Radsport: 176 Fahrer, verteilt auf 22 Mannschaften, werden am Samstag den 102. Giro d’Italia in Angriff nehmen. Während der drei Wochen verfolgen sie die unterschiedlichsten Ambitionen. Wir schauen uns alle Giro d’Italia Teams & Fahrer etwas genauer an und philosophieren über deren Ziele. Wir beginnen im ersten von drei Teilen mit sieben Mannschaften, welche weder einen Top-Sprinter, noch einen Top-Klassementfahrer in ihren eigenen Reihen haben.
AG2R La Mondiale: Etappenjagd & Top10-Träume
Der Fokus der französischen Equipe liegt auf der Tour de France. Dennoch schickt AG2R La Mondiale eine schlagkräftige Truppe nach Italien. Alexis Vuillermoz wird in der Gesamtwertung sein Glück versuchen. Der Franzose träumt von einem Platz unter den ersten Zehn. 2014 wurde er bei seiner bislang einzigen Teilnahme Elfter. Während er im Zeitfahren große Schwächen aufweist, liegen seine Stärken vorwiegend auf hügeligem Terrain. Geht es ins Hochgebirge, wird das gesamte Team vor große Probleme gestellt. Denn auch Etappenjäger Tony Gallopin liegen die Bergetappen weniger. Er kann auf hügeligen Etappen aus einem stark dezimierten Hauptfeld im Sprint gewinnen, oder aber sich in eine entsprechende Ausreißergruppe schleichen. Der zuletzt genannte Plan wird auch im Notizbuch von Nico Denz zu finden sein. Der Deutsche hat im vergangenen Jahr schon gezeigt, dass er mittelschwere Bergetappen positiv gestalten kann. Auf Grund des fehlenden klaren Kapitäns, dürfte er entsprechende Freiheiten genießen.
Diese Freiheiten werden jedoch abwechselnd auch andere Profis im Team beanspruchen. Schon immer zeichnete sich AG2R La Mondiale als sehr ausgeglichene Equipe aus, welche jedem Fahrer hin und wieder eine Chance ermöglicht. Daher ist stark davon auszugehen, dass auch beim Giro d’Italia 2019, neben den drei bereits genannten, weitere Fahrer in Spitzengruppen anzutreffen sein werden. Der erfahrene Hubert Dupont wurde beim Giro d’Italia schon zweimal Gesamtelfter, befindet sich mit seinen nun 38 Jahren aber bereits über dem Zenit. In den Bergen und bei einem hügeligen Parcours kann er jedoch genauso wie Larry Warbasse, François Bidard, Ben Gastauer und Nans Peters in Ausreißergruppen anzutreffen sein. Alle verfügen über Grand-Tour-Erfahrung und haben ein ähnliches Fahrerprofil vorzuweisen.
- 11) Tony Gallopin (Frankreich)
- 12) François Bidard (Frankreich)
- 13) Larry Warbasse (USA)
- 14) Nico Denz (Deutschland)
- 15) Hubert Dupont (Frankreich)
- 16) Ben Gastauer (Luxemburg)
- 17) Nans Peters (Frankreich)
- 18) Alexis Vuillermoz (Frankreich)
Androni Giocattoli – Sidermec: Angriff ist das einzige Mittel
Mit sieben Italienern und einem Kolumbianer startet der italienische Zweitdivisionär Androni Giocattoli – Sidermec am Samstag den Giro d’Italia. Da man weder einen absoluten Top-Sprinter in den eigenen Reihen hat, noch einen Fahrer für die Gesamtwertung, wird man – wie für ein Wildcard-Team üblich – viel in Ausreißergruppen zu sehen sein. Diesbezüglich ist vor allem Fausto Masnada zu nennen. Der 25-Jährige gewann in diesem Jahr bereits zwei Etappen der Tour of the Alps und im vergangenen Jahr die Gesamtwertung bei der Tour of Hainan. Auch beim Giro d’Italia wird sich der Italiener in den Bergen des Öfteren in Ausreißergruppen schleichen und dort sein Heil in der Offensive suchen. Neben ihm werden wir im Gebirge ebenso seine Landsleute Mattia Cattaneo und Matteo Montaguti in Aktion sehen. Der zuletzt genannte verfügt außerdem über gute Sprintqualitäten. Nützlich, sollte es am Ende in der Ausreißergruppe soweit kommen.
