Ich hatte in der Vergangenheit schon schwierige Wochenenden zu bewältigen, aber jenes, das ich gerade in Whistler erlebt habe, hat einen neuen Rekord aufgestellt!
Bei meiner Ankunft in Whistler Montag spürte ich immer noch Probleme in meinem Knie. Als Erstes reservierte ich eine Reihe physiotherapeutische Behandlungen in Back in Action sowie Akupunkturmassagen und Tapings. Eine gute Entscheidung. An den folgenden Tagen fühlte ich mich durch diese Behandlungen schnell besser.
Als ich Donnerstagmorgen von meinem morgendlichen Aufwärmen zurückkam, wollte ich eigentlich kurze Sprints trainieren, um meine Beine in den Rennmodus zu bringen, aber ich fühlte mich total kraftlos. Ich begab mich zu unserer Wohnung zurück und warf mich nach einer schnellen Dusche ins Bett. Ich war leer und hatte Fieber.
Freitagmorgen wachte ich mit starken Halsschmerzen aber weniger starkem Fieber auf. Ich beschloss somit, an den Aufklärungsfahrten des Tages teilzunehmen. Ich fuhr die Wertungsprüfungen 1 und 2 zwei Mal ab und dann langsam die 5, wobei ich meine Herzfrequenz unter 120 Schlägen pro Minute hielt, um den Stress auf meinen Körper so gering wie möglich zu halten.
Als ich in der Wohnung zurück war, stellte ich fest, dass mein Hals immer mehr wehtat. Ich spürte auch ein Prickeln in meinen Fingern und hatte einen Ausschlag im Gesicht. Die Nacht war kurz und ich wachte voller Schmerzen auf. Ich bereitete mich aber trotzdem auf den zweiten Erkundungstag vor.
Ich fuhr die Wertungsprüfung 3 zwei Mal ab. Während der 40 Minuten Anstieg zur Anfahrt achtete ich wie schon am Vortag darauf, meine Herzfrequenz niedrig zu halten. Gar nicht einfach bei einem sehr steilen Anstieg!
Jetzt blieb noch die Erkundung einer Wertungsprüfung übrig und man kam von der 5 oben aus hin. Ich fuhr sie ein Mal ab und fuhr wieder zur Wohnung hinunter. Ich war kaputt und alle meine Symptome waren schlimmer geworden. Mein Hals tat mir wirklich weh, und als ich ihn im Badezimmer untersuchte, stellte ich bestürzt fest, dass mein Mund voller Blasen war!
Es war spät, aber mir war klar, dass ich einen Arzt aufsuchen musste. Mein Team Manager Ray brachte mich also gegen 10 Uhr am Abend zum Whistler Medical. Aber um diese Zeit war es strikt unmöglich, eine Behandlung zu erhalten oder auch nur eine richtige Untersuchung. Es wurde mir trotzdem Blut abgenommen, aber das Ergebnis könnte ich erst am darauf folgenden Tag erhalten. Ein Arzt empfahl mir lediglich, nicht am Rennen am darauf folgenden Tag teilzunehmen. Das höre ich nicht zum ersten Mal in meiner Karriere. Um 1 Uhr am Morgen war ich zurück in meinem Bett, ohne Diagnose und ohne Lösung, deprimiert.
Renntag
Ich wachte ziemlich nervös auf. Nicht wirklich wegen des Rennens selbst, aber wegen der möglichen Folgen für meine Gesundheit durch einen Tag, der besonders anstrengend sein sollte. Ich beschloss, dieses Alarmsignal auszublenden und mich auf das Rennen zu konzentrieren.
Wertungsprüfung 1
Ein einstündiger Anstieg auf dem Fahrrad, dann eine kurze Abfahrt zum Aufwärmen, um zum Start zu gelangen. Ich fuhr vorsichtig los. Durch die zahlreichen Erkundungsfahrten der Fahrer war das Gelände zusammengefahren. Überall waren Löcher, die potenzielle Fallen waren. Ich fuhr wirklich sehr ruhig und hatte im Ziel einen Blutgeschmack im Mund. Das ist nicht gerade der Renner.
Nochmals eine 40-minütige Auffahrt bei 30°C, um zum Start der Wertungsprüfung 2 zu gelangen. Ich vergaß nicht, Wasser und Nahrung zu mir zu nehmen und ich versuchte, immer möglichst im Schatten zu fahren.
Wertungsprüfung 2
Sehr ähnlich wie die 1. Sehr technische Teilstücke. Es war schwierig, auf dem ebenfalls zusammengefahrenen Gelände einen guten Rhythmus zu halten. Ich fühlte mich etwas besser, war aber immer noch genauso vorsichtig.
