Spektrum: Wir können es gar nicht oft genug erwähnen: das Fahrrad hat seit dem Frühjahr 2020 einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Corona-Pandemie in Deutschland geleistet. Während die Fahrradwerkstätten noch geöffnet sind, musste der lokale Fahrradhandel mit dem Beginn des Lockdowns im November schließen. Nun wenden sich die Radverkehrs- und Fahrradwirtschaftsverbände direkt an die Bundeskanzlerin.
Fahrradverbände mit Appell an Bundeskanzlerin
Mit dem ADFC, dem Verband des Deutschen Zweirads, dem Zweirad-Industrie-Verband, der Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft, dem Bundesverband Zukunft Fahrrad, der Bico, dem Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk und dem Verbund Service und Fahrrad haben gleich acht große Radverbände einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet.
In dem Schreiben an sie und die Ministerpräsidenten der Länder betonen sie die Bedeutung des Fahrrads für die bisherige Bewältigung der Pandemie und fordern daher u.a. eine baldige Öffnung der Fahrradfachgeschäfte unter strengen Bedingungen.
Der offene Brief im Wortlaut
Fahrradhandel ist Garant für krisenfeste Nahmobilität
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Ministerpräsidentinnen,
sehr geehrte Ministerpräsidenten,
die Verbände der Fahrradwirtschaft und die Radverkehrsverbände unterstützen ausdrücklich die Initiativen von Bund und Ländern, um die Ausbreitung SARS-COV-2 zu verlangsamen. Wir sind uns bewusst, dass die Maßnahmen und Strategien immer wieder angepasst und optimiert werden müssen.
Als Branche übernehmen wir seit Beginn der Krise Verantwortung wo wir können, sei es durch großzügige Home-Office Lösungen oder komplexe Anpassungen der Produktions- und Serviceprozesse, um Übertragungen zu verhindern.
Der bisherige Verlauf der Krise hat eines ganz deutlich gemacht: Fahrradfahren ist ein unverzichtbarer Bestandteil infektionssicherer Mobilität. Der Fahrradverkehr hat in der Krise durchgehend stark zugenommen, während Mobilität insgesamt abgenommen hat. Für immer mehr Menschen ist das Fahrrad zum Garant der Mobilität im Alltag geworden.
Diese Schlüsselrolle für ein krisenfestes Verkehrssystem hat das Fahrrad aus guten Gründen:
- Es sichert Nahmobilität mit bestmöglichem Schutz vor Ansteckung.
- Es ermöglicht Freizeitaktivität an der frischen Luft und hilft gegen den „Lagerkoller” ohne sich zu nahe zu kommen.
- Es stärkt Herz-Kreislaufsystem und Lunge und ist gut für das Immunsystem.
Es ist erfreulich, dass Fahrradwerkstätten auch in den letzten Wochen geöffnet bleiben konnten. Doch es geht um mehr: Viele Menschen wollen gerade jetzt ein Fahrrad erwerben, weil sie entweder keines haben oder das alte nicht mehr nutzbar ist.
Wir schlagen daher vor, den Verkauf von Fahrrädern, E-Bikes und Zubehör in den lokalen Fahrradläden unter streng kontrollierten Bedingungen und Einhaltung der Hygienevorschriften des RKI zu gestatten. Zudem müssen Warenlieferungen an den Fahrradhandel weiterhin möglich sein, da nur so die Versorgung mit Ersatzteilen sichergestellt werden kann.
Wie der Verkauf in Fahrradgeschäften sowohl für Kunden als auch für Mitarbeitende mit minimalem Risiko der Ansteckung umgesetzt werden kann, haben wir in einem Maßnahmenpapier zusammengefasst. Es ist diesem Schreiben beigefügt. Die beschriebenen Maßnahmen haben sich bereits im Frühjahr 2020 flächendeckend bewährt.
Wir bitten Sie, unsere Vorschläge zu prüfen und sie bei den anstehenden Entscheidungen zu berücksichtigen. Für Rückfragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Hochachtungsvoll
Als Unterzeichner
Ulrich Syberg, Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.
Jörg Müsse, BICO Zweirad Marketing GmbH
Franz-Josef Feldkämper, Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk e.V.
Wasilis von Rauch, Bundesverband Zukunft Fahrrad e.V.
Thomas Kunz, Verband des Deutschen Zweiradhandels e.V.
Uwe Wöll, Verbund Service und Fahrrad e.V.
Ernst Brust, Zweirad-Industrie-Verband e.V.
Georg Honkomp, Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft e.G.
Forderungen und Vorschläge der Fahrradverbände
- Die Radgeschäfte selbst bleiben für den Publikumsverkehr gesperrt.
- Zutritt ist in begrenzter Zahl nur nach der Aufforderung durch Personal möglich.
- Beratungen finden nur nach vorheriger Terminabsprache statt.
- Die Anzahl der Personen im Verkaufsraum richtet sich nach der Verkaufsfläche.
- Nur Kunden mit einem konkreten Bedarf sollen beraten werden.
- Für die Beratung müssen Kunden der Speicherung ihrer Kontaktdaten zustimmen.
- Wer Symptome zeigt, darf das Fahrradgeschäft nicht betreten.
- Es gelten alle bisher gültigen Abstands und Hygieneregeln.
- Es gibt separat ausgewiesene Beratungsflächen, um Kontakt zu vermeiden.
- Fahrradgriffe werden mit Schutzfolien überzogen, die nach jeder Nutzung gewechselt werden.
- Zahlungen sind nur per Vorabüberweisung oder EC-Karte möglich.
- EC-Geräte werden nach jedem Zahlvorgang desinfiziert.
Unsere Frage an euch: Was haltet ihr vom offenen Brief der Fahrradverbände und den vorgeschlagenen Maßnahmen? Sollten Fahrradgeschäfte und vielleicht auch andere Betriebe unter diesen Voraussetzungen wieder öffnen dürfen?