Der wohl bekannteste Teilnehmer der Mannschaft Androni Giocattoli – Sidermec ist vermutlich Francesco Gavazzi. Der 34-Jährige fühlt sich in den Bergen nicht wohl, kann jedoch auf hügeligem Terrain mit seinem ordentlichen Punch für Erfolge sorgen. Ebenso bei eher leichteren Hügeletappen oder gar bei Flachetappen eingesetzt werden Marco Frapporti und Andrea Vendrame. Der Sprinter der Mannschaft ist Manuel Belletti. Der 33-Jährige wird es gegen die absolute Sprint-Elite beim Giro d’Italia aber wohl schwer haben. Durchaus denkbar, dass man ihn deshalb auf einer Flachetappe in die Ausreißergruppe schickt und hofft, dass er sich dann im Sprint aus einer kleinen Gruppe durchsetzen kann. Der Kolumbianer Miguel Eduardo Flórez ist ein noch unbeschriebenes Blatt. Der erst 23-Jährige gewann in dieser Saison eine Etappe bei der Vuelta al Tachira en Bicicleta und gilt als Bergfahrer.
- 21) Francesco Gavazzi (Italien)
- 22) Manuel Belletti (Italien)
- 23) Mattia Cattaneo (Italien)
- 24) Miguel Eduardo Flórez (Kolumbien)
- 25) Marco Frapporti (Italien)
- 26) Fausto Masnada (Italien)
- 27) Matteo Montaguti (Italien)
- 28) Andrea Vendrame (Italien)
Bardiani – CSF: 8 Italiener für ein Hallelujah
Im Team Bardiani – CSF sieht die Strategie eigentlich genauso aus, wie bei der zuvor vorgestellten Mannschaft Androni Giocattoli – Sidermec. Auch die aus nur Italienern bestehende Equipe muss das Heil in der Offensive suchen. Besonders drei Fahrer kommen für einen Etappensieg in Frage. Enrico Barbin kann durchaus als ordentlicher Sprinter bezeichnet werden. Doch auch er wird in einem reinen Massensprint gegen die Top-Sprinter das Nachsehen haben. Innerhalb der ersten elf Tage kann er sich jedoch mehrmals in eine Ausreißergruppe schleichen. Gleiches gilt für seinen Teamkameraden Mirco Maestri, der sich als starker Ausreißer bereits einen Namen gemacht hat. Während seine Stärken in der Ebene liegen, fühlt sich Giovanni Carboni in den Bergen deutlich wohler. Er dürfte sich seine Kräfte bis zur zweiten Giro-Hälfte aufsparen und dann im Gebirge angreifen.
Die weiteren fünf Fahrer der Mannschaft Bardiani – CSF sind für Rennen in der WorldTour weitestgehen unbekannt. Wir wissen jedoch, dass sich Paolo Simion als Sprinter versteht und daher wohl für Enrico Barbin die Vorbereitung übernehmen wird. Lorenzo Rota und Manuel Senni sind weitere Optionen für Angriffe während der gesamten Rundfahrt. Mehr als das Präsentieren der Sponsoren und das Gewinnen von Zwischenwertungen dürfte für sie aber wohl nicht herausspringen. Ihr Debüt bei einer Grand Tour feiern der 22-jährige Luca Covili und der 24-jährige Umberto Orsini. Beide Italiener sind in ihrer Karriere bislang noch nicht eindrucksvoll in Erscheinung getreten, gelten jedoch eher als Puncheur bzw. Kletterer.
- 51) Enrico Barbin (Italien)
- 52) Giovanni Carboni (Italien)
- 53) Luca Covili (Italien)
- 54) Mirco Maestri (Italien)
- 55) Umberto Orsini (Italien)
- 56) Lorenzo Rota (Italien)
- 57) Manuel Senni (Italien)
- 58) Paolo Simion (Italien)
CCC: Nur mit viel Wagemut sind gute Ergebnisse möglich
Trotz des WorldTour-Status ist das Team CCC eine große Unbekannte beim Giro d’Italia 2019. Die orangefarbene Equipe hat als Nachfolger der Mannschaft BMC eine insgesamt schwierige Saison vor sich. Da der Star der Mannschaft – Greg Van Avermaet – bei der Italien-Rundfahrt nicht am Start steht, wird nach potentiellen Siegfahrern händeringend gesucht. Am ehesten könnte Jakub Mareczko in diese Rolle schlüpfen. Der 34-jährige Italiener bestreitet seinen vierten Giro d’Italia. Mit einem Sieg hat es bislang zwar noch nicht geklappt, doch drei zweite Plätze geben Grund zur Hoffnung. Er kann auf Flachetappen vor allem auf die Unterstützung der Polen Kamil Gradek und Łukasz Owsian bauen. Die besten Zeiten des mittlerweile 37-jährigen Francisco Ventoso sind zwar vorbei, doch wenn es für Jakub Mareczko etwas zu schwer wird, kann der erfahrene Spanier durchaus auch noch in einen Sprint mit rein halten. Er gilt als hügelfest, was ihn zu einem potentiellen Ausreißer macht.
