Test: Das Specialized Tarmac ist ohne Zweifel eines der ikonographischen Rennrädern unserer Zeit. In diesem Jahr feiert das Modell seinen 15. Geburtstag, nachdem es im Jahr 2003 erstmals auf den Markt kam. Gewissermaßen zum Jubiläum gibt’s von den US-Amerikanern ein umfassendes Update für den Top-Straßen-Allrounder im Portfolio: Tarmac bleibt Tarmac – man konnte jedoch deutlich an Gewicht sparen, was jedoch nicht auf Kosten der nach wie vor hervorragenden Steifigkeit geht. Wir waren mit dem edlen Specialized S-Works Tarmac unterwegs.
Beschäftigt man sich mit edlen Rennrädern in der Preisklasse des S-Works Tarmac, das wir in unserem Test hatten, schlagen in der Brust vieler Zweiradliebhaber zwei Herzen: Investiert man seine hart erarbeiteten Euros lieber in ein exotisches Einzelstück eines kleinen Herstellers, oder vertraut man auf die High-Tech Expertise eines Fahrradriesen wie Specialized, deren Material fast tagtäglich den Belastungen der WorldTour standhalten muss? Ich persönlich bin eigentlich ein Fan kleiner Radmarken. Ein Freund der Underdogs die den großen globalen Riesen die Stirn bieten. David gegen Goliath im Fahrradolymp gewissermaßen. Aber, aber – hin und wieder gibt es dann doch dieses eine Rad, das in diesem Fall meine Ausnahme von der Regel ist. Im Jahr 2018 scheint das neue Specialized Tarmac eben diese Ausnahme zu sein.
Das neue Specialized Tarmac gibt es in vier Varianten als Komplettrad:
S-Works Tarmac Ultralight SL6 // € 9.999,00
S-Works Tarmac SL6 // € 9.499,00
Tarmac Pro SL6 // € 6.299,00
Tarmac Expert SL6 // € 3.999,00
Das Specialized S-Works Tarmac Rahmenset wird in sechs verschiedenen Lackierungen für € 3.699,00 angeboten, während die S-Works “Ultralight” Variante € 3.899,00 kostet. Dafür bekommt man einen Rahmen der nur 733 Gramm (in Rahmengröße 56) wiegt und damit zu den leichtesten auf dem Markt gehört.
Specialized S-Works Tarmac 2018 – Rahmen und Gabel
Beim Rahmen haben die Kalifornier von Specialized (fast) keinen Stein auf dem anderen gelassen im Vergleich zum Vorgänger SL5. Das Specialized S-Works Tarmac Topmodell hat alleine beim Rahmen beeindruckende 200 Gramm gegenüber dem Vorgänger abgespeckt. Verantwortlich dafür ist das neue Carbonlayup mit dem man dem zuvor etwas übergewichtigen Tarmac eine ordentliche Diät verpasst hat. Auch optisch hat sich einiges geändert – im Vergleich zum “alten” Tarmac ist der Rahmen schlanker und filigraner geworden. Die Linien sind geradliniger und schlanker, eine schöne Erfrischung, haben doch die letzten Jahre hauptsächlich sehr dicke Carbonrohre das Bikedesign vieler Räder dominiert. Auch die Linienführung selbst hat sich teils stark geändert. Tarmac-Kennern springen sicherlich zunächst die nun tiefer liegenden Sitzstreben ins Auge. So soll der Rahmen eine bessere Eigendämpfung bekommen, was natürlich dem Komfort zu Gute kommen soll.
Während man den Rahmen auf Basis des Vorgängers also weiterentwickelt hat, spendiert man dem 2018er Tarmac eine komplett neue Gabel. Diese ist ebenfalls leichter geworden, doch das ist nicht die größte Neuerung: Die Gabel ist nun nämlich auch Teil des Rider First Engineerd Konzepts. Das ist der Fachbegriff der Kalifornier für ihre größenabhängigen Geometrieanpassungen. Das Ziel: Jede Größe soll dieselben Fahreigenschaften haben, egal ob ganz klein oder ganz groß. Ab diesem Modelljahr gilt dies also auch für die Gabel, die je nach Rahmengröße unterschiedliche Abmessungen besitzt.
Geometrie Specialized S-Works Tarmac 2018
Specialized Tarmac 2018 Geometrie
44 | 49 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 | |
Sitzrohr (in mm) | 440 | 490 | 520 | 540 | 560 | 580 | 610 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 490 | 508 | 531 | 540 | 562 | 577 | 595 |
Steuerrohr (in mm) | 105 | 115 | 126 | 143 | 163 | 190 | 210 |
Kettenstrebe (in mm) | 405 | 405 | 405 | 405 | 405 | 407 | 410 |
Radstand (in mm) | 964 | 968 | 970 | 973 | 985 | 1002 | 1012 |
Lenkwinkel (in °) | 70.5 | 71.75 | 72.5 | 73 | 73.5 | 73.5 | 74 |
Sitzwinkel (in °) | 76 | 75.5 | 74 | 74 | 73.5 | 73.5 | 73 |
Reach (in mm) | 365 | 375 | 380 | 384 | 395 | 402 | 408 |
Stack (in mm) | 500 | 514 | 527 | 544 | 565 | 591 | 612 |
Specialized S-Works Tarmac 2018 – Ausstattung
Für unseren Test haben wir uns das Specialized S-Works Tarmac SL6 vorgenommen. Stolze 9.499€ kostet der edle, matt-schwarze Renner. Dafür bekommt man eine komplette Dura Ace Di2 Ausstattung – lediglich bei der Kurbel verbaut man die hauseigene S-Works Carbonkurbel, die sogar noch einige Gramm weniger auf die Waage bringt als das ohnehin schon leichte Modell von Shimano.
