Test / E-Performance: Mit dem Ariv Merge und dem Ariv Meld wagt General Motors den Schritt auf den Fahrradmarkt – mit eigenem Rahmen, eigenem Konzept und eigenem Motor. Was das kompakte E-Faltrad so kann, haben wir beim Launch Event getestet.
Mit dem Erfolg der E-Bikes seit einigen Jahren wächst auch der Einfluss der Automotive-Industrie auf den Fahrradmarkt. Mit Bosch oder Brose sind wichtige Automobil-Zulieferer inzwischen auch Triebfedern in der Fahrrad- bzw. E-Bike Entwicklung. Die Automobilhersteller selbst halten sich derzeit noch etwas zurück; sicherlich haben die meisten mittlerweile E-Bikes mit dem eigenen Markennamen auf dem Rahmen im Programm, meist werden diese Räder jedoch komplett oder in enger Zusammenarbeit mit Fahrradherstellern entwickelt. Mit General Motors wagt jetzt ein Überraschungskandidat aus der Autoindustrie den mutigen Schritt in Richtung Fahrrad. Mit Ariv Mobility gründete man ein Start-Up im eigenen Unternehmen, das sich auf das Thema Fahrrad konzentrieren wird. Künftig möchte sich GM vom reinen Autokonzern zu einem Mobilitätskonzern wandeln – und Ariv soll ein wichtiges Puzzlestück sein.
Doch der Fahrradmarkt hat seine eigenen Gesetze, Geld und Wille allein reichen meist nicht aus, um hier Fuß zu fassen. Dessen war man sich bei GM bewusst und holte sich für Ariv Leute mit dem entsprechenden Know-How und der Erfahrung ins Haus, die für ein derartiges Unterfangen notwendig sind. Hinter den Kulissen der neuen Fahrradmarke werkeln mitunter Ex-Mitarbeiter von Trek, von Specialized oder Cannondale.
Zu Beginn geht Ariv mit zwei E-Bikes an den Start: Das Ariv Merge und das Ariv Meld. Auf den ersten Blick ähneln sich die beiden Modelle stark: 16 Zoll Laufräder, ein futuristisch anmutender Rahmen mitsamt selbst entwickeltem Mittelmotor. Preislich liegen satte 600 Euro zwischen dem 2.730 Euro teuren Meld und den 3.330 Euro des Merge. Für diese Preisdifferenz ist einerseits der im Rahmen des Merge versteckte Faltmechanismus verantwortlich, zudem muss man am Meld auf eine Schaltung verzichten, wohingegen man am teureren Modell eine Alfine 8-Gang Nabe schon Shimano bekommt.
Ariv Merge: Direktvertrieb und Servicekonzept über Live-Cycle
Der Vertrieb sämtlicher Ariv E-Bikes erfolgt ausschließlich direkt und online über www.arivmobility.com. Damit liegt man zwar im Trend, doch wie jeder Hersteller, der ausschließlich auf Direktvertrieb setzt, steht auch Ariv vor der großen Service-Frage: Was machen die Käufer, wenn sie nach dem Kauf ein Problem mit dem Rad haben sollten? Insbesondere, bei einem neuen, Ariv-exklusiven System samt Motor? Ariv setzt deshalb auf ein Servicekonzept mit dem Partner Live-Cycle. Dieser ist seit einigen Jahren als mobiler Fahrradservice an verschiedenen Standorten in Deutschland vertreten und wird sämtliche Reparaturen und Wartungsarbeiten an Ariv Bikes vornehmen. Direkt vor Ort.
Ariv Merge: Falten leicht gemacht
Im Juni hatte Ariv nach München geladen, um die neuen Räder der Öffentlichkeit vorzustellen. Wir waren dort und haben uns insbesondere mit dem spannenden E-Faltrad Merge näher beschäftigt. Schon der Faltmechanismus selbst ist clever gelöst und uns einige Sätze wert. Jeder, der bereits einmal ein Klapp- oder Faltrad sein Eigen nennen durfte, weiß: Meist sind mehrere umständliche Handgriffe nötig, große Laschen drohen mit jedem Schritt, die Finger einzuklemmen und wer nicht die korrekte Reihenfolge einhält, steht rasch gefrustet am Bahnsteig mit einem halb-gefalteten Rad. Das Gewicht moderner E-Bikes macht das Handling nur noch schwieriger, den Transport der geklappten Räder umständlicher.
https://www.youtube.com/watch?v=qAXvxmjeM0A
All diesen Problemen war man sich bei Ariv vom ersten Moment an bewusst und man entschied sich dennoch, das ambitionierte Unterfangen E-Faltrad mit dem Merge anzugehen. Das Resultat kann sich sehen lassen: Es genügt ein beherzter Zug am einzigen äußeren Hebel, der im Steuerrohr versenkt ist, und im Rahmeninneren werden drei Verriegelungen gelöst: Der Lenker faltet in der Mitte zusammen, das Steuerrohr klappt nach hinten und das Rahmengelenk halbiert das Rad in der Länge. Nach ein, zwei Versuchen gelang uns das Falten und Entfalten wirklich innerhalb weniger Sekunden. Mit nur einem Handgriff, ohne Kettenöl an den Händen und ganz ohne Frust und Fluchtiraden. Besonders cool fanden wir die Möglichkeit, lediglich den Lenker zusammenzuklappen; so nimmt das Rad beispielsweise in der Wohnung kaum Platz ein und passt auch hinter eine Türe.
