Interview: Es gibt wenige Sportler, die einem über Jahre im Gedächtnis bleiben. Meistens sind es diese, die mit unglaublichen Leistungen Edelmetall, Meistertrikots und etliche Fans errungen haben und abseits des Sports mit großer Sympathie begeistern. Die Niederländerin Anneke Beerten ist solch eine Sportlerin. Wir haben der ersten Enduro Europameisterin auf den Zahn gefühlt und uns mit ihr über ihren Werdegang, Enduro und der Zukunft ausgetauscht.
Hallo Anneke, viele werden dich bereits vom Fourcross oder Enduro kennen, stell dich doch bitte trotzdem einmal kurz vor. Seit wann sitzt du auf dem Rad und wann wurdest du Profi?
Ich bin aus den Niederlanden und mein ganzes Leben fahre ich schon Rad. Mit vier Jahren habe ich angefangen BMX zu fahren, jetzt bin ich 32 und ich fahre immernoch Rad. Auf dem BMX wurde ich sechsmal niederländische Meisterin und konnte zweimal bei den Weltmeisterschaften gewinnen. Irgendwann brauchte ich eine neue Herausforderung und so hab ich mit 17 das erste Mal ein Bein über ein Mountainbike geworfen. Einige Jahre später wurde ich Profi und das bin ich noch immer mit Herz und Blut.
Du warst dann lange auf dem Fourcrosser unterwegs und bist 2013 zum Enduro gewechselt. Die Disziplinen sind sehr unterschiedlich aber im letzten Jahr konntest du dich mit guten Resultaten beweisen. Vor wenigen Wochen fand die erste Enduro Europameisterschaft in Kirchberg statt und du konntest das Rennen für dich entscheiden. Das Wetter spielte zwar nicht ganz mit aber du hast ein tolles Rennen absolviert. Kannst du uns deine Eindrücke von dem Event schildern.
Es war ein tolles Rennen und die allererste Enduro EM überhaupt zu gewinnen ist unglaublich. Das ganze Wochenende war eine Challenge, durch den vielen Regen waren die Bedingungen sehr schwierig – zwischendurch schneite es sogar. Überraschenderweise fühlte ich mich unter diesen schwierigen Bedingungen wirklich gut und es fühlte sich teileweise an als würde ich eine Motocrossmaschine durch tiefen Schlamm fahren. Ich hatte definitiv Spaß und habe einfach versucht nicht zu stürzen, was am Ende gut gelang.
Warst du etwas enttäuscht nicht alle europäischen Topfahrer bei der EM zu sehen?
Ja schon aber das ist oftmals so bei den europäischen Rennen. Wir haben mittlerweile so viele Events, dass es schwierig ist überall an den Start zu gehen. Einige waren bei der Trans Provence, die am gleichen Wochenende stattfand aber nichtsdestotrotz gab es viele Starterinnen und ich kann dir sagen, da gibt es einige schnelle Mädels!
Du hast in deiner bisherigen Karriere viele Siege in den unterschiedlichsten Disziplinen errungen und auch die Ergebnisse bei der Enduro World Series werden besser und besser. Letztes Jahr konntest du bereits dein ersten Stagesieg holen und der Tagessieg ist zeweifelslos der nächste große Schritt. Was glaubst du musst du machen, um Tracey und Anne-Caroline zu schlagen?
Ich hab das Gefühl, wenn das Event und die Strecken zu meinem Fahrstil passen bin ich in der Lage sie zu schlagen. Langsam aber sicher finde ich heraus wie ich Stages gewinnen kann und jetzt geht es eben darum am Renntag nicht nur eine zu gewinnen sondern mehrere.(lacht)
Welches der EWS Rennen magst du am meisten und was glaubst du, wo sind deine Chancen auf den Sieg am größten?
Das ist immer schwer zu sagen. Ich mag die anspruchsvollen Rennen wie in Schottland aber eben auch die flowigen und schnellen Stages in Frankreich. Ich freue mich auf Colorado nächsten Monat, ich liebe es dort zu fahren. (Anm. d. Red.: Anneke gewann im letzten Jahr in Colorado ihre erste EWS Stage. Die schnellen und sprunglastigen Trails kommen ihrem BMX Hintergrund zu Gute.)
Du bist bereits vor vielen Jahren für Specialized gefahren, bis sie sich entschieden ihr Gravity Programm einzustellen. Du warst dann eine Weile auf Trek unterwegs und mit dem Wechsel zum Enduro bist du 2013 auch wieder zurück zu Specialized. Beides sind große Firmen mit einem großen Mountainbike Hintergrund. Wieso hattest du dich für den Wechsel entschieden?
