Test: Mit dem BH Atom Lynx 4.8 27,5 präsentiert der spanische Hersteller BH ein neues E-MTB mit Brose Motor, das sich mit seinen 120mm Federweg vorn und hinten und einer sportlichen Geometrie irgendwo im Spannungsfeld zwischen potentem Tourer und verspieltem Trailbike bewegt. Auf Mallorca haben wir das neue E-Fully einem harten Test unterzogen.
BH Atom Lynx 4.8 27,5: Rahmen und Geometrie
Das BH Atom Lynx 4.8 hat im Programm der Basken einen Namensvetter ohne E-Antrieb, der bei der Entwicklung des Atom Lynx 4.8 Pate stand: Die Lynx Plattform gibt es nun nämlich schon seit rund drei Jahren und das Lynx 4.8 im Speziellen ist das Trailbike von BH. Das zeigt also auch schon ganz klar, wohin die Richtung beim Atom Lynx 4.8 geht – mit 120mm Federweg, 27,5″ Laufrädern, dem Split Pivot Hinterbau und einer modernen Geometrie ist das neue Brose Fully eher Trailräuber als entspannter Tourer.
E-MTBs stellen die Konstrukteure in puncto Geometrie vor neue Herausforderungen. Das liegt insbesondere an den durch den Mittelmotor eher langen Kettenstreben, die den Radstand insgesamt wachsen lassen. Das ist zwar gut für die Laufruhe, kostet bei der Agilität jedoch ein paar Prozentpunkte gegenüber unmotorisierten Mountainbikes. Aus diesem Grund konnte man bei BH auch die Geometrie des „Ur-Lynx“ nicht 1:1 übernehmen; beim Blick auf die Geometrietabellen wird dennoch deutlich, dass man sich am eigenen, etablierten Trailbike orientiert hat. Der mit 67° erfreulich flache Lenkwinkel steigert die Laufruhe und mindert mögliche Überschlagsgefühle, der lange Reach schiebt den Fahrer auch mit kurzem Vorbau in eine aggressive Position auf dem Rad. Mit 466mm fallen die Kettenstreben für ein E-MTB zudem erfreulich kurz aus. Ein wenig schade finden wir, dass es das BH Atom Lynx 4.8 vorerst nur in den beiden Rahmengrößen Medium und Large geben wird.
Geometrie BH Atom Lynx 4.8 27,5"
MD | LA | |
Sitzrohr (in mm) | 450 | 500 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 620 | 638 |
Steuerrohr (in mm) | 150 | 150 |
Kettenstrebe (in mm) | 466 | 466 |
Radstand (in mm) | 1211 | 1229 |
Lenkwinkel (in °) | 74 | 74 |
Sitzwinkel (in °) | 67 | 67 |
Reach (in mm) | 445 | 464 |
Stack (in mm) | 609 | 609 |
Neben der Geometrie entscheidet natürlich vor allem der Hinterbau über Frust oder Spaß auf dem Trail. Auch wenn sich dieser auf den ersten Blick grundlegend vom nicht-E Lynx unterscheidet, so setzen beide auf das gleiche Konzept: Split Pivot. Dabei handelt es sich um eine von Hinterbau-Experte Dave Weagle entwickelte Kinematik, die über eine clevere Anordnung der Lagerpunkte ein detailliertes Feintuning der einzelnen Antriebseinflüsse erlaubt. So bleiben Dämpfer und Hinterbau beispielsweise auch bei blockierendem Hinterrad aktiv.
Dank des im Unterrohr integrierten Akkus (dazu gleich mehr), dem schlanken Motor und der gefälligen Linienführung ist das BH Atom Lynx 4.8 optisch nicht auf den ersten Blick als ein E-MTB zu identifizieren. Leitungen und Züge verlaufen beim Hauptrahmen innerhalb des Rahmens und werden mit schraubbaren Gummitüllen auf Spannung gehalten, damit es im Rahmeninneren auch auf ruppigem Gelände nicht unangenehm klappert.