Ariv Merge: Der Motor – Kompakt, kräftig, ausdauernd – und laut
Okay, also der Faltmechanismus ist gewiss ein Highlight am Ariv Merge. Nicht weniger im Rampenlicht steht jedoch der von General Motors selbst entwickelte Motor (Fakt am Rande: Der Motor ist auch die einzige Komponente am Rad, die den General Motors Schriftzug trägt). Die technischen Daten sind jedenfalls ganz schön beeindruckend. Mit 75Nm bringt er nämlich gleich viel Drehmoment auf den Untergrund wie beispielsweise der Bosch Performance CX und verpackt diese Kraft in ein extrem kompaktes, rundes Gehäuse. Mit deaktiviertem Motor oder über 25km/h entkoppelt sich der Antrieb übrigens und es ist kein zusätzlicher Widerstand spürbar.
Die Energieversorgung übernimmt ein kompakter Akku, der mit 240Wh eine eher kleine Kapazität mitbringt. Dennoch soll das Merge im voll-geladenen Zustand und auf der niedrigsten Unterstützungsstufe über 60km durchhalten. Auf ein eigenes Display verzichtet man bei Ariv übrigens: Die wichtigsten Dinge kann man an den LEDs auf dem Oberrohr ablesen, in deren Mitte auch der On-/Off-Schalter sitzt. Hier werden farblich codiert die Unterstützungsstufe und der Akkuladezustand angezeigt. Wem diese Infos nicht ausreichen, der kann auf die kostenlose Ariv App zurückgreifen, die das Smartphone mit dem Bike verbindet und dann als Display fungiert. Eine Universalhalterung für das Handy sitzt übrigens auf dem Vorbau. Künftig möchte Ariv hier auch eine Diebstahlsicherung und eine Ortung anbieten.
Ariv Merge: Erste Fahreindrücke
Im Rahmen des Presse-Events hatte ich auch die Möglichkeit, das Merge auf einer recht ausgiebigen Testrunde probezufahren. Erster Eindruck: Wow! Der Motor fühlt sich auch auf dem Rad so kräftig an, wie es das Datenblatt vermuten lässt. Insbesondere bei niedriger Trittfrequenz, z.B. beim Anfahren in einem zu schweren Gang, zieht der Motor das Rad kräftig auf Tempo, selbst in der niedrigsten Unterstützungsstufe. Leider drängt sich der Motor auch durch die nicht zu ignorierende Geräuschkulisse in den Vordergrund; ein lautes Summen ist ständig präsent und wird mit zunehmender Motorleistung auch ganz schön laut. Dennoch: Lautstärke ist ein subjektives Thema, die einen werden es eventuell gar nicht wahrnehmen, für andere ist es ein KO-Kriterium.
Ansonsten kommt das Handling äußerst intuitiv daher. Wir haben die App benutzt, die nach einer kurzen Registrierung sofort mit dem Rad verbunden war und mit ihrem simplen Design überzeugen kann. Gleiches gilt für die Lenkerfernbedienung, über die sich die Unterstützungsstufe wählen und die angenehm kräftige Schiebehilfe aktivieren lässt.
Während unserer Ausfahrt haben wir auch immer wieder pausiert – für das Merge war also Abstellen angesagt. Durch das besondere Rahmendesign ohne Kettenstrebe und ohne Unterrohr fehlen die üblichen Montagepunkte für einen Seitenständer. Deshalb hat man sich bei Ariv etwas besonderes einfallen lassen – der Seitenständer sitzt nämlich am Ende der Sattelstütze, die nach unten aus dem Rahmen herausragt. Leider bringt dieses Design zwei entscheidende Nachteile mit: Zum einen muss beim Abstellen die Stütze immer auf die richtige Höhe abgesenkt werden. Eine Markierung hilft zwar dabei, umständlich ist es dennoch. Zudem verhindert der Seitenständer, die Stütze weiter aus dem Rahmen zu ziehen. Mir (88cm Schrittlänge) war sie so nämlich zu kurz. Glücklicherweise lässt sich der Seitenständer jedoch bei Bedarf auch einfach abschrauben. Wer möchte, kann übrigens auch eine normale Stütze, beispielsweise in Überlänge, einbauen.
Das Fahrgefühl auf den vollen Straßen Münchens war mit dem Merge übrigens super. Durch die kleinen Laufräder ist das Handling schön spritzig, das Bike selbst ist hervorragend verarbeitet und weder Anbauteile noch Komponenten oder Schutzbleche klappern auf schlechten Wegen. Dass das Ariv mit seinen kleinen Laufrädern, den recht schmalen Reifen und Alu-Rahmen samt Gabel jedoch kein Komfort Wunder ist, ist wenig überraschend.
Für Alltagstauglichkeit sorgt neben den Schutzblechen auch die Beleuchtung, die zwar nicht StVZO-Konform ist, aber als Zusatzlicht die Sichtbarkeit dennoch klar erhöht. Vorn fügt sich der Scheinwerfer schön in das gesamte Design ein und beherbergt auch einen USB-Anschluss um während der Fahrt z.B. das Smartphone zu laden. Das Rücklicht kommt in Form einiger in der Stütze verborgener LEDs daher. Leider wird nur der Frontscheinwerfer vom E-Bike Akku versorgt, die Beleuchtung in der Stütze muss extra geladen werden.