Beim normalen Tarmac setzt man nach wie vor auf Felgenstopper, mit einer Disc-Variante des Renners dürfte aber noch im Laufe dieses Jahres zu rechnen sein. Die Bremsen des S-Works Tarmac tragen ebenfalls den Dura Ace Schriftzug von Shimano.
Rahmen | S-Works Tarmac SL6 FACT 12r Carbon |
Federgabel | S-Works FACT Carbon |
Laufräder | Roval CLX 50 |
Reifen | Specialized Turbo Cotton 26mm |
Schaltwerk | Shimano Dura-Ace Di2 9150 |
Schalthebel | Shimano Dura-Ace Di2 9150 |
Kurbel | S-Works Carbon 52/36T |
Umwerfer | Shimano Dura-Ace Di2 9150 |
Bremse | Shimano Dura-Ace 9110 Direct Mount |
Sattelstütze | S-Works FACT Carbon Tarmac 20mm Offset |
Sattel | S-Works Toupé 143mm |
Vorbau | S-Works SL |
Lenker | S-Works SL Carbon Shallow Drop |
Beim Laufradsatz vertraut man auf Qualität aus eigenem Hause: Die Roval CLX 50 spielen mit ihren hohen Flanken natürlich vor allem bei hohen Geschwindigkeiten ihre Vorteile aus. Mit einer Innenweite von knapp 21mm sind sie wie gemacht für etwas breitere Reifen, was am S-Works Tarmac auch direkt genutzt wird: Ab Werk kommt der Flitzer mit 26mm Pneus, den Specialized Turbo Cotton, welche mit den breiten Felgen ein windschnittiges Aero-Gespann bilden und dabei noch richtig schön komfortabel sein dürften.
Auch am Cockpit setzt man auf Eigenentwicklungen: Der S-Works SL Vorbau ist mit Titanschrauben bestückt um die letzten Gramm zu sparen und der S-Works SL Carbonlenker zählt mit zum leichtesten, was man derzeit kaufen kann. Dennoch – wenn man ein Haar in der Ausstattungssuppe suchen möchte: In Zeiten vollintegrierter Cockpit-Lösungen wirkt das Setup am Tarmac fast ein wenig aus der Zeit gefallen, gerade an einem so hochwertigen und modernen Rad. Andererseits: Bei Reparaturen und Wartungsarbeiten ist man froh darüber und es lässt sich leichter mit verschiedenen Längen bzw. breiten experimentieren.
Specialized S-Works Tarmac 2018 – Fahreindruck
Noch bevor ich das erste Mal auf das neue Tarmac steige, muss ich kurz innehalten. Optisch hat man bei mir hier jedenfalls voll ins Schwarze getroffen – wortwörtlich! Alles bis auf den weißen S-Works Schriftzug und die markanten Turbo Reifen mit gelber Wand sind in Schwarz gehalten. Understatement pur. Der Tarmac SL6 wird auch die neue Allzweckwaffe von Peter Sagan und Bora Hansgrohe sein, allerdings dann definitiv nicht dunkel und einfarbig.
Schon auf den ersten Metern wird klar: Es ist eine ganze Weile her, dass sich das Wohlfühl-Gefühl auf einem Rad derart schnell eingestellt hat, wie beim neuen Specialized S-Works Tarmac. Vom ersten Meter an zieht es die Mundwinkel nach oben zu einem breiten Grinsen. In den Ohren nur der Fahrwind und das leise Surren der Laufräder. Gangwechsel erledigt die Dura Ace Di2 mit gewohnter Präzision und Geschwindigkeit. Immer wieder geht es raus aus dem Sattel und die Watt landen gefühlt auf unmittelbarem Weg auf dem Asphalt. Vortrieb durch Technik! Dieser Geschwindigkeitsrausch vernebelt die Sinne und Hinsetzen ist irgendwann keine Option mehr: Nur der Generalstreik der Laktat-Gewerkschaft in den Beinen und die drohende Explosion der Lungen erinnern daran, dass du nicht Peter heißt und keine Regenbogenfarben zu tragen verdienst.
Insgesamt ist es bemerkenswert, dass Specialized es trotz der Agilität und der hohen Steifigkeit geschafft hat, ein spürbares Maß an Komfort beizubehalten – keine Selbstverständlichkeit für eine deklarierte Rennmaschine. Die 26mm Reifen tragen natürlich ebenfalls ihren Teil dazu bei. Der einzige Wermutstropfen aus meiner Sicht ist eher optischer Natur: Vor allem die einfach nicht mehr zeitgemäße Lenker und Vorbau Kombination ist ein profaner Bruch im minimalistischen, schönen Design, ähnlich wie die billig aussehenden verchromten Schnellspanner am Vorder- und Hinterrad. Für knappe €10.000,00 sollte meiner Meinung nach jedes Detail stimmen und hochwertig sein. Rein aus ästhetischer Sicht wäre ein integriertes Cockpit auf jeden Fall zu erwarten, gleichzeitig verstehe ich die praktische Argumentation für ein reguläres Setup. Nicht jeder fährt komfortabel mit den einheitlichen Maßen von einem Lenker und Vorbau aus einem Stück. Form vor Funktion oder Funktion vor Form, das ist die zungenbrechende Frage!
Die Bremsen funktionieren super, aber ich habe in den letzten Jahren jedoch die Vorzüge von Scheibenbremsen schätzen gelernt. Gut, dass das Tarmac Disc noch in diesem Jahr erscheinen dürfte. Ich werde auf jeden Fall als einer der Ersten in der Schlange stehen um den Disc Rahmensatz zu ergattern. Bis dahin übe ich weiterhin meine Wheelies um mich zumindest ein bisschen wie Sensei Sagan auf der Ninja Waffe zu fühlen.