Test: Mit Coil-Dämpfer, aggressiver Optik und abfahrtslastiger Ausstattung sorgt das Ghost SL AMR X 7.9 LC in unserem Testfeld für Aufsehen. Auch der günstige Preis von knapp 4.000 Euro ist angesichts der hochwertigen Komponenten und des Carbonrahmens spannend – ob der Mix aus Tourenbike und Abfahrtsmonster aufgeht?
Ghost SL AMR X 7.9 LC: Rahmen und Geometrie
Die AMR Modellreihe von Ghost kann auf eine lange und belebte Geschichte zurückblicken: In den Anfangstagen des modernen Fullys war es einer der Prototypen des Allmountainbikes. Dass das 2019er Ghost SL AMR mit den Modellen von einst – zumindest optisch – nicht mehr allzu viel gemein hat, ist wenig überraschend. Geblieben ist jedoch die Ausrichtung der Allzweckwaffe des deutschen Herstellers: Tour, Trail, Alpencross – überall soll sich das Bike zurechtfinden. Mit dem Ghost SL AMR X hatten wir den potentesten Vertreter der modernen AMR Modelle im Test: Mit 145mm Federweg am Heck, 150 an der Front, Coildämpfer und 29 Zoll Laufrädern ist man auch für schweres Geläuf bestens gewappnet, ohne die Tourentauglichkeit komplett zu opfern.
Unser Ghost SL AMR X 7.9 LC Testbike steht auf einem Carbon Hauptrahmen mit Alu-Hinterbau, deren kantige Rohrform und die aggressive Linienführung dem Rad eine eigenständige, markante Optik verleiht. Der Viergelenker-Hinterbau holt aus dem Coil-Dämpfer plüschige 145mm Federweg, viel Anti-Squat und eine hohe Endprogression sollen der Kinematik viel Effizienz bescheren. Dass man es mit dem Bike auch ordentlich krachen lassen kann, zeigt Ghosts Einordnung in die hauseigene Kategorie 4: Sprünge bis 120cm Höhe sind vom Hersteller abgesegnet, ebenso der Einsatz bei Wettkämpfen.
Geometrie Ghost SL AMR X 7.9 LC
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 420 | 460 | 480 | 500 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 569 | 595 | 621 | 655 |
Steuerrohr (in mm) | 100 | 105 | 110 | 120 |
Kettenstrebe (in mm) | 438 | 438 | 438 | 438 |
Radstand (in mm) | 1140 | 1166 | 1191 | 1225 |
Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 |
Sitzwinkel (in °) | 74 | 74 | 74 | 74 |
Reach (in mm) | 396 | 420 | 444 | 474 |
Stack (in mm) | 617 | 622 | 627 | 636 |
Bei der Geometrie zeigt sich der Spagat, den Ghost mit dem SL AMR X 7.9 wagt: Auf der einen Seite steht der potente Coil Dämpfer im Heck und fast 150mm Federweg, auf der anderen Seite ein eher steiler Lenkwinkel, kurzer Hauptrahmen und eine insgesamt eher „konservative“ Geometrie. Das wollen wir jedoch bewusst nicht negativ verstanden haben: So dürfte sich der rote Flitzer auch flott über flache Trails bewegen lassen und genügend Vortrieb bei längeren Touren bieten. Ein echter Alleskönner eben – ganz im Sinne der AMR-Philosophie.
Ghost SL AMR X 7.9 LC: Ausstattung
Rahmen | SLAMR LC |
Federgabel | RockShox Lyrik RCT3 Debon Air 150mm |
Dämpfer | RockShox Super Deluxe Coil RCT |
Laufräder | Syntace M 33mm |
Reifen VR | Maxxis Minion DHF MaxxTerra 2,5" |
Reifen HR | Maxxis Minion DHR II 2,4" |
Schaltwerk | Sram X01 Eagle |
Schalthebel | Sram GX Eagle |
Kurbel | Truvativ Descendant 7k |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Magura MT Fifty4 |
Bremsscheiben | Magura Storm 203/180mm |
Sattelstütze | Kind Shock LEV Si |
Sattel | SDG Fly Mountain |
Vorbau | Ground Fiftyone Team |
Lenker | Ground Fiftyone Race 780mm |
Mit knapp 4.000 Euro ist das Ghost SL AMR X 7.9 LC ein ausgesprochen günstiges Carbon-Topmodell – Mitbewerber rufen hier gut und gerne den doppelten Preis auf oder sogar mehr. Umso überraschender, dass die Ausstattung auf den ersten Blick ganz und gar nicht nach „Sparfuchs“ aussieht. Da wäre das Rock Shox Fahrwerk mit dem bereits angesprochenen Super Deluxe Coil RCT Dämpfer, zu dem sich an der Front eine Lyrik RCT3 mit DebonAir Kammer gesellt. Selbst bei deutlich teureren Rädern wäre überdies der verbaute Laufradsatz ein Highlight: Die Syntace M 33 Laufräder können mit edler Optik, hochwertiger Technik und robusten Felgen punkten. Die darauf verbaute Maxxis Reifenkombination aus DHF MaxxTerra an der Front und DHR II am Heck rückt den Anwendungsbereich deutlich in Richtung Abfahrt, bietet eine Menge Grip, aber glänzt nicht unbedingt beim Rollwiderstand.