BH Atom Lynx 4.8 27,5: Antrieb und Motor
Kommen wir nun zum Herzstück des BH Atom Lynx 4.8 – dem Motor. Der Namenszusatz Atom steht bei BH für E-Bikes mit Antrieb vom deutschen Hersteller Brose – so also auch hier. Der Antrieb ist nun schon seit einigen Jahren am Markt etabliert, bekommt für das Jahr 2017 jedoch ein spannendes Softwareupdate, das einige der Kritikpunkte der Vergangenheit ausmerzen soll. So konnte man nicht nur die Reichweite optimieren, sondern auch die Spitzenleistung steigt um ca. 6%. Es steht nun auch eine zusätzliche Unterstützungsstufe – insgesamt also vier – zur Auswahl; BH ist der erste Hersteller, der ein E-MTB mit diesem neuen Feature im Programm hat.
Fast noch interessanter als den neuen Antrieb finden wir den im Unterrohr versteckten Akku. Dabei handelt es sich nämlich um eine Eigententwicklung von BH mit 600Wh. Die erhöhte Kapazität konnte man durch die Verwendung einer neuen Akkuabdeckung erreichen, die nun nicht mehr wie bisher aus Kunststoff, sondern aus Aluminium besteht. Bei gleicher Stabilität konnte man dadurch die Materialstärke verringern – das schafft mehr Platz im Inneren für mehr Energiezellen und eine insgesamt höhere Kapazität. Der Materialwechsel bringt noch einen weiteren positiven Nebeneffekt mit sich, nämlich eine deutlich verbesserte Wärmeableitung.
Der Akku ist auf Wunsch auch problemlos entnehmbar und kann außerhalb des Bikes geladen werden. Dank im Unterrohr integriertem Ladeport ist aber auch das Aufladen im montierten Zustand zum Beispiel in der heimischen Garage kein Problem.
Eine weitere Neuerung versteckt sich am Lenker: Display und Bedieneinheit bekommen vom spanischen Hersteller ein umfassendes Facelifting. Das neue Display hat ähnliche Abmessungen wie sein Vorgänger, doch die Anzeigefläche selbst ist jetzt dank dünnerem Rand deutlich größer. An dem integrierten USB Port lassen sich zudem nun auch bequem Smartphone oder andere Geräte während der Fahrt aufladen bzw. mit Strom versorgen. Dank der exponierten Lage oberhalb des Vorbaus lassen sich die Daten zwar bequem ablesen, aber das Display ist bei einem etwaigen Sturz recht ungeschützt. Die Bedieneinheit passt mit den großen Buttons und der robusten Verarbeitung sehr gut zum Einsatzgebiet am MTB.
BH Atom Lynx 4.8 27,5: Ausstattung
Rahmen | 120mm Full Suspension Alloy |
Federgabel | FOX 34 Float Rythm 120mm |
Antrieb | Brose |
Akku | 600Wh |
Dämpfer | FOX Float DPS Performance |
Laufräder | Alloy Double Wall / Joytech Naben |
Reifen VR | Schwalbe Tough Tom 2,35" |
Reifen HR | Schwalbe Tough Tom 2,35" |
Schaltwerk | Shimano XT 11-fach |
Schalthebel | Shimano SLX M7000 |
Kurbel | FSA 36T |
Umwerfer | ohne |
Bremse | Shimano SLX M7000 |
Bremsscheiben | Shimano SLX 180mm |
Sattelstütze | Alloy 31.6 |
Sattel | Emotion Cross |
Vorbau | Emotion Lite |
Lenker | Emotion MTB Alloy Riser |
Rahmen: Check. Antrieb: Check. Aber wie sieht es mit der sonstigen Ausstattung am BH Atom Lynx 4.8 aus? Wie beim ebenfalls kürzlich vorgestellten BH Rebel Lynx 5.5 wird es auch das Atom Lynx vorerst nur in einer Ausstattungsvariante geben. Beim Fahrwerk setzt man auf volle Fox-Power und paart den Fox Float DPS Performance Dämpfer mit der FOX 34 Float Rythm Gabel mit 120mm. Die Rythm Gabel ist neu in dieser Saison und entspricht bis auf die etwas einfacher aufgebaute Dämpfung der Performance-Variante. Dank der 34mm Standrohre ist sie stabil genug für ruppige Trails und dem etwas höheren Gewicht eines E-MTBs. Der Float DPS Dämpfer kommt mit einer einstellbaren Druckstufe, die der Fahrer per Daumenhebel zwischen Offen, Mittel und Hart einstellen kann.
