Giro d’Italia: Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass dieser Giro d’Italia ein Giro für die Bergfahrer sein würde, so wurde er heute erbracht. Ein Bergzeitfahren, bei dem auf einer Länge von 26,5 km 1.600 Höhenmeter zu bewältigen sind; 1.500 davon auf den letzten 18 km – 8,3 % durchschnittliche Steigung. Man kann eigentlich nicht wirklich glauben, dass sich Cadel Evans vor der Etappe noch ernsthafte Ambitionen aufs Gesamtpodium gemacht hatte.
Vom wunderschönen Bassano di Grappa führte der Anstieg hinauf auf den Hausberg, die Cima Grappa auf 1712 Metern gelegen. Der Tagessieger Nairo Quintana bewältigte die 26,85 km in einer Zeit von 1:05:37 h, was einem Stundenmittel von 24,5 km/h entspricht. Das war nicht nur um mehr als drei Minuten schneller als der erste Nicht-Bergspezialist, das ist auch total frustrierend für jeden Otto-Normal-Radler, der froh wäre die Strecke in der doppelten Zeit zu absolvieren.
Interessanterweise wechselten alle Top-Ten-Aspiranten im Anfang des Anstiegs von ihrer echten Zeitfahrmaschine auf ihr Straßenrad – manche hatten sich hierauf einen kurzen Tria-Aufsatz montieren lassen. Nairo Quintana wechselte sogar den Helm, beides Ton in Ton mit dem kompletten Outfit in Giro-Pink.
Der sonnige Nachmittag an dieser malerisch gelegenen Bergstraße, die von zehntausenden Radsportfans gesäumt war, stand ganz im Zeichen der Italiener und der Kolumbianer. Es gelang Fahrern wie Evans oder Hesjedal nicht in diese Phalanx einzubrechen. Einzig Pierre Rolland, der um „seinen“ Podiumsplatz kämpfte blieb in Schlagdistanz zu den besten Zeiten des Tages.
Wem die Herzen der Zuschauer gehörten, war deutlich zu sehen: der Italiener Fabio Aru sollte sich am besten den Tagessieg holen und sein weißes Trikot absichern. Letzteres war kein Problem, spätestens als er den drei Minuten vor ihm gestarteten Rafal Majka einholte. Ersteres war spannend bis zur letzten Pedalumdrehung. War der Unterschied im direkten Duell im Anfang des Anstiegs noch über 50 Sekunden groß, so schrumpfte er Sekunde um Sekunde und zeigte kurz vor dem Ziel erstmals Vorsprung für Aru an. Die bisherige Bestzeit von Pozzovivo hat er mit über zwei Minuten Vorsprung pulverisiert.
Doch es reichte nicht ganz für Aru. Quintana hatte sich seine Kräfte perfekt eingeteilt. 17 Sekunden war er am Ende schneller, als der großartige Aru. Damit konnte er seine Position in der Gesamtwertung natürlich komfortabel absichern.
Trotzdem wird es wird nicht lange dauern bis der 23-jährige Aru von der italieneichen Öffentlichkeit als neuer Marco Pantani gefeiert werden wird. Wir dürfen gespannt sein, welch packenden Kampf sich die Podiumskandidaten morgen auf den Zoncolan liefern werden.