Der zweite Spanier im Bunde ist Víctor De la Parte. Der 32-Jährige fährt seinen dritten Giro d’Italia. Auch wenn er bei einer Grand Tour noch auf einen Erfolg wartet, so hat er in seiner Karriere bereits einige UCI-Rennen der zweiten Division für sich entscheiden können. Er gilt als passabler Rundfahrer, doch bei der Italien-Rundfahrt wird er wohl eher die passende Gruppe suchen und auf einen Etappensieg hoffen. Denn für die Gesamtwertung wird der Portugiese Amaro Antunes eingeplant. Der 28-Jährige hat sich erst in den vergangenen beiden Jahren stark weiterentwickelt und fährt seine erste Saison in der WorldTour – und nun seine erste große Landesrundfahrt. Es wird jedoch nicht reichen, als Klassementfahrer bis zum letzten Berg zu warten. Zu stark ist beim Giro die Konkurrenz und zu schwach ist Amaro Antunes im Zeitfahren. Er wird spätestens in der letzten Woche also ebenfalls in die Offensive gehen müssen. Ihn dabei unterstützen wird der erfahrene Niederländer Laurens Ten Dam, der bereits eine 18 Grand Tour bestreiten wird und seine Stärken ganz klar im Hochgebirge hat. Dort ist ihm von allen CCC-Fahrern wohl am ehesten ein Etappensieg aus einer Ausreißergruppe heraus zuzutrauen. Josef Černý hingegen fährt seine erste Grand Tour. Als Tschechischer Meister im Zeitfahren und im Straßenrennen ist er leicht zu erkennen. Seine besten Leistungen hat der 25-Jährige bislang in Zeitfahren und auf leicht hügeligem Terrain abgerufen.
- 71) Amaro Antunes (Portugal)
- 72) Josef Černý (Tschechien)
- 73) Víctor De la Parte (Spanien)
- 74) Kamil Gradek (Polen)
- 75) Jakub Mareczko (Italien)
- 76) Łukasz Owsian (Polen)
- 77) Laurens Ten Dam (Niederlande)
- 78) Francisco José Ventoso (Spanien)
EF Education First: Auf die zweite Giro-Hälfte warten
Die Mannschaft EF Education First fährt die stärkste Saison seit Jahren. Diese soll nun beim Giro d’Italia seine Fortsetzung finden. Dafür hat man sich vielseitig aufgestellt. Mit Sacha Modolo möchte man bis zur elften Etappe eine gewichtige Rolle in den Massensprints spielen. Dem 31-Jährigen räumt die Teamleitung scheinbar echte Chancen ein. Schließlich gewann der Italiener in seiner Karriere schon zwei Giro-Etappen. Ehrlicherweise gilt jedoch anzumerken, dass er in den vergangenen eineinhalb Jahren nur ein Rennen gewinnen konnte, obwohl er bei den Veranstaltungen nicht selten der großen Sprint-Elite aus dem Weg ging. Außerdem hat Sacha Modolo nicht wirklich einen Anfahrer mit dabei. Mit dem Dänen Matti Breschel kann er immerhin auf einen erfahrenen Tempobolzer bauen.
Vermutlich wird das Team EF Education First seine guten Ergebnisse beim Giro d’Italia 2019 auf eine andere Art und Weise einfahren müssen. Mit Joe Dombrowski, Sean Bennett, Hugh Carthy und vor allem Tanel Kangert hat man vier starke Kletterer in den eigenen Reihen. Vermutlich sind für sie die Top Ten ohne eine erfolgreiche Flucht nicht möglich, doch bei einem entsprechenden Rückstand in der Gesamtwertung würde man sie sicherlich in der letzten Woche ziehen lassen. Dann könnte dieses Trio einen Tagessieg im Gebirge einfahren. Auch Nathan Brown und Jonathan Klever Caicedo haben ihre Stärken eher, wenn die Straße ansteigt. Einen Triumph mag man beiden aber in dieser Saison in der WorldTour nicht wirklich zutrauen.
