Story: Mehrfacher holländischer Meister, dreifacher Europameister und Weltmeister – Joost Wichmans Erfolgsliste ist lang und kann sich mehr als sehen lassen. Der groß gewachsene 36-Jährige ist ein Sympathieträger, ein gern gesehener Gast bei jedem Event und noch immer ein Favorit für den Sieg. Doch die Zeit eines Profisportlers ist begrenzt, so auch die des fliegenden Holländers.
Vor der UCI MTB Weltmeisterschaft 2013 hatte Joost Wichman bereits seinen Rückzug aus der aktiven Rennszene bekannt gegeben und bestritt bei den Titelkämpfen in Leogang sein letztes Rennen. Dass er sich dabei seinen lang ersehnten Traum des Regenbogentrikots erfüllen konnte, damit war nicht zu rechnen. Doch er glaubte an sich und fuhr ein fulminantes Rennen.
Als Weltmeister abzutreten, scheint für viele ein guter Schritt zu sein. Denn wie heißt es so schön, man soll auf dem Höhepunkt seiner Karriere aufhören. So aber nicht Joost. Er wollte sein hart erarbeitetes Regenbogentrikot mit geschwollener Brust tragen und so kam es doch vor, dass man ihn dieses Jahr das ein oder andere Mal auf der Rennstrecke sah. Wir begleiteten Joost nach Finale Ligure zum letzten Rennen der Enduro World Series – sein schlussendlich letztes Rennen seiner Profikarriere.
Finale Ligure ist ein, wenn nicht sogar das Enduro-Mekka Europas. Die Superenduro Serie, welche als eine der ältesten Enduro Serien gilt, ist hier zu Hause und ist seither extrem beliebt. Auch für Joost war es nicht der erste Besuch in Finale. Die Bedingungen sind hier fast ganzjährig perfekt, um wichtige Tests zu absolvieren und um an seinen Skills zu arbeiten.
Das Wetter hätte für die letzte Runde des Enduro World Series nicht besser sein. Petrus verschonte das Fahrerfeld mit Regen und die Sonne strahlte einem mit angenehmen 28 Grad ins Gesicht – perfekte Bedingungen für ein Race-Wochenende.
Die Vorbereitungen auf das Rennen begannen bereits am Donnerstag. Den Fahrern wurde zwei Tage Training gewährt und erstmals durfte man in Finale auch Shuttles nutzen. Kurzerhand wurde entschieden selber zu shuttlen und gemeinsam mit Katy Curd, Joosts ehemaligen Teamkollegin, ging es auf die ersten Trails.
Die beiden Trainingstage waren mein Highlights.
Die Trails rund um Finale machen so ein Spass und wenn du nicht selber mit dem Bike hochfahren musst kann man eine ganze Menge Runs machen.
Die Stages hatten alle etwas anderes zu bieten, was wirklich spannend war.
Stage 3, 5 und 6 waren super flowig, Stage 1 und 3 gab es nur Steine und technische Switchbacks. Mein Favorit war definitiv Stage 4. Am Anfang ein paar schöne Sprünge, flowige Kurven, ein geiles Panorama über das Mittelmeer und dann noch das Gehämmer von die letzte drei steilen Passagen. Als Bonus landest du genau am Strand mit ein leckeren Gelato und kannst den Tag ganz entspannt ausklingen lassen.
Für das Rennen hieß es jedoch selbst strampeln und das nicht wenig. Mehr als 2300 Höhenmetern an zwei Tagen, verteilt auf eine Gesamtlänge von 95 Kilometern und sechs Stages. „Ich hatte eine Menge Ups und Downs an diesem Wochenende. Im genau zu sein 2300 Meter Ups und das gleiche Downs“, lacht Joost nach dem Rennen.
Durch seine hohe Startnummer hatte er auf den einzelnen Stages mit viel Verkehr zu kämpfen und musste zwischenzeitlich bis zu sechs Fahrern überholen. Ohne große Defekte und Stürze reichte es am Ende von Tag zwei für Rang 132.
Für einen Weltmeister nicht zufrieden stellend, doch auch Joost musste sich eingestehen, dass das Level im Enduro-Sport derzeit so hoch ist, dass es für ihn nicht möglich ist in die Top 50 zu fahren.
„Das Niveau ist echt beeindruckend und wenn ich daran denke, dass ich noch vor vier Jahren mit Graves um Weltcupsiege gekämpft habe, muss ich den Hut vor ihm ziehen. Er hat den Wechsel zum Enduro unglaublich gut gemeistert und hat sich den Titel des Enduro-Weltmeisters redlich verdient.
Für mich war es ein toller Saisonabschluss. Die Atmosphäre war super, das Wetter bombig und es war toll alte Freunde, wie meinen alten Cannondale-Mechaniker wieder zu treffen. Doch so richtig warm werde ich mit dem Enduro-Format nicht. Mir macht es viel Spaß mit Freunden Radfahren zu gehen, doch mir fehlt das Racefeeling. Im Fourcross lag so viel Spannung in der Luft, man war vom ersten Lauf an zu einhundert Prozent fokussiert.
Beim Enduro habe ich nicht das Gefühl in diese Zone zu kommen aber auch die anderen Fahrer wirken super entspannt und das obwohl es eins der wichtigsten Rennen des Jahres war.“
Ab dem kommenden Jahr wird Joost bei seinem Sponsor Radon Bikes die Stelle des Sportmarketing Managers besetzen und sich vorrangig um die PR- und Teamarbeit kümmern.
„Mittlerweile bin ich 36, Vater und sicherlich nicht mehr so fit, wie vor fünf Jahren. Finale war für mich mein letztes Rennen als Profi. Ich werde weiterhin auf Rennen anwesend sein und vielleicht auch einmal mit an den Start gehen, doch mein Fokus liegt nun auf meiner Arbeit für Radon, worauf ich mich sehr freue. Es ist eine neue Herausforderung, der ich mich gern stelle.“