″ Pneus sind hier hinten in der griffigen Maxx Grip Gummimischung und der extrem pannensicheren DoubleDown Karkasse verbaut, vorn etwas leichter mit MaxxTerra und Exo+. Hier kann man mit dem Druck so richtig schön weit runter gehen, ohne sich Sorgen um etwaige Durchschläge machen zu müssen.
Selten verbaut, aber dennoch überzeugend ist die Manic Dropper Post von X-Fusion, bei der auch der ergonomische Hebel zu überzeugen weiß. Last but not least: Das Cockpit mit Deity Vorbau und einem 800 mm breiten Deity Carbonlenker ist durchaus ein Highlight am El Roy.
Rahmen | CrMo Steel |
Federgabel | Marzocchi Z1, 140mm |
Dämpfer | - |
Laufräder | Shimano MT410 / Marin Double Wall Alloy |
Reifen VR | Maxxis Assegai, MaxxGrip, EXO+, 2.5 |
Reifen HR | Maxxis Assegai, MaxxGrip, Double Down, 2.5 |
Schaltwerk | Shimano Deore, 12-speed |
Schalthebel | Shimano Deore |
Kurbel | FSA Comet, 32T |
Umwerfer | |
Bremse | Shimano MT420 |
Bremsscheiben | 203/180 |
Sattelstütze | X-Fusion Maniac |
Sattel | Marin Speed Concept |
Vorbau | Marin 3D Forged Alloy |
Lenker | Marin Mini Riser, 780mm |
Marin El Roy: Auf dem Trail
Schon auf den ersten Blick war uns schnell klar: Das Marin El Roy ist konsequent auf maximalen Fahrspaß bergab getrimmt! Schlanker Stahlrahmen, 63 Grad Lenkwinkel, 78 Grad Sitzwinkel, Maxxis Assegai Reifen und eine Marzocchi Z1 mit 36mm Standrohren – das El Roy strotzt förmlich vor potenten Features.
Fans von langen und flachen Bikes werden sich auf Anhieb auf dem Marin zurecht finden. Durch den steilen Sitzwinkel gelingen selbst knifflige Anstiege; die sehr gut gewählte Übersetzung (32T, 10-51T) des Shimano Deore 1×12 Antriebs tut dafür ihr Übriges. In der Ebene oder auf Transferetappen kommt das El Roy allerdings mitunter ins Straucheln. Das steile Sitzrohr rückt die Tretposition sehr weit über die Kurbel, was sich bei einigen Testfahrern durch bis dato unbekannten Muskelkater in Teilen des Oberschenkels bemerkbar machte. Das hohe Gesamtgewicht und der schwere, weiche Reifen erfordern speziell auf glattem Untergrund etwas mehr Tretleistung. Doch genug mit den Fahreigenschaften des Marin im einfachen Gelände, das El Roy will auf den Trail – bergauf wie bergab! Also runter mit der angenehm langen Dropper Post (150 oder 170mm) und rein in den Downhill!
Die auf glattem Untergrund zäh rollenden Reifen sind auf dem Trail ein wahrer Spaßgarant und vermitteln Sicherheit wie man sie von einem Hardtail nicht für möglich gehalten hätte. Dank stabiler Karkasse und Tubeless-Montage konnten wir den Luftdruck äußerst gering halten – ohne der ständigen Gefahr eines Plattfußes. Das Resultat war teilweise fast schon (positiv) beängstigend: Die Kombination aus langem Reach, super-flachem Lenkwinkel, satter Marzocchi Z1 Gabel und den genannten Maxxis Reifen ließ uns teilweise vergessen, dass wir auf einem Hardtail sitzen. Apropos Gabel: Die Marzocchi Z1 konnte mit ihren 36mm Standrohren nicht nur hinsichtlich ihrer Steifigkeit glänzen; Mit ihrem butterweichen Ansprechverhalten, einem sehr guten Support im mittleren Federwegsbereich und nicht zuletzt mit dem simplen und schnellen Setup, konnte sie vollends überzeugen und wurde zum Liebling der Tester.
Ist das Marin auf Geschwindigkeit gebracht (und das geschieht mit einer stoischen Sicherheit), gilt es das Rad vor dem nächsten Anlieger wieder zu verzögern. Die verbauten Shimano MT420 4-Kolben-Stopper verrichteten ihren Dienst recht ordentlich. Dafür ausschlaggebend waren sicherlich die üppig dimensionierten Bremsscheiben mit 203mm vorne und 180mm am Heck. Lediglich auf langen Abfahrten und mit hohem Fahrergewicht konnten wir die Hinterradbremse ans Limit bringen, was sich mit einem schwammigen Druckpunkt und leicht erhöhter Handkraft bemerkbar machte. Ein Upgrade auf 203mm Bremsscheiben auch am Heck sollte hier aber relativ schnell Abhilfe schaffen.
Länge läuft! Doch wie sieht es mit der Agilität aus? Durch seine Länge und den flachen Lenkwinkel erfordert das El Roy etwas mehr Nachdruck in verwinkelten Passagen als man es von klassischen Hardtails gewohnt ist. Für versierte Trail-Piloten stellt das sicherlich keine Herausforderung dar. Anfänger oder Einsteiger empfinden das Fahrverhalten anfangs aber mitunter als gewöhnungsbedürftig.