Die Transferteilstrecke zur folgenden Wertungsprüfung war länger und man musste ein Tal durchqueren und auf einem eher breiten Weg auf der anderen Seite wieder hinauffahren. Zum Glück war ein guter Teil davon im Schatten, da es jetzt über 30°C warm war.
Wertungsprüfung 3
Eine Strecke, die eher meinen Fähigkeiten entsprach, etwas offener als die vorhergegangenen, aber genauso zusammengefahren. Durch den Umstand, dass mein Körper durchhielt, hatte ich etwas mehr Vertrauen und mir gelang ein guter Run. Ich motivierte mich für die nächste Wertungsprüfung. Ich wusste, dass wir danach die nächste Auffahrt mit dem Sessellift machen würden. Bis dahin musste ich durchhalten.
Auf der nächsten Transferteilstrecke mussten wir das Tal in der anderen Richtung durchqueren mit anschließend einer guten Stunde Auffahrt in der prallen Sonne. Ich war noch nie so froh, einen so leichten und gut belüfteten Helm wie den Parachute zu haben. Ich trank zwei Liter Wasser während der Auffahrt und kam gerade noch innerhalb des Zeitlimits am Start der Wertungsprüfung an. Jetzt war ich so langsam in richtigen Schwierigkeiten. Die Hitze war erdrückend und ich hatte überall Schmerzen.
Wertungsprüfung 4
Meiner Meinung nach die technisch anspruchsvollste des Wochenendes. Ein wirklich gefährliches Gelände. Ich hatte mir vorgenommen, vorsichtig zu fahren und vor allem mein Fahrrad nicht zu beschädigen. Die letzte Wertungsprüfung sollte sehr lang sein. Es war wichtig, sie mit einem funktionstüchtigen Material anzugehen.
Ich fuhr los und fühlte mich alles in allem ganz gut. Da wo ich üblicherweise angreife, machte ich langsam und ich kam ohne größere Probleme durch. Mein Hals brannte wie nie. Ich warf mich auf das am Ziel zur Verfügung stehende Eiswasser, um mich zu erfrischen.
Wir hatten 30 Minuten, um zum Paddock zurückzukehren und noch etwas Zeit, bevor es zur letzten Wertungsprüfung gehen sollte (top of the world).
Für die letzte Wertungsprüfung beschloss ich, alles zu geben. Ich hatte jetzt schon mein Ziel erreicht, in dem bis hierher gekommen bin. Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Die weniger enge Streckenführung als bei den vorangegangenen Wertungsprüfungen entsprach gut meinem Fahrrad und meinem Fahrstil. Und außerdem konnte ich auf so einer langen Wertungsprüfung eventuell meinen Rückstand etwas aufholen, den ich mehr am Anfang des Tages eingebrockt hatte.
Wertungsprüfung 5
Von Beginn an konnte ich ein gutes Tempo finden. Es war wie ein Wunder, dass ich meine Schmerzen nicht mehr fühlte. Ich versuchte so sauber und so effizient wie möglich zu fahren, um immer eine gute Geschwindigkeit beizubehalten. Es funktionierte alles wunderbar, und als ich über die Ziellinie fuhr, hatte ich das Gefühl, eine gute Leistung hingelegt zu haben.
Ich konnte mir nur schwer darüber klar werden, dass ich das Rennen zu Ende fahren konnte und schon gar nicht, dass ich auf den sechsten Platz in der Gesamtwertung gefahren war.
Gleich nach dem Rennen ging es wieder zurück ins Krankenhaus. Das Ergebnis der Blutuntersuchung war ein aphtöses Fieber, dass man mit … einer Woche Betttruhe behandelt! Nach so einem Wochenende konnte mir nichts Besseres passieren!
Diese anstrengende Erfahrung lehrte mich, das die Willenskraft und der Körper gemeinsam die Grenzen weit nach hinten verschieben können. Ich habe auch gelernt, dass es wichtig ist, nicht gleich bei den ersten Anzeichen einer schwierigen Situation, die Arme hängen zu lassen. Vieles hat bei den letzten Rennen nicht so wie erhofft funktioniert, aber das ist eben Wettkampf. Nicht aufgeben, niemals. Das zahlt sich irgendwann aus.
Nächsten Oktober geht es weiter in Finale Ligure mit dem letzten Rennen des EWS. Aber davor geht es heim nach Neuseeland und dann zurück nach Europa für die Bluegrass Enduro Tour in Castelbuono in Sizilien.
Justin