Als ich für Trek gefahren bin lag der Fokus ganz klar auf Fourcross und ich war in dem Team von Bart Brentjens, welches stark Cross Country orientiert war. Nachdem ich die Fourcross WM zweimal gewonnen hatte, war ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ich war die ganzen Jahre in gutem Kontakt mit Specialized geblieben und als ich hörte, dass sie ein Enduro Team aufbauen würden habe ich Benno Willeit, den Teammanager, kontaktiert. Ich hab mich super gefreut meine neue Herausforderung Enduro mit Specialized gemeinsam anzugehen.
Welches Rad benutzt du derzeit am häufigsten? Normalerweise sehen wir dich auf dem Enduro 29, doch die letzten Male warst du auf dem brandneuen Stumpjumper unterwegs. Wirst du das Stumpjumper für den Rest der Saison fahren? Wo liegt der große Unterschied zu dem Enduro?
Ich bin ein wenig verwöhnt muss ich sagen, Specialized hat eine ganze Menge toller Bikes. Bisher bin ich das Enduro 29 gefahren. Das Bike ist eine Maschine und vor allem im Downhill ist es unglaublich gut. Das neue Stumpjumper hat mich aber schon bei der ersten Probefahrt begeistert und ich hab mich sofort verliebt. Es ist ein wenig verspielter als das Enduro und zudem ist es ein bisschen leichter. Ich bin die letzten Rennen auf dem Stumpjumper gefahren, weil die Strecken einfach gut zu dem Bike passten. Mir fällt es ziemlich leicht zwischen den beiden Rädern zu switchen und so denke ich, dass ich die Bikes je nachdem wie die Strecken sind auswähle.
Es ist etwas verwunderlich eine Frau auf einem 29er zu sehen. Wieso nutzt du sie? Passen sie besser zu deinem Fahrstil als die 650B Laufräder?
Tracey Moseley fährt auch 29…für mich fühlt es sich schlichtweg schneller an und nachdem ich einige Zeit mit Test verbracht habe, hat auch die Uhr für das 29er gestimmt.
Du fährst außerdem normale unisex Rahmen obwohl es bereits frauenspezifische Bikes gibt. Würdest du dir wünschen ein auf Frauen abgestimmtes Enduro 29 fahren zu können?
Das neue Rhyme von Specialized ist ein tolles Endurobike nur für Frauen. Zur Zeit gibt es das Rad leider nur mit 650B aber es toll zu sehen, dass die Firmen und auch wir bei Specialized mehr in der Richtung machen. Ich bin mir sicher, dass wir zukünftig mehr solcher Räder sehen und auch ich früher oder später Rennn damit fahre.
Inwieweit bist du in den Entwicklunsgprozess bei Specialized involviert und wie funktioniert dieser Prozess?
Wir als Specialized Athleten sind in allen Entwicklungs- und Teststufen eingespannt. Die Firma ist sehr leidenschaftlich bei der Entwicklung und sie nehmen unsere Ideen und das Feedback der Fahrer sehr ernst. Wir reden kontinuirlich über die Produkte und vor allem nach den großen Events geben wir Feedback. Ein sehr cooles Produkt bei dem ich stark eingebunden war ist das SWAT Bandit, ein echt tolles Enduro Produkt, das ich sehr mag.
Was glaubst du, wie sich Enduro entwickeln wird? Ist es bereits auf seinem Höhepunkt oder ist da noch mehr was kommen wird?
Ich denke, da wird in Zukunft noch eine Menge passieren. Enduro ist noch immer eine sehr junge Disziplin und es entstehen immer mehr Rennserien. Die Enduro World Series macht einen super Job und promotet den Sport auf eine tolle Art und Weise. Das Rennen in Irland ist ein gutes Beispiel dafür wie groß bereits der Sport ist. Es kamen so viele Zuschauer zu den Stages und die Stimmung war unglaublich. Das schöne ist doch, dass es jeder machen kann!
Wir sind leider bereits am Ende unseres Interviews aber es gibt noch eine Sache, die ich gern von dir wissen würde. Nach so vielen Jahren des Rennenfahrens: Wie bleibst du motiviert?
Es ist in meinem Blut…ich liebe es Rennen zu fahren, zu reisen und meinen Träumen zu folgen. Ich werde ziemlich mürrisch, wenn ich nicht zum Radfahren komme. Setze mich also auf ein Rad und ich bin glücklich.
Fotos: Sebastian Schieck