eSports: Gestern hat sich Jason Osborne zum ersten UCI eSports-Weltmeister im Radsport gekrönt. Heute durften wir den 26-Jährigen, der eigentlich Ruderer ist, interviewen. Er spricht mit uns über das Weltmeister-Rennen und seine künftigen Ziele als Ruderer – und vielleicht als Radprofi.
Jason, vor drei Tagen bist du Weltmeister geworden. Haben drei Nächte darüber schlafen schon gereicht, um das zu realisieren?
„Ich war schon erst einmal überwältigt. Aber im Laufe des nächsten Tages wird einem schon klar, was man geleistet hat. Ich war dann einfach sehr, sehr happy.“
Eigentlich bist du Ruderer. Wie bist du zum Radsport gekommen und speziell dazu, an der eCycling-WM teilzunehmen?
„Ja, eigentlich bin ich Ruderer. Aber wie viele wissen, ist Radsport so meine Komplementär-Sportart. Das Radfahren ist fester Bestandteil meines Trainings und auch vieler Kollegen. Der Radsport ist einfach ein guter Ausgleich zum Rudern, um eine Basis zu schaffen und viele Trainingsminuten unterzubringen. Zwift kenne ich seit es entstanden ist. Auf der Plattform bin ich schon seit den Anfangszeiten unterwegs. Ich bin da auch schon Rennen gefahren und kannte die ganze Sache daher bereits. Dahingehend war es nichts Neues für mich.“
Wie lief das Rennen gestern aus deiner Sicht? Besonders sehenswert war natürlich die gemeinsame Attacke mit Jonas Rapp. Inwieweit war das geplant?
„Das war wirklich interessant, denn eigentlich hatten wir nicht wirklich eine Teamtaktik. Wir waren in Discord über Funk verbunden. Dort haben wir die Ansagen von der Teamleitung gehört. Es hat sich dann einfach so ergeben, dass Jonas da vorne mitgefahren ist und mir dann sozusagen den Sprint angefahren hat. Das war in dem Moment dann natürlich der Jackpot. Von außen sah es bestimmt so aus, als wäre das taktisch alles geplant gewesen. Wir haben es uns auch so gewünscht, aber das muss dann an dem Tag auch erst mal so funktionieren – und das hat es. Darüber können wir echt froh sein.“
Teamchef Tim Böhme hat uns von eurem guten Sportlichen Leiter erzählt. Welche Rolle hat er bei einem solchen Zwift-Rennen?
„Unser Sportlicher Leiter hat das Rennen als Außenstehender beobachtet. Er sieht bis ins Detail, was gerade im Fahrerfeld passiert. Dadurch konnte er sich einen guten Eindruck davon verschaffen, wie gerade der Stand im Rennen ist. Er weiß, wann man aufpassen muss und ob man eine Attacke mitgehen muss oder nicht. Mit Sebastian hatten wir da echt einen guten Mann am Start. Er hat das super für uns gemacht. Ich denke, dass auch vor dem Start der WM das Training auf dem Kurs für den Erfolg entscheidend war.“
2019 @WorldRowing Champion 🥇
and now.. 2020 UCI Cycling Esports World Champion! 🥇#Watopia2020 pic.twitter.com/Tu1yz3mfdg
— UCI (@UCI_cycling) December 9, 2020
Wo warst du eigentlich, als du Weltmeister wurdest? Und hast du wenigstens ein bisschen feiern können?
„Ich bin die WM in Portugal gefahren. Wir sind hier mit dem Deutschen Ruderverband im Trainingslager, zusammen mit dem Deutschland-Achter. Dass sich das jetzt so überschneidet, war mir klar. Denn die Termine für das Trainingslager standen ja auch schon fest. Mit der Trainerin habe ich das so abgesprochen. Das war überhaupt kein Problem. Die einzige Voraussetzung ist ja, dass du ein gutes Internet hast und das hat hier im Hotel gepasst. Gefahren bin ich auf der Rolle im Konferenztraum des Hotels. Ich hatte einen Ventilator und habe das Rennen über den Beamer auf einer riesigen Leinwand verfolgt. Gefeiert habe ich am Abend mit unseren Ruder-Gegnern aus Belgien. Die sind hier auch gerade im Trainingslager. Wir haben nichts Besonderes gemacht, außer ein paar Bier zusammen getrunken und ein bisschen gefeiert.“
Welche Gemeinsamkeiten sind für dich beim Rudern und Radfahren besonders zu erkennen?
„Der Rudersport an sich ist ziemlich komplett. Eigentlich sind fast alle Muskelgruppen involviert. Damit ist man eigentlich ziemlich ausgeglichen. Im Radsport brauchst du vor allem gute Beine. Eine Gemeinsamkeit ist sicher das Kompetitive. Mit dem Gegner zu taktieren, das gefällt mir.“
Vielleicht bekommst du jetzt Angebote von Radteams. Würde dich eine Profi-Karriere auf der Straße reizen?
„Was heißt reizen? Das ist mein größter Wunsch. Nach Tokio ist das nach wie vor mein großes Ziel. Ich will auf die Straße und dann sehen, was möglich ist. Viele andere Quereinsteiger haben es vorgemacht. Ich werde es auf jeden Fall versuchen.“
Welche weiteren Pläne und Ziele hast du in deiner noch jungen Karriere?
„Eine Medaille in Tokio. Die fehlt mir noch in meiner Sammlung. Also die Olympia-Medaille im Rudern. Und dann werden wir sehen, wie es sich im Radsport entwickelt. Das kann man aktuell schwer absehen. Wenn sich das Ganze gut entwickeln sollte, wäre es natürlich ein Traum, irgendwann die Tour de France zu fahren.“