Test: Das Specialized Diverge geht 2020 in sein sechstes Jahr und hat nichts von seiner ursprünglichen Faszination als Adventure- und Gravelbike verloren. Das von uns getestete Topmodell Diverge Expert überzeugt mit herausragendem Komfort, auch dank des Future Shock Systems.
Specialized Diverge Expert 2020: Die Fakten
Rahmenmaterial: Carbon
Laufradgröße(n): 700cc (650b kompatibel)
Maximale Reifenfreiheit: 42mm / 47mm (650b)
Achsmaß (v/h): 12×100 / 142×12
Schutzblechösen: Ja
Gepäckträgerösen (v/h): Ja / Ja (nachrüstbar)
Flaschenhalter: Unterrohr oben, Unterrohr unten, Sitzrohr
Gewicht Laufräder v/h/gesamt (mit Reifen und Bremsscheiben): 1.430g / 1.546g / 2.976g
Gewicht Komplettrad ohne Pedale (Größe M): 8,38kg
Preis: 4.799 Euro
Bewährtes Konzept mit moderner Technik
Im Jahr 2014 präsentierte der US-Amerikanische Fahrradriese Specialized mit dem damals neuen Diverge seine Antwort auf den aufkeimenden Gravel- und Adventure Boom in den USA. Das stark vom Endurance Rad Roubaix inspirierte Rad brachte damals noch einen Ticken mehr Komfort und vor allem deutlich bessere Zubehörkompatibilität mit. Sechs Jahre später ist das Diverge noch immer ein fester Bestandteil des Specialized Produktportfolios, dürfte jedoch an Bedeutung gewonnen haben: Von der einstigen Randerscheinung hat sich das Thema Gravel zu einem der momentan größten Trends der Branche entwickelt und auch das Diverge hat einige Entwicklungssprünge hinter sich.
Das Thema Komfort stand schon beim ‚Ur-Diverge‘ im Mittelpunkt und das hat sich bis heute nicht geändert, auch wenn die technische Umsetzung heute eine andere ist. Die Zertz-Inserts in der Gabel sind passé, stattdessen setzt Specialized auf sein Future Shock System zwischen Vorbau und Steuerrohr. Eingeführt wurde dieses 2016 am Roubaix und ein Jahr später zog das Diverge nach. Stark vereinfacht gesagt sitzt zwischen der Unterseite des Vorbaus und dem Steuerrohr ein federnder Einsatz, der maximal 20mm Federweg bietet und Vibrationen und Schläge auffängt. Gegenüber klassischen Federgabel soll diese Bauweise deutlich effizienter und insbesondere mit weniger Mehrgewicht einhergehen.
Mehr zur Funktionsweise des Specialized Future Shock Systems
https://youtu.be/DslYAPIPAR0
Bestand hatte beim Thema Komfort jedoch der Ansatz am Heck bzw. am Hintern: Die CG-R Stütze mit eingearbeitetem Elastomer hat 2014 bereits gut funktioniert und das gilt natürlich auch bis heute, wenngleich sie nicht mehr so einzigartig ist wie noch vor sechs Jahren.
S-Works Variante nur als Rahmenset
Das Diverge ist im Jahr 2020 mit Alu- und Carbonrahmen erhältlich. Alle Carbonrahmen der Kompletträder bestehen aus der FACT 9r Faser, die noch leichtere FACT 11r Variante ist nur beim S-Works Rahmenset erhältlich. Gemeinsam haben alle die vielfältigen Montageoptionen für Zubehör. Schutzbleche? Check! Heckgepäckträger? Check! Frontgepäckträger? Check! Zusätzlich lässt sich im Rahmendreieck noch Die hauseigene SWAT-Box einsetzen, die zusätzlichen Stauraum bietet, ohne dabei das Befestigen klassischer Oberrohrtaschen o.ä, zu blockieren. Sehr schön ist ebenso die große Reifenfreiheit: 42mm bei klassischer 700c Bereifung und sogar 47mm, sollte man kleinere 650b Laufräder fahren wollen.