- 91) Sacha Modolo (Italien)
- 92) Sean Bennett (USA)
- 93) Matti Breschel (Dänemark)
- 94) Nathan Brown (USA)
- 95) Jonathan Klever Caicedo (Kolumbien)
- 96) Hugh Carthy (Großbritannien)
- 97) Joe Dombrowski (USA)
- 98) Tanel Kangert (Estland)
Israel Cycling Academy: Mit einer aktiven Fahrweise für die Wildcard bedanken
Wie bereits im Vorjahr, als der Giro d’Italia in Jerusalem begann, nimmt auch in dieser Saison die Israel Cycling Academy an der Italien-Rundfahrt teil. Fast hätte es damals mit einem Etappensieg geklappt, doch Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) gewann die 18. Etappe vor Rubén Plaza. Der bereits 39-jährige Spanier steht auch diesmal im Aufgebot der Israel Cycling Academy. Als starker Zeitfahrer und Bergfahrer bekommt er erneut die Chance, als Ausreißer vielleicht in diesem Jahr ein Teilstück für sich entscheiden zu können. Im Hochgebirge dürfte er der einzige Profi dieser Mannschaft sein, der tatsächlich aus einer Gruppe heraus gewinnen kann. Der Lette Krists Neilands ist bislang eher als Puncheur aufgefallen. Er dürfte sich die hügeligen Etappen ausgesucht haben, um dort Teil der Ausreißergruppe zu sein.
Das Hauptaugenmerk der Israel Cycling Academy dürfte beim diesjährigen Giro d’Italia auf den flachen Teilstücken liegen. Mit Davide Cimolai hat man nämlich einen Sprinter in den eigenen Reihen, der es durchaus mit der Elite aufnehmen kann. Schließlich gewann er unter anderem bereits Etappen bei Paris – Nizza und der Katalonien – Rundfahrt. Sein Vorteil ist, dass er sich auch in einem kleinen Hügel nicht so schnell abhängen lässt. Dem Italiener zur Seite stehen als Sprint-Anfahrer und -Vorbereiter vor allem Landsmann Kristian Sbaragli und der Kanadier Guillaume Boivin. Gemeinsam werden sie wohl zunächst ihren Erfolg im Massensprint versuchen. Sollten sie dort chancenlos sein, werden wir einen von ihnen sicher spätestens zu Beginn der zweiten Woche in einer Fluchtgruppe sehen. Ansonsten erfüllen diese Aufgabe innerhalb der ersten elf Tage Awet Gebremedhin, Conor Dunne und Guy Niv. Sie sind – realistisch betrachtet – hauptsächlich dabei, um den Sponsor zu präsentieren und sich mit einer aktiven Fahrweise für die Wildcard zu bedanken.
- 111) Davide Cimolai (Italien)
- 112) Awet Gebremedhin (Schweden)
- 113) Guillaume Boivin (Kanada)
- 114) Conor Dunne (Irland)
- 115) Krists Neilands (Lettland)
- 116) Rubén Plaza (Spanien)
- 117) Guy Niv (Israel)
- 118) Kristian Sbaragli (Italien)
Nippo – Vini Fantini – Faizanè: Hügelfest & sprintstark
Fünf Italiener, zwei Japaner und ein Spanier werden für die Mannschaft Nippo – Vini Fantini – Faizanè in das dreiwöchige Abenteuer Giro d’Italia starten. Dabei setzt die italienisch-japanische Equipe vor allem auf einen Fahrertypen: Er kommt gut über die Hügel und verfügt über eine ordentliche Sprintstärke. Diese Eigenschaften erfüllen in Person von Marco Canola, Juan José Lobato, Nicola Bagioli und Ivan Santaromita gleich vier gemeldete Profis. Während sich die ersten beiden jedoch eher auf hügeliges Terrain fokussieren, wird der zuletzt genannte auch im Hochgebirge in Ausreißergruppen zu sehen sein. Da es beim diesjährigen Giro d’Italia durchaus einige Etappen gibt, auf denen kleinere Hügel einen Massensprint verhindern könnten, darf sich die Mannschaft Nippo – Vini Fantini – Faizanè durchaus als gut aufgestellt betrachten.
Vor allem auf den Flachetappen werden das Trikot von Nippo – Vini Fantini – Faizanè jedoch die anderen Fahrer der Öffentlichkeit präsentieren. Damiano Cima, Sho Hatsuyam, Hiroki Nishimura und Giovanni Lonardi bestreiten alle ihre erste Grand Tour. Für die Etappen im Hochgebirge sind sie jedoch nicht nur zu unerfahren, sondern vermutlich auch deutlich zu schwach. Es würde nicht überraschen, wenn sie ab Etappe #12 so stark zu leiden hätten, dass sie den Giro d’Italia letztendlich gar nicht beenden können. Zuvor jedoch haben sie den vier namhaften Profis in ihrer Mannschaft zu helfen. Durch sie ist ein Etappensieg innerhalb der ersten beiden Wochen nämlich durchaus möglich.
- 151) Marco Canola (Italien)
- 152) Nicola Bagioli (Italien)
- 153) Damiano Cima (Italien)
- 154) Sho Hatsuyama (Japan)
- 155) Juan José Lobato (Spanien)
- 156) Hiroki Nishimura (Japan)
- 157) Giovanni Lonardi (Italien)
- 158) Ivan Santaromita (Italien)