Campagnolo Super Record 13: Mit der im Sommer 2025 vorgestellten Gruppe setzt der italienische Hersteller seine Tradition fort, als Erster ein zusätzliches Ritzel zu bieten. Der Kompromiss zwischen Gesamtumfang und Abstufung ist damit endgültig vom Tisch, allerdings hat die SR 13 noch viel mehr zu bieten: eine neue Hebelform, die Rückkehr der Daumentaste und eine optisch verbesserte, tiptop funktionierende Funkschaltung. Nach 3.000 Kilometern ist es Zeit für ein erstes Fazit.
Seit 2008 existieren mechanische und elektronische Schaltsysteme Seite an Seite, doch das Gleichgewicht gerät ins Wanken. Shimano bietet nur noch eine mechanische Rennrad-Schaltgruppe auf höherem Niveau an, die 105 2×12; bei SRAM ist das Thema komplett durch: Die Amerikaner haben aktuell nur noch eine mechanische Gravel-Gruppe mit 1×12 Gängen im Sortiment, die Apex. Und neue Anbieter wie TRP lassen sich gar nicht mehr auf seilzugbetriebene Systeme ein.
Bei Campagnolo ist man der Mechanik dagegen bis heute treu geblieben: Neben der 2021 vorgestellten Gravel-Gruppe Ekar gibt es nach wie vor mechanische Schaltgruppen auf „Super Record“- und Chorus-Niveau. Gleichzeitig beschränkt der Hersteller sein 2011 erstmals vorgestelltes elektronische Schaltsystem inzwischen aufs absolute Top-Segment – vor etlichen Jahren war die Campagnolo EPS dagegen auch auf Chorus- und gar Athena-Niveau erhältlich. Die Konkurrenz hat ihre Elektroschaltungen derweil durchgereicht und in der unteren Mittelklasse etabliert, wo Campagnolo praktisch nicht mehr vertreten ist.

Campagnolo Super Record 13: Flaggschiff einer neuen Modellgeneration
Nun hat Campagnolo die neue Super Record 13 vorgestellt, die nach den jüngsten Produkt-Launches aus Vicenza das Flaggschiff einer kompletten Baureihe mit Gruppen für Rennrad, Allroad und Gravelbike ist. Seit dem Sommer 2025 auf dem Markt, ist die 2×13-Gruppe Nachfolgerin eines ziemlich kurzlebigen Set-ups mit 2×12 Gängen, das versuchsweise auf die typische Daumentaste verzichtete, dafür aber extrem teuer war. Die neue Schaltgruppe ist natürlich kabellos wie ihre Vorgängerin, verfügt über ein zusätzliches Ritzel und ist in so vielen Bereichen besser geworden, dass man durchaus von einer neuen Gruppe sprechen kann. Und so ziemlich das Einzige, was man an der neuesten, der definitiven Ausgabe der elektronischen Campagnolo aussetzen kann, ist, dass sie wieder nur der absoluten Topklasse vorbehalten ist.
Campagnolo Super Record 13: die Basics
- Preis: 4.300 Euro ohne / 5.647 Euro mit Powermeter
- 2×13 Gänge, Vier Ritzelpakete und sieben Kettenblatt-Kombinationen zur Auswahl
- Komplett kabellose Funkschaltung mit Zusatztasten am Griffkörper
- Neue Hebelergonomie und Rückkehr zur klassischen Daumentaste
- Sehr gute Funktion, geringes Gewicht, einzigartige Optik
- Diverse Detailverbesserungen
Wie hat sich die neue Campa-Gruppe im Dauertest über 3.000 Kilometer geschlagen? Unser Velomotion-Testfahrer hat mit 40 Jahren Campagnolo und knapp zehn Jahren EPS viel Erfahrung mit den italienischen Komponenten – und eine klare Meinung zur neuen Gruppe, die sich in etwa mit „Super!“ zusammenfassen lässt. Etwas genauer geht es aber natürlich auch.
Für Erleichterung sorgt erst einmal die Tatsache, dass Campagnolo nach einer kurzlebigen Modellgeneration zur Daumentaste zurückgekehrt ist und dieser gleich eine neue, optimierte Form verpasste. Bei der mechanischen Version der Ergopower-Hebel dient die Taste ja zur Freigabe von Schaltwerk wie Umwerfer und wechselt auf den kleineren Zahnkranz bzw. aufs kleinere Ritzel. Das elektronische System hat dagegen keine festgelegte Funktion der Tasten und des Schaltpaddels hinterm Bremshebel. Per App lässt sich die Belegung individuell festlegen, wobei die Standard-Einstellung der mechanischen Funktion entspricht – und an der wollte unser Tester auch nichts ändern, zumal er in seinem Fuhrpark ein Gravelbike und ein Winter-Rennrad mit mechanischer Campagnolo hat.
Neue Hebel mit optimierter Form
Im Vergleich zur dieser wie zur alten Campagnolo EPS fällt die deutlich optimierte Form der Hebel auf: Sie sind schlanker geworden und länger, lassen sich dadurch besser mit großen Händen umfassen und gefallen insgesamt mit gelungener Ergonomie. Der „Knauf“ oben ist runder geworden und liegt gerade aus einer modernen Aero-Position mit waagerecht positionierten Unterarmen gut in der Hand. Die Daumentaste ist derweil kürzer geworden und etwas nach unten gerutscht – Fehlbedienungen mit dem Daumenballen sind damit ausgeschlossen, und vom Unterlenker aus lässt sich die Taste nach wie vor gut erreichen. Form und Druckpunkt sind perfekt gelungen.
Auf die neue Zusatz-Tasten, mit denen die Schaltung oder ein Radcomputer bedient werden können, trifft das nicht ganz zu. Der runde Knopf sitzt recht weit oben an der Innenseite des Griffs und wurde vom Velomotion-Tester immer wieder versehentlich touchiert, was jedes Mal in einem ungewollten Schaltvorgang resultierte. Das Ende vom Lied war, die Knöpfe per App zu deaktivieren.
Nicht optimal ausgeführte Zusatz-Taste
Hier könnte Campagnolo also nachbessern; die Schaltfunktion selbst ist dagegen tadellos. Auf die größeren Ritzel wechselt das neue Schaltwerk seidenweich; beim zackigen Hochschalten „knallt“ das Getriebe wie bei einem Sportwagen, wobei die Kette sofort Halt auf den Zähnen des Ritzels findet. Dass ein Kranz mehr auf der Kassette sitzt, beeinträchtigt die Präzision des Systems kein bisschen. Die Funktion des Umwerfers hat sich im Vergleich zur vorletzten Version deutlich verbessert: Auf den 3.000 Test-Kilometern kam es nicht ein Mal dazu, dass die Kette nach innen oder nach außen runterfiel.
Optisch verändert hat sich der Carbon-Kurbelsatz der Gruppe. Die Brücken, die jeweils zwei der vier Arme des Kurbelsterns verbinden, haben ihre „Fortsätze“ verloren und wirken kompakter; das „Super Record“-Logo kommt nun ohne den roten Farbakzent aus. Moment – haben wir diesen Kurbelsatz nicht schon mal irgendwo gesehen? Genau, an der Campagnolo Super Record Wireless S, die Ende 2024 als etwas preiswertere Version (UVP 3.991 Euro) der 2×12-Topgruppe vorgestellt wurde. Diese Gruppe (ohne die Daumentaste), die derzeit noch auf der Campagnolo-Homepage aufgeführt ist, hat bereits einiges von der neuen Super Record 13 vorweggenommen, zum Beispiel zusätzliche Übersetzungs-Varianten.
Der Kurbelsatz der SR 2×13 ist allerdings dank hohl gefertigter Kurbelarme leichter als jener der „S“; auch am Innenleben haben die Italiener gearbeitet. Die zwei Hälften der Kurbelwelle, die per Hirth-Verzahnung verbunden sind, werden jetzt von links verschraubt, sodass nun ein Bolzen mit Rechtsgewinde verwendet werden kann. Auch an den Lagerschalen hat Campagnolo Veränderungen vorgenommen: Die Spange, die den Kurbelsatz axial ausrichtet, befindet sich nun auf der linken Seite statt hinterm Kettenblatt.
Große Übersetzungsbandbreite mit vier Kassetten und sieben Kettenblatt-Kombis
Sehenswert ist die Übersetzungsbandbreite der neuen Gruppe. Die Campagnolo Super Record 13 ist mit ganzen sieben Kettenblatt-Kombinationen verfügbar: 45/29, 48/32, 50/34, 52/36, 53/39, 54/39 und 55/39. Dazu kommen vier Kassetten: 10-29, 10-33, 11-32 und 11-36. Mit letzteren beiden entgehen die Italiener der aktuellen Debatte um die Übersetzungs-Beschränkungen der UCI, mit der sich jüngst SRAM herumschlagen musste.
Die 10-29er Kassette ist mit neun Ritzeln in Einersprüngen extrem eng gestaffelt; zusammen mit der kleinsten Kettenblatt-Kombi hat man einen schon recht langen Schnellgang und eine 1:1-Übersetzung. Am Testrad war die Kombination 48/32 verbaut, dazu die 10-33er Kassette, die immer noch sieben Ritzel in Ein-Zahn-Abstufung hat. Der längste Gang 48-10 entspricht dem klassischen 53-11, kam unserem Testfahrer aber in manchen Situationen noch zu kurz vor – woran man sieht, dass das Pinarello Dogma F, an das die Campa-Gruppe montiert war, ein extrem schnelles Rad ist. Insgesamt kann man sagen, dass sich das 13. Ritzel bezahlt macht