Radsport: Fabio Aru hat wohl endgültig wieder zurück in die Spur gefunden – wohl aber zu spät im Kampf um die Gesamtwertung. Der junge Italiener gewann heute in Sestriere die zweite schwere Etappe in Folge und holte weiter Zeit auf Contador auf. Dennoch geht der Spanier von Tinkoff-Saxo mit einem äußerst beruhigenden Zeitpolster in die letzte Etappe nach Mailand morgen.
Wie gestern bereits schrie Fabio Aru beim Überqueren der Ziellinie seine Freude heraus. Wenige Minuten später strahlte der 24-jährige mit dem Siegerstrauß in den Händen in die Kameras. Man mag kaum glauben, dass er heute wohl endgültig den Kampf um Rosa gegen Alberto Contador verloren hat. Doch die Erleichterung über die wiedergefundene Form und die Genugtuung angesichts der teils überzogenen Kritik, die vor allem aus der heimischen Presse auf den jungen Sarden nach einigen schwächeren Leistungen einprasselte, überstrahlte am heutigen Abend wohl die Enttäuschung.
Die ersten 150km der heutigen Etappe von Saint-Vincent nach Sestriere waren lediglich Vorgeplänkel auf den über allem trohnenden Colle delle Finestre. Der legendäre Anstieg war in diesem Jahr zum dritten Mal Teil des Giro – mit einer maximalen Steigung von 14% und einer Länge von 18,5km, von denen die letzten zehn über Schotter führten, wird er sich wohl bei allen Fahrern heute ins Gedächtnis gebrannt haben. An seiner Spitze entschied sich auch die Bergwertung des Giro d’Italia 2015: Da sich Mikel Landa die 45 Punkte an der Spitze vor Kruijswijk (LottoNL-Jumbo) und Intxausti (Movistar) sicherte, vermochte es heute keiner der Fahrer mehr, Giovanni Visconti von der Spitze zu stoßen. Der Italiener von Movistar gewinnt also die Bergwertung des Giro 2015.
Alberto Contador kam auf dem wirklich extrem harten Anstieg des Colle delle Finestre auch in große Schwierigkeiten – Mikel Landa attackierte zusammen mit Zakarin (Katusha) und nahm seinem Landsmann bis zum Gipfel 1:30 Minuten ab. Besonders problematisch für Contador war auch die Tatsache, dass zu seinen schweren Beinen auch noch die Tatsache kam, dass auch seine Teamkollegen nicht den besten Tag erwischten: Er war für den gesamten Anstieg und die darauffolgende Abfahrt komplett isoliert. Das Spitzenduo Landa / Zakarin funktionierte in der Folge nicht sonderlich gut, was vor allem daran lag, dass dem Russen immer mehr die Kraft ausging, bis er sich schließlich ganz zurückfallen ließ. Aru schloss dann sofort zu seinem Teamkollegen an der Spitze auf – an seinem Hinterrad fuhren Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin), Steven Kruijswijk und Rigoberto Uran (Etixx-QuickStep). Alberto Contador konnte nicht folgen und fiel immer weiter zurück.
Wie bereits gestern vermochte Aru dann auf den finalen Kilometern unglaubliche Kräfte zu mobilisieren. Bis ca. 3km vor dem Ziel blieb die Spitzengruppe weitestgehend zusammen, die beiden Astana-Fahrer machten das Tempo. Dann attackierte Fabio Aru. Wie gestern zog er auf dem Schlussanstieg nach Sestiere scheinbar mühelos davon und distanzierte seine Verfolger Hesjedal und Uran um 18, bzw. 24 Sekunden. Alberto Contador kam als Sechster mit einem Rückstand von 2:25 ins Ziel und profitierte heute von seinem zu Beginn bereits enormen Zeitpolster auf Aru und Landa. So dürfte der Gesamtsieg morgen auf der komplett flachen Etappe nach Mailand für den Spanier nur noch Formsache sein.
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Endresultat Etappe 20 Giro d’Italia 2015
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1.,Fabio Aru,ITA,Astana,05:12:25
2.,Ryder Hesjedal,CAN,Cannondale-Garmin,00:00:18
3.,Rigoberto Uran,COL,Etixx-QuickStep,00:00:24
4.,Mikel Landa,SPA,Astana,
5.,Steven Kruijswijk,NED,LottoNL-Jumbo,00:00:34
6.,Alberto Contador,SPA,Tinkoff-Saxo,00:02:25
7.,Tanel Kangert,EST,Astana,00:02:28
8.,Franco Pellizotti,ITA,Androni,
9.,Leopold Konig,CZE,Sky,
10.,Diego Rosa,ITA,Astana,
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Das Schwerste kommt zum Schluss
Die letzte Bergetappe des Giro folgt einer ähnlichen Dramaturgie wie die Strecke des Vortages: ein langes flaches Einfahren, dann ein Etappenfinale im Hochgebirge. Vom Startort Saint-Vincent geht es zunächst das Aosta-Tal hinab in die Po-Ebene. An Turin vorbei führt das Rennen ins Susatal. Im gleichnamigen Ort beginnt dann der Anstieg zur Cima Coppi: Der Colle delle Finestre ist der höchste Pass des diesjährigen Giro und – neben dem Mortirolo – einer der schwersten: Über 18 Kilometer lang, knapp 1.700 Meter Höhendifferenz, eine Durchschnittssteigung von über 9 Prozent. Bei Il Colletto endet der Asphalt, die letzten sieben Kilometer Anstieg führen über Schotter und festgestampften Lehmboden. Sollte es an diesem Tag regnen, erschwert dies nicht nur die Auffahrt für die Fahrer, sondern wird auch für besonders spektakuläre Bilder sorgen. Erinnert sei an die 7. Etappe des Giro 2010 über die unbefestigten Strade Bianche der Toskana, als bei strömendem Regen ein bis zur Unkenntlichkeit verdreckter Cadel Evans siegte. Der Finestre ist für Tifosi besonders interessant, sind doch die engen Serpentinen der letzten Kilometer gut von oben einsehbar. Nach einer schmalen Abfahrt, auf der Paolo Savoldelli 2005 seinen Giro-Sieg rettete, wartet der Schlussanstieg nach Sestriere. Dieser stellt sicher keine Höchstschwierigkeit dar, wird den Fahrern, die drei Wochen Rundfahrt in den Beinen haben, aber noch einmal Qualen bereiten.
TV und Stream
Dieses Jahr überträgt Eurosport live von jeder Etappe des Giro. Auch im Internet gibt es den einen oder anderen Stream.
TV-Übertragung
Samstag, 30. Mai, 14:30 – 17.30 Uhr
Internetstream
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