Bezüglich der Geometrie spricht Specialized von „Open Road“ – man orientiert sich hier nach wie vor durchaus am Endurance-Rad Roubaix, doch dreht an einigen Stellschrauben, um vor allem die Geländetauglichkeit und Laufruhe zu verbessern. Der Lenkwinkel fällt zwar um ca. 1° flacher aus als beim Roubaix, ist verglichen mit dem Gravel-Durchschnitt jedoch noch immer eher steil. Die Kettenstreben sind mit etwas über 420mm nicht übermäßig kurz, das dürfte dem Geradeauslauf zu Gute kommen und das Rad auf ruppigen Passagen auf Kurs halten. Auffällig ist das ziemlich tiefe Tretlager, mit dem insbesondere Roadies ihre Freude haben dürften.
Geometrie Specialized Diverge Expert 2020
48 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 | |
Sitzrohr (in mm) | 405 | 440 | 473 | 500 | 525 | 555 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 524 | 532 | 549 | 561 | 575 | 589 |
Steuerrohr (in mm) | 108 | 128 | 155 | 178 | 194 | 213 |
Kettenstrebe (in mm) | 419 | 419 | 421 | 421 | 421 | 421 |
Radstand (in mm) | 1004 | 1004 | 1011 | 1025 | 1036 | 1049 |
Lenkwinkel (in °) | 70.8 | 71 | 71.9 | 72.5 | 72.5 | 72.8 |
Sitzwinkel (in °) | 73 | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 74 |
Reach (in mm) | 360 | 367 | 373 | 379 | 385 | 392 |
Stack (in mm) | 569 | 574 | 592 | 613 | 639 | 662 |
Gelungene Ausstattung mit sehr leichtem Laufradsatz
Unter den Kompletträdern für 2020 ist das von uns getestete Diverge Expert für 4.799 Euro das Topmodell. Die darüber angesiedelte S-Works Variante ist hierzulande ausschließlich als Rahmenset erhältlich. Mit etwas unter 8,4kg ist das Diverge Expert eines der leichtesten Räder bei uns im Test – Anteil daran hat neben dem Rahmen zweifellos auch die hochwertige Ausstattung.
Beim Antrieb bleibt Specialized den Landsleuten von Sram treu und stattet das Diverge Topmodell mit der entsprechenden Top-Gruppe Force 1 aus. Eine gute Wahl, die STIs sind optisch zwar etwas gewöhnungsbedürftig, ergonomisch jedoch sehr gut. Das Schaltwerk bringt eine Dämpfung mit, die im Gelände Kettenschlagen oder gar -abwürfe auf ein absolutes Minimum reduziert. Die 10-42 Kassette hat 420% Bandbreite und hat damit fast immer einen passenden Gang parat, wenngleich sie sich in diesem Punkt beispielsweise den Sram 12-fach Antrieben (500%) oder der GRX 2-fach (479%) geschlagen geben muss.
Rahmen | Specialized FACT 9r Carbon |
Federgabel | Specialized Fact carbon |
Laufräder | Roval C38 Disc |
Reifen | Specialized Pathfinder Pro 38mm |
Schaltwerk | Sram Force 1 |
Schalthebel | Sram Force |
Kurbel | Praxis Works Zayante carbon |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Force |
Sattelstütze | S-Works CG-R |
Sattel | Specialized Power Expert |
Vorbau | Specialized Future Stem |
Lenker | Specialized Adventure Gear Hover |
Specialized-Hausmarke Roval steht mittlerweile für qualitativ hochwertige Laufräder in verschiedensten Preis-Bereichen und hat es erfolgreich geschafft, sich von den Vorurteilen gegenüber OEM-Teilen zu emanzipieren. Das Diverge Expert steht auf Roval C38 Disc Carbonlaufrädern mit 38mm hohen Felgen, die dank 21mm Innenweite auch für breitere Reifen bestens geeignet sind. Das Innenleben der Naben gleicht dem der bewährten DT Swiss 350, mitsamt deren langlebigen Zahnscheibenfreilauf. Natürlich sind die hochwertigen Felgen tubeless-ready, was auch für die verbauten Specialized Pathfinder Pro Reifen gilt. Letztere heben sich durchaus von der breiten Masse ab und der wenig profilierte Mittelstreifen verspricht geringen Rollwiderstand, während die angedeuteten Seitenstollen bei Kurvenfahrten für Traktion sorgen sollten. Das gesamte Laufradsystem inklusive der angesprochenen Reifen in 38mm Breite und den Bremsscheiben kommt auf 2.976g und knackt damit als einer der wenigen Vertreter im Test die 3kg-Marke.
