Test: Das Rennstahl 853 Speed Gravel ist ein durchaus besonderes Gravelbike, da es näher am klassischen Rennrad ist, als alle anderen Räder in unserem Testfeld. So viel Rennrad wie möglich, so viel Gravel wie nötig verspricht der kleine bayerische Hersteller. Ob der Ansatz aufgeht?
Rennstahl 853 Speed Gravel: Die Fakten
Rahmenmaterial: Stahl
Laufradgröße(n): 700c
Maximale Reifenfreiheit: 33mm
Achsmaß (v/h): 12×100 / 142×12
Schutzblechösen: Nein
Gepäckträgerösen (v/h): Nein / Ja
Flaschenhalter: Unterrohr oben, Sitzrohr
Gewicht Laufräder v/h/gesamt (mit Reifen und Bremsscheiben): 1.210g / 1.364g / 2.574g
Gewicht Komplettrad ohne Pedale (Größe M): 9,33kg
Preis: 5.023 Euro
Schöner Stahlrahmen mit deutlicher Rennrad-DNA
Seit 2013 steht der Name Rennstahl für hochwertige Stahlräder auf dem aktuellen Stand der Technik. Zuhause ist der Hersteller unter dem Dach von Falkenjagd Bikes – es ist gewissermaßen der Stahl-Ableger der Titanschmiede aus Bayern. Mit Falkenjagd teilt sich Rennstahl auch das Grundverständnis der Fahrräder: Nachhaltig, klassisch, emotional, aber eben dennoch auf dem aktuellen Stand der Technik. Das Know How für die Verarbeitung der Rohre kommt bei Rennstahl nicht nur aus der langjährigen Erfahrung mit Falkenjagd, sondern auch aus der Vorbeschäftigung der Köpfe dahinter als Ingenieure in großindustriellen Betrieben. So wagt man eben auch den Blick über den Fahrrad-Tellerrand hinaus.
Mit dem Rennstahl 853 Speed Gravel hatten wir ein neues 2020er Modell im Test, das gewissermaßen das Highspeed-Pendant zum bestehenden 853 Gravel darstellt. Natürlich besteht der Rahmen auch hier aus Stahl und folgt dem Motto „so viel Rennrad wie möglich, so viel Gravel wie nötig“. Dieser Grundsatz zeigt sich schon allein optisch: Schmale Reifen, steile Winkel, kompakter Radstand – schaut aus wie ein Rennrad! Ein paar Zugeständnisse an den Gravel-Markt macht man natürlich dennoch: So kommt der Hinterbau mit Ösen, die die Montage des hauseigenen Gepäckträgers (aus Titan, Kostenpunkt: 290 Euro) ermöglichen, um mit dem Speed Gravel auch kleinere Touren unter die Reifen zu nehmen. Apropos Reifen: Unser Testbike kam mit 30mm Pneus, maximal sind 33mm möglich. Das ist für ein Gravelbike unserer Ansicht nach zu wenig – auch dann, wenn man nahe am Rennrad bleiben möchte. Ebenso verzichtet man bei Rennstahl auf Montagepunkte für Schutzbleche oder weiteres Zubehör.
Die Züge für Schaltwerk und Umwerfer werden komplett offen am Unterrohr geführt. So fallen sie optisch zwar wenig auf, leider sind sie auch den äußeren Einflüssen voll ausgesetzt. Die Bremsleitung wird hingegen im Rahmeninneren geführt – selbiges hätten wir uns dann auch für die Schalthüllen gewünscht.
Die Rennrad-Gene werden auch beim Betrachten der Geometriedaten deutlich: Sehr steiler Lenkwinkel, kurze Kettenstreben und deutliche Sattelüberhöhung lassen hier keine Zweifel aufkommen: Das Rennstahl 853 Speed Gravel ist vor allem ein Fall für Rennradfahrer!
Geometrie Rennstahl 853 Speed Gravel
S | M | L | XL | XXL | |
Sitzrohr (in mm) | 470 | 500 | 520 | 540 | 570 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 530 | 550 | 565 | 585 | 605 |
Steuerrohr (in mm) | 140 | 160 | 185 | 210 | 230 |
Kettenstrebe (in mm) | 412 | 412 | 412 | 412 | 412 |
Lenkwinkel (in °) | 72.5 | 73 | 73.25 | 73.5 | 74 |
Sitzwinkel (in °) | 74 | 73.5 | 73.25 | 73 | 72.5 |
Hochwertige Ausstattung samt Campagnolo Gruppe
Fahrräder von der Stange gibt’s bei Rennstahl nicht: Stattdessen setzt der kleine Traditionshersteller auf ein Baukastensystem mit einer bereits ausgesprochen hochwertig ausgestatteten Basisvariante, die sich dann nach den eigenen Wünschen anpassen lässt. Unser Testrad kommt so mit sämtlichen Modifikationen auf etwas für 5.000 Euro – das Basismodell schlägt hingegen mit etwas über 3.500 Euro zu Buche.
Ein großer Anteil des Aufpreises geht an die an unserem Testrad verbaute Schaltgruppe: Eine aktuelle Campagnolo Record 12-fach Gruppe. Die Komponenten des Herstellers aus dem norditalienischen Vicenza sind selten geworden, was sicherlich auch am Preis liegt – in unserem Fall muss man nämlich gegenüber der Standardausstattung Shimano Ultegra satte 1.000 Euro drauflegen. Dafür bekommt man jedoch optisch wie technisch herausragende Schaltkomponenten: Allein die Kurbel lässt sich wohl auch mit dem Wort „Carbon-Kunstwerk“ beschreiben. Selbiges könnte man auch für das minimalistische Schaltwerk sagen. Die STIs sind für Campa-Neulinge mit ihrem Daumenschalter zwar ungewohnt, aber auf dem Niveau anderer Topgruppen. Das „Problem“ in unserem Fall: Die Campagnolo Record ist eine reinrassige Rennradgruppe. Mit 50-34 Kettenblättern und 11-29er Kassette (maximal 11-32) ist der leichteste Berggang für die Straße vielleicht ausreichend, will man damit jedoch auch mal einen langen, steilen Gravel-Anstieg bewältigen, dürften selbst gut trainierte Fahrer ganz schön ins Schwitzen kommen.
Die Bremsen tragen ebenfalls den Campagnolo-Schriftzug, wurden jedoch gemeinsam mit den Spezialisten von Magura entwickelt. Sie gefallen nicht nur optisch, sondern sind unserer Erfahrung nach bei ihrer Performance mindestens auf dem Niveau von Sram Force, Shimano GRX und Co.
Rahmen | Rennstahl 853 Speed Gravel |
Federgabel | Rennstahl Carbon Race |
Laufräder | Tune TSR 22 |
Reifen | Schwalbe G-One Speed 30mm |
Schaltwerk | Campagnolo Record |
Schalthebel | Campagnolo Record |
Kurbel | Campagnolo Record 34/50 |
Umwerfer | Campagnolo Record |
Bremse | Campagnolo Disc |
Sattelstütze | Falkenjagd Titan |
Sattel | Selle Italia SLR TT Titanium |
Vorbau | Falkenjagd Titan |
Lenker | Syntace Racelite |
Definitiv ein Highlight am Rad sind die verbauten Laufräder aus dem Hause Tune: Mit Carbonfelgen und den Tune King/Kong Naben ist er einer der leichtesten im gesamten Testfeld, obwohl die Felgenbreite mit 20mm erfreulich großzügig ausfällt und die Reifen schön zur Entfaltung kommen lässt. Die darauf montierten Schwalbe G-One Speed haben ein zurückhaltendes Profil und messen 30mm in der Breite.
Natürlich wird an einem derartigen Liebhaber-Rad auch bei den sonstigen Anbauteilen nicht gespart: Sattelstütze und Vorbau kommen von Falkenjagd und stehen – natürlich – aus Titan, der Syntace Lenker gefällt mit einem wirklich angenehmen Backsweep.
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Let’s Gravel: Rennstahl 853 Speed Gravel
Für so manchen Fahrer könnte das Rennstahl 853 Speed Gravel auf den ersten Blick fast als ein klassisches Rennrad oder zumindest als Endurancebike durchgehen. Mehr oder weniger ist es das auch, obwohl das Rennstahl zusätzlich einige nützliche Gravel-Features besitzt. Besonders gespannt waren wir auf die Performance der Campagnolo Record Schaltung im Schotter, denn die hochwertige Gruppe möchte man von Haus aus beinahe nur mit Samthandschuhen anfassen. Dennoch passt diese sehr gut an den Stahlrahmen aus Deutschland und verleiht dem ganzen eine edle Note, was besonders echte Liebhaber anziehen dürfte.
Im Vergleich zu den meisten anderen Gravelbikes in unserem Testfeld sind natürlich die Reifen der erste Knackpunkt und beeinflussen die Fahreigenschaften des Rennstahl 853 Speed Gravel besonders stark. Denn mit den 30mm Schwalbe G-One Speed, quasi der Light-Version, wird das Einsatzgebiet des Rennstahls klar vorgegeben und lässt härtere Offroad-Abenteuer kaum zu. Dafür bietet das Rad einen flotten Begleiter auf Strecken mit Asphalt und Schotterabschnitten im Wechsel, da durch die Bereifung sehr gute Abrolleigenschaften gegeben sind.
Dank der ausgewogenen Geometrie kann man dem Bike zusätzlich auch eine gewisse Sportlichkeit einhauchen oder aber mit Spacern den leicht geslopten Rahmen entschärfen, um schön entspannt unterwegs zu sein. Etwas weniger entspannt ist der Fahrkomfort des Rennstahl 853 Speed Gravel, denn gerade abseits der Straße wirkt das Rad schnell sehr hart, hier ist jedoch klar die Frage zu stellen, wie weit man mit so einem Rad und einer derartigen Bereifung überhaupt gehen möchte, da es für die bereits angesprochenen Strecken mit Asphalt und Schotter im Wechsel definitiv geeignet ist.
Obwohl sich das Rennstahl 853 Speed Gravel auf den meisten Abschnitten flott fahren lässt, so ist die Spritzigkeit nicht ganz so beeindruckend. Leider braucht das Bike ein bisschen Zeit, bis es auf Speed kommt, was nicht zuletzt auch am kräftigen Gewicht von 9,3 Kilo liegen dürfte.
Zum Abschluss wollen wir noch mal die Campagnolo Record Gruppe genauer betrachten. Hier waren wir auch im Offroad Einsatz besonders von den erstklassigen Scheibenbremsen überrascht. Denn diese haben nicht nur ordentlich Power, sondern lassen sich auch gut dosieren, was vielen Fahrern ein angenehmes Sicherheitsgefühl vermittel dürfte. In Sachen Schaltperformance und Ergonomie kann die Record unserer Meinung nach nicht ganz mit den Gravelspezifischen Gruppen mithalten, dennoch lässt sich diese wie von Campa gewohnt knackig schalten.
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