Geschaltet wird am BH Atom Lynx 4.8 per Shimano XT / SLX Kombination. Das 11-fach XT Schaltwerk lässt die Kette dabei auf der SLX Kassette von Ritzel zu Ritzel gleiten. Letztere ist mit 11-42 schön breit abgestuft und sollte – gerade am E-Bike – mehr als genügend Bandbreite bieten. Ebenfalls von Shimano kommen die Bremsen; die SLX Stopper werden gepaart mit 180mm Scheiben vorn und hinten und dürften für ein Rad der Klasse des Atom Lynx mehr als genügend Power in den Kolben haben.
Die Laufräder bestehen aus nicht näher bezeichneten Felgen auf JoyTech Naben. Bei den Reifen setzt man bei der Serie auf Schwalbes Tough Tom in der Breite 2,35″. Wem der Name Tough Tom nichts sagt: Dabei handelt es sich um den „alten“ Nobby Nic, bevor dieser zur letzten Saison ein neues Profil erhalten hat. Auf unseren Testrädern auf Mallorca war auf Grund der schwierigen Trails und des anspruchsvollen Untergrunds die Kombination aus Hans Dampf und Magic Marry verbaut.
Ein Thema für sich ist einmal mehr die Sattelstütze: In der Serienversion kommt das BH Atom Lynx 4.8 nämlich mit einer normalen 31.6 Sattelstütze aus Aluminium. Einige Fahrer dürften sich in schwierigem Gelände aber sicherlich eine versenkbare Variostütze wünschen – hier bietet BH wie bei vielen seiner Modelle ein sogenanntes Trailkit an. Für 369€ bekommt man hier nicht nur eine Kindshock LEV DX Variostütze, sondern mit den Michelin Wild Grip’R auch deutlich potentere Reifen.
BH Atom Lynx 4.8 27,5: Fahreindrücke vom Trail
Nun aber Schluss mit der grauen Theorie, denn die Wahrheit liegt wie so oft auf dem Trail. In unserem Fall auf dem felsigen Untergrund der Sonneninsel Mallorca, wo wir das BH Atom Lynx 4.8 im Rahmen eines Pressecamps auf Herz und Nieren testen konnten. Die Trails der Mittelmeerinsel sind anspruchsvolles Terrain und wir waren durchaus gespannt, wie sich ein auf dem Papier nicht für super-schweres Geläuf ausgelegtes Trailbike wie das Atom Lynx hier schlagen würde. Vom Start weg in Richtung Trail hatten wir zuerst einmal Gelegenheit, den Brose Motor oder besser gesagt, die neue Software zu testen.
Die zusätzliche Spitzenleistung ist in jedem Fall spürbar – in der höchsten Unterstützungsstufe Boost liefert der nach wie vor flüsterleise Brose Antrieb deutlich mehr Leistung als wir es von dem deutschen Antrieb bisher gewohnt waren. Dabei verliert er jedoch auch keine seiner Stärken: Die Unterstützung ist nach wie vor sehr homogen und fühlt sich auch in der höchsten Stufe noch natürlich an. Das neue Display ist sehr gut ablesbar, bietet ausreichend Infos und der Bedienhebel ist auch im Eifer des Gefechts sehr gut erreichbar. Daumen hoch, hier hat man vieles richtig gemacht.
Nach der kurzen Anfahrt ging es auch schon los auf den ersten Trail. Erster Eindruck vom Hinterbau: Sind das wirklich nur 120mm? Fühlt sich definitiv nach mehr an und macht das Atom Lynx zu einem erstaunlich potenten Bike. Das schwere, felsige und teils verblockte Terrain auf Mallorca war ein Härtetest für ein Bike dieser Klasse. Ein ums andere Mal wurden wir etwas unsanft daran erinnert, dass wir eher ein leichtes Trailbike und keine Enduro-Maschine unter dem Hintern haben; so war uns das Lynx an Steilstufen etwas zu frontlastig. Auf flowigen Trails hingegen blühte der neue BH E-Sprössling förmlich auf. Der leise und dennoch starke Motor, das potent-komfortable Fahrwerk und die homogene Ausstattung machen richtig Laune.
Ein Haar in der Suppe fanden wir dennoch: Der Lenker fällt mit 720mm schlicht zu schmal aus. Selbst gemütliche Tourenfahrer dürften die zusätzliche Kontrolle eines breiteren Lenkers zu schätzen wissen. Im Notfall ließe sich dieser ohnehin noch kürzen. Auch die Griffe waren nicht ganz nach unserem Geschmack. Zwar bieten sie ordentlich Grip, fallen aber recht dünn aus und lassen jegliche Dämpfung vermissen.