Die Vorzüge der verbauten CG-R Stütze haben wir bereits eingangs kurz skizziert – darauf montiert ist ein Power Expert Sattel, der mit seiner kurzen Nase eine echte Wohltat ist und für uns seit seiner Einführung zu einem Umdenken geführt hat. Eine durchaus erwähnenswerte Besonderheit ist noch der Lenker: Der Adventure Gear Hover ist recht kompakt und hat gemäßigt 12° Flare, fällt aber vor allem durch seinen Rise auf. Das ist optisch etwas eigen, soll aber auf langen Fahrten für noch mehr Komfort sorgen.
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Let’s Gravel: Das Specialized Diverge Expert 2020
Auf den ersten Blick wussten wir nicht genau was wir vom Specialized Diverge Expert halten sollten. Denn auf der einen Seite lassen sich am hochwertigen Rahmen, den hauseigenen Anbauteilen und Laufrädern von Roval, sowie der Sram Schaltgruppe erstklassige Fahreigenschaften vermuten. Die Optik ist jedoch etwas gewöhnungsbedürftig. Das liegt zum einen am Future-Shock System, das für ziemlich viel Abstand zwischen Vorbau und Steuerrohr sorgt, am Drop Bar Lenker mit Rise und dem starken Sloping, das einen recht weiten Stützenauszug erforderlich macht.
Geht man der Sache aber auf den Grund so wird schnell klar, dass dies alles schon seinen Sinn hat. Während die Optik des Future Shock Systems sicherlich streitbar ist, sind die Vorzüge in der Praxis klar spürbar: Gerade nach mehreren Stunden Fahrt machte sich das Future Shock System besonders im Unterarm/Hand-Bereich bemerkbar, da diese Bereiche nicht so schnell/stark ermüdete. Wunder darf man natürlich nicht erwarten und von der Performance einer echten Federgabel ist es schon noch ein ganzes Stück – das ist aber Teil des Konzepts und auch ein Grund, weshalb selbst im Wiegetritt recht wenig Energie verpufft. In Verbindung mit der S-Works CG-R Stütze bekommt man so einen erstklassigen Fahrkomfort – da können nur wenige Konkurrenten mithalten.
Durch die sportliche Rahmengeometrie mit dem niedrigem Tretlager und kurzem Hinterbau wird aber trotz viel Komfort die Agilität des Specialized Diverge Expert nicht vernachlässigt. Ganz im Gegenteil – Neben gutem Komfort zeigt das Diverge auch eine ansprechende Beschleunigung und eine besonders agile Fahrweise, welche sich gerade auf technischem Terrain bemerkbar macht. Durch das niedrige Tretlager erhält man zudem einen etwas tieferen Schwerpunkt, was für eine gute Kurvenlage auch auf Schotter sorgt. Die guten Steifigkeitswerte des Carbonrahmens sorgen gleichzeitig für eine gelungene Kraftübertragung, welche uns nicht nur beim Antritt, sondern auch auf längeren Strecken und Asphalt zu Gute kommt. Nicht ganz dazu passen will jedoch die insgesamt recht hohe Front, die diesen sportlichen Charakter spürbar entschärft und das Diverge unserer Ansicht nach ein wenig ausbremst.
Mit der verbauten Sram Force Gruppe waren wir durchaus zufrieden, da diese gerade auch im Gelände gewohnt präzise und knackig schaltet – die etwas begrenzte Bandbreite ist nicht dramatisch, sollten potenzielle Käufer jedoch im Hinterkopf behalten, gerade wenn auch regelmäßig lange Schotter-Anstiege auf dem Plan stehen. Die hochwertige Praxisworks Kurbel passt sich zudem gut ans Gesambild an. Mit den hauseigenen Specialized Pathfinder Pro Gravelreifen hat man einen durchweg soliden Allrounder, welcher auf der Straße gut rollt und auf Gravel einen guten Kompromiss aus Grip und Komfort bietet. Wird es nass, kommt er jedoch recht rasch an seine Grenzen.
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