Bei der verbauten Schaltung mischt Ghost die verschiedenen Sram Eagle Gruppen durch: Das farblich passende X01 Eagle Schaltwerk wird von einem GX Schalthebel angesteuert – auch Kassette und Kette kommen aus der günstigeren GX Gruppe. Hier hätten wir uns lieber einen hochwertigen Schalthebel und ein günstiges Schaltwerk gewünscht. Dem Einsatzbereich angemessen zeigt sich die Bremse von Magura – mit einem 4-Kolben Sattel und 203mm Scheibe vorn und 2 Kolben bzw. 180mm hinten rüstet die MT Fifty4 Bike und Fahrer auch für lange Abfahrten. Tausendfach bewährt ist die LEV SI Stütze von Kind Shock, die mit ergonomischem Hebel daherkommt, der am Cockpit für Ordnung sorgt. Apropos Cockpit; dieses stammt aus eigenem Hause und setzt auf den modernen 35mm Durchmesser beim 780mm breiten Lenker.
Insgesamt fällt die Ausstattung auffällig abfahrtslastig aus und würde auch einem Enduro gut zu Gesicht stehen. Gerade das Fahrwerk aus Coil-Dämpfer und Lyrik und die kräftigen Reifen scheinen auf den ersten Blick an einem Allrounder etwas überdimensioniert. Ob sich dies in der Praxis jedoch bestätigt?
Ghost SL AMR X 7.9 LC: Auf dem Trail
Den Weg bergauf, zum Traileinstieg, legt das Ghost sehr ordentlich zurück. Dazu wollen aber zwei Dinge beachtet werden: Die Rahmengröße muss passen, denn der Sitzwinkel ist gefühlt ziemlich flach und man sitzt ansonsten sehr weit über dem Hinterrad und vorn neigt es dann zum Steigen. Der Dämpfer kommt mit einem Wählhebel um das Fahrwerk per Druckstufe ruhig zu stellen, der macht Sinn und will auch für den Anstieg betätigt erden. Mit offener Druckstufe schluckt das Heck einiges an Kraft. Das AMR gehört nicht zu den leichtesten Rädern im Test, die Reifen sind nicht die rollfreudigsten, trotzdem erledigt es den Job.
In der Abfahrt kommen Reifen und Dämpfer dem Ghost wiederum zu Gute. Die Maxxis Minion geben ordentlich Grip und gefallen allen Testern. Der Stahlfederdämpfer macht das Heck sehr schluckfreudig, teilweise wurde es als zu wenig progressiv empfunden und mehr Feedback wäre erwünscht gewesen. Insgesamt aber wie gesagt auf der komfortablen Seite. Das Ghost kann in der Abfahrtswertung mit den besten im Test nicht ganz mithalten, weil in unseren Augen das Konzept nicht ganz aufgeht. Enduro Teile mit Tourengeometrie empfinden wir in diesem Fall leider eher als „kann nichts wirklich perfekt“ und nicht als „kann alles recht gut“. Das Rad empfanden alle Tester als etwas zu kurz und zu steil, damit auch eher „stelzig“. Schade auch, das die Gabel an unserem Testrad nicht so gut funktionierte, wie wir es von der Lyrik gewohnt sind. Wir meckern zugegebenermaßen auf hohem Niveau, letztlich gelingt die Abfahrt mit dem Ghost, wie auch der Anstieg, ohne Bestzeiten, aber auch ohne Probleme.
Alle am AMR verbauten Komponenten treffen den Einsatzbereich gut, und lassen das Preis-Leistungsverhältnis ordentlich ausfallen. Die bereits gelobten Maxxis reifen rollen auf Syntace Laufrädern, die einen guten Ruf und einen „Haben will“ Faktor mitbringen. Beides ist nicht zu beanstanden und tat seinen Dienst souverän. Die Bremsanlage, eine MT Trail von Magura, lässt sich sehr gut dosieren und hat immer genug Power um die erlangte Geschwindigkeit wieder zu reduzieren oder gar zu vernichten. Auch das Ghost kommt mit 12 Eagle-Gängen von Sram. Ein nettes und auffälliges Detail ist der auf der Innenseite rot gefärbte Schaltwerkskäfig. Die Alu-Kurbel geht voll in Ordnung, ein 30er Blatt oder gar ein 28er wären aber angebrachter als ein 32er. Die Kind Shocks Sattelstütze funktioniert gut, wie eigentlich alle Modelle aus dem Hause. Der Kunststoffhebel der die Stütze ansteuert macht das Finger-Gefühl zwar scheinbar etwas weicher aber die Ergonomie ist voll ok. Der Sattel von SDG ist im positiven Sinne unauffällig. Das Cockpit mit eigenem Lenker und Vorbau so wie mit Griffen von Ergon gefällt allen Testern sehr gut und will hier lobend erwähnt werden.