Probefahrt: Bianchis neues Topmodell Specialissima ist eine Versuchung auf zwei Rädern. Velomotion hätte das Rad bei der Eurobike am liebsten gleich eingepackt – wäre da nicht der Preis.
Wenn man nach einem Farbton gefragt würde, der stellvertretend für die Faszination Radsport steht, würde eine Mehrheit wohl das Celeste von Bianchi nennen. Seit 1885 produziert das italienische Traditionsunternehmen Fahrräder, auf denen die bekanntesten Athleten der Radsportgeschichte Erfolge einfuhren. Fausto Coppi, Felice Gimondi, Eddy Merckx, Marco Pantani oder Jan Ullrich sind nur einige Namen berühmter Bianchi-Fahrer. Das Unternehmen hätte mal wieder einen Tour-Sieger verdient – das Rad dafür wäre vorhanden.
Denn Bianchi hat ein neues Topmodell im Programm: das Specialissima. Bei dem im Monocoque-Verfahren hergestellten Rahmen setzen die Italiener großzügig auf ihre Countervail-Technologie. Hierbei handelt es sich um selbst entwickelte, patentierte Carbonfasern, welche in das Carbon-Layup eingewebt werden. Damit soll die Dämpfung des Rahmes drastisch erhöht, zugleich aber auch die Steifigkeit verbessert werden. Das Ergebnis ist ein klassisch wirkender, in Größe 55 790 Gramm leichter Rahmen. Dieser ist sowohl für mechanische als auch elektronische Schaltgruppen vorbereitet, verfügt über ein Pressfit-Tretlager mit BB86,5-Ausmaßen und Ausfallenden aus Carbon. Die Kabel verlaufen vollständig im Rahmeninneren. Das nach vorne leicht spitz zulaufende Steuerrohr soll die Aerodynamik verbessern und orientiert sich an Bianchis Zeitfahrmaschine Aquila. Das Sattelstützenmaß beträgt 27,2 Millimeter. Sieben Rahmengrößen zwischen 47 und 61 Zentimetern stehen zur Verfügung. Die 340 Gramm leichte Vollcarbongabel ist ebenfalls mit den Countervail-Fasern bestückt.
Das Design ist minimalistisch: Der Rahmen kommt wahlweise in schwarz oder Bianchi-Celeste, die Grafiken und Logos sind nur umrissen und werden in Italien handgemalt. Wem diese zurückgenommene Optik zu dezent ist, hat über das Programm „tavolozza“ die Möglichkeit, seine ganze eigene Wunschfarbe und grafische Gestaltung zusammenzustellen. Dabei ist natürlich auch der klassische Celeste-Look mit kräftigen Decals erhältlich, wie es sich an den Rädern des Teams LottoNL-Jumbo findet.
Probefahrt
Das Testrad beim Demoday der Eurobike war ausgestattet mit einer mechanischen Super Record-Schaltung und Bora Ultra 35-Laufrädern, beides aus dem Hause Campagnolo. In Kombination mit dem sehr leichten Rahmenset ergab sich so ein atemberaubendes Fahrgefühl: sehr leicht, extrem stabil, angenehm wendig und ansprechend komfortabel fühlte sich das Specialissima an. Auf Tempowechsel und Antritte reagierte das Rad unmittelbar und ohne Kraftverluste. An Anstiegen machte sich das geringe Gewicht ausgesprochen positiv bemerkbar, leicht wie eine Feder glitt das Rad im Wiegetritt zwischen den Beinen hin und her. Gleichzeitig strahlte es souveräne Sicherheitsreserven und hohe Stabilität aus. Die Geomtrie ist sportlich und trägt zum großen Vorwärtsdrang des Rades bei. Der Spaßfaktor war enorm, gerne hätten wir das Rad mit nach Hause genommen.
Um das Specialissima sein eigen nennen zu können, muss man allerdings tief in die Tasche greifen. Nicht weniger als 4.299,- Euro ruft etwa der offizielle Bianchi-Shop für Deutschland auf – für das Rahmenset, nicht etwa für ein Komplettrad! Neben dem Rahmenset bietet Bianchi das Specialissima in vier Ausstattungsvarianten an: mit Campagnolo Super Record oder Simano Dura Ace, jeweils entweder in mechanischer oder elektronischer Ausführung. Als Laufradoptionen stehen Fulcrums Racing Zero Nite, Racing Zero Carbon, Racing Speed XLR oder Campagnolos Bora Ultra 35 zur Auswahl.
Das Specialissima ist eine Versuchung – technisch auf höchstem Niveau bietet es größten Fahrspaß, allerdings zum exorbitanten Preis. Doch was wäre das Leben ohne die ein oder andere Sünde?