Test: Mit dem Last Glen präsentierte der kleine Direktversender aus dem Ruhrpott unlängst seinen neuesten MTB-Spross. 140mm Federweg, 29 Zoll Laufräder, moderne Geometrie und der bewährte Hinterbau versprechen eine tolle Allround-Performance. Ob das Alu-Bike auch in der Praxis überzeugen kann?
Last Glen SL: Rahmen und Geometrie
Mit seinem Aluminiumrahmen hat das Glen nicht nur in unserem Testfeld, sondern auch in der Preisklasse der SL Variante ein Alleinstellungsmerkmal; fast alle anderen Hersteller setzen bei ihren Rädern über 5.000 Euro mittlerweile auf einen Rahmen aus Carbon. Doch selbst wenn man Faktoren wie den besseren ökologischen Fußabdruck und die Recyclingfähigkeit von Alu außen vor lässt, zeigen die Jungs und Mädels von Last, dass das altbewährte Rahmenmaterial – richtig eingesetzt – auf einem Level mit Kohlefaser liegt. Mit 2,9kg bringt der Rahmen des Glen nur unwesentlich mehr auf die Waage als vergleichbare Carbonbikes. Das Komplettrad zählte in unserem Testfeld übrigens sogar zu den leichtesten Vertretern.
Positiv hervorzuheben ist die Liebe zum Detail, die Last beim Rahmen des Glen an den Tag legt und dabei besonderes Augenmerk auf Wartungsfreundlichkeit und möglichst große Variabilität legt. Beispiele? Durch austauschbare Ausfallenden lässt sich am Hinterrad auch eine „alte“ 142mm Nabe einbauen – optimal, wenn man noch einen hochwertigen Laufradsatz zuhause hat. Leitungen und Züge verlaufen gut aufgeräumt auf dem Unterrohr und sind immer gut erreichbar, ohne optisch negativ aufzufallen. Modulare und vielfältig platzierbare Leitungshalter ermöglichen hier individuelle Setups für unterschiedliche Ansprüche. Eine besondere Erwähnung ist zudem die Befestigung des Rockerarms am Sitzrohr wert: Der Bolzen geht hier nicht durch das Rohr, so kann man die Sattelstütze komplett bis zum Anschlag versenken. Zu guter Letzt verwendet Last für den gesamten Hinterbau nur eine Lagergröße, die zudem Standardmaßen entspricht – so lässt sich überall ohne großen Aufwand Ersatz besorgen und man ist als Käufer nicht auf die Ersatzteilversorgung des Rahmenherstellers angewiesen.
Dass die Konstrukteure ordentlich Hirnschmalz in die Entwicklung des Glen gesteckt haben und dabei auch vor aufwändigeren Lösungen nicht zurückgeschreckt sind, zeigt sich auch in der Geometrie: Der Sitzwinkel und die Kettenstreben verändern sich hier von Rahmengröße zu Rahmengröße, um ein ausgewogenes Fahrgefühl über das gesamte Spektrum – vom kleinsten M-Rahmen bis hin zu XXL – aufrechtzuerhalten. Das Grundrezept ist dabei bewährt und so an vielen modernen Mountainbikes zu finden: Der lange Hauptrahmen vermittelt in Kombination mit dem flachen Lenkwinkel viel Laufruhe auf dem Trail, durch den steilen Sitzwinkel wird der Fahrer im Sitzen zentral positioniert und kann effizient in die Pedale treten. Durch die verhältnismäßig kurzen Kettenstreben bleibt das Glen jedoch trotz langem Hauptrahmen agil.
Geometrie Last Glen
M | L | XL | XXL | |
Sitzrohr (in mm) | 390 | 420 | 460 | 510 |
Steuerrohr (in mm) | 100 | 110 | 120 | 130 |
Kettenstrebe (in mm) | 430 | 431 | 440 | 445 |
Radstand (in mm) | 1187 | 1215 | 1255 | 1301 |
Lenkwinkel (in °) | 64.4 | 64.4 | 64.4 | 64.4 |
Sitzwinkel (in °) | 75.3 | 75.5 | 75.8 | 76.3 |
Reach (in mm) | 432 | 457 | 487 | 522 |
Stack (in mm) | 611 | 621 | 633 | 643 |
Die Hinterbaukonstruktion dürft Last-Kennern bereits von den anderen Fullies im Portfolio bekannt sein: Der abgestützte Eingelenker mit seinem wuchtigen Rockerarm soll dabei eine ausgewogene und vielseitige Kinematik über die 140mm Federweg bieten. Viel Gegenhalt im mittleren Federweg und hohe Anti-Squat Werte dürften Dämpferwippen auch bei offener Druckstufe auf eine Minimum reduzieren und dank der progressiven Kennlinie lassen sich auch problemlos Stahlfederdämpfer fahren. Der Rahmen bietet dabei genügend Platz auch für große Dämpfer mit Piggyback – beim M Rahmen muss man sich jedoch zwischen Piggyback und Flaschenhalter entscheiden – beides findet im Rahmendreieck keinen Platz.
Last Glen SL: Ausstattung
Rahmen | Last Glen |
Federgabel | RockShox Pike RCT3 |
Dämpfer | RockShox Deluxe RT3 |
Laufräder | DT Swiss XMC1200 Spline 30 |
Reifen VR | Schwalbe Nobby Nic 2.35" |
Reifen HR | Schwalbe Nobby Nic 2.35" |
Schaltwerk | Sram X01 Eagle |
Schalthebel | Sram X01 Eagle |
Kurbel | Sram X1 Eagle Carbon |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Guide Ultimate |
Bremsscheiben | Sram Centerline 200 / 180mm |
Sattelstütze | BikeYoke Divine |
Sattel | Kore Frazer Ti |
Vorbau | 77designz 36mm |
Lenker | Renthal Fatbar Carbon 800mm |
Das Last Glen SL hat im Komplettrad-Portfolio des 29er Trailbikes von Last etwas eine Sonderstellung: Zum einen ist es mit 5.499 Euro die teuerste Variante, zum anderen hat man hier bei der Zusammenstellung bewusst das Gewicht im Auge behalten, während bei den anderen Ausstattungsvarianten eher die Robustheit im Vordergrund steht. Doch Moment: Das heißt keinesfalls, dass man beim Glen SL besser mit angezogener Handbremse über den Trail räubern sollte: Mit Ausnahme des DT Swiss XMC1200 Carbon Laufradsatzes erfüllen sämtliche Anbauteile die ASTM Norm für Enduro-Einsatz und auch die Laufräder sind für zügige AM-Abenteuer bestens geeignet.
Beim Fahrwerk soll das RockShox Duo aus Pike RCT3 mit 150mm Federweg und Deluxe RT3 dem schroffen Trail-Alltag Komfort und Kontrolle verleihen, bei der Schaltung setzt man auf Srams X01 Eagle. Letztere bringt mit 500% Bandbreite genügend Spielraum für verschiedenste Einsatzgebiete mit und steht in puncto Performance der Top-Gruppe XX1 keineswegs nach. Ebenfalls von Sram kommen die Guide Ultimate Stopper – dank 200er Scheibe an der Front müssen sich hier auch etwas schwerere Fahrer keine Gedanken bezüglich Fading machen.
Die BikeYoke Divine Sattelstütze zählt nicht nur zu den leichtesten Variostützen am Markt, sondern weiß wieder und wieder auch mit Top-Performance und Wartungsarmut zu überzeugen. Die Triggy-Remote fügt sich zudem perfekt in das ergonomische Cockpit. Apropos Cockpit: Der Renthal Carbonlenker wird von einem schicken 77designz Vorbau gehalten, die Kore Contour Griffe runden den gelungenen Gesamteindruck an der Front ab.
Ein Highlight am Last Glen SL sind definitiv die edlen DT Swiss XMC1200 Carbonlaufräder mit breiten 30mm Felgen, auf denen vorn und hinten Schwalbes Allrounder Nobby Nic sitzt. Enduristen mögen bei der Reifenwahl etwas die Nase Rümpfen, in der Praxis weiß der Schwalbe Pneu jedoch mit einer sehr guten Balance zwischen Rollwiderstand und Grip zu überzeugen und passt damit perfekt an ein Rad wie das Glen SL.
Last Glen SL: Auf dem Trail
Bevor man mit dem Glen lospedaliert, sieht man es sich gerne an. Die BikeYoke Divine Sattelstütze, der Renthal Carbonlenker und der 77designz Vorbau geben dem Bike einen gewissen Custom-Charme. Tritt man dann im Sattel in die Pedale, fühlt sich das Bike weniger exotisch oder speziell an und geht willig voran. Erster Eindruck: Könnte auch ein braves Tourenbike sein! Das Heck wippt nicht, das Vorderrad bleibt am Boden, so dass man sehr unverkrampft dem Gipfel entgegentritt. Angenehm ist hier auch die Wahl eines 30er Kettenblatts. In Kombination mit den 50 Zähnen der Sram XO Kassette würde jeder unserer Tester damit auch lange Touren bewältigen können.
Bergab positioniert sich das Last keineswegs als Letzter. Es fährt weit vorne mit, wenn der Trail nicht zu rumpelig ist. Hinterbau und Gabel sind schnell eingestellt und geben guten Komfort und Sicherheit. Dazu ist die Position auf dem Rad moderat sportlich und erlaubt jederzeit Korrekturen. Das Glen ist nicht ganz so hungrig nach Tiefenmetern wie andere, mehr auf Enduro getrimmte Bikes im Test, dafür zeigt es sich als exzellenter Allrounder. Es stößt ein klein wenig eher an seine Grenzen als die Mini-Downhiller im Testfeld, ist aber trotzdem beherrschbar und bleibt an den Abfahrtspezialisten dicht dran. Eine Lyrik statt der verbauten Pike würde vermutlich zu noch mehr Tempo im Downhill animieren, aber auch das Gewicht in die Höhe treiben.
Bei den verbauten Komponenten sind einerseits Teile dabei, die auch auf einen Alpencrosser passen, wie die leichten Carbon Laufräder oder der breite Renthal Carbon Lenker, der auch an eine Park-bike passt. Alles funktioniert und harmoniert, ohne aufzufallen. Das gilt für Bremse, Fahrwerk und die gut gewählte Schaltung. Die Sattelstütze war bei uns schon Testsieger, wir kennen und mögen sie. Der Bedienhebel ist der beste, den wir kennen. Das Glen wird von Last zwischen Enduro und Trialbike eingeordnet und da ist es richtig gut aufgehoben. Das geringe Gewicht, die liebevoll gewählte, sehr gut funktionierende Ausstattung und der vielseitige Rahmen machen aus dem Last Glen SL einen Top Allrounder. Wer das Glen noch mehr Richtung Enduro trimmen will, der gönnt dem Rad eine potentere 160er Gabel und Gravity-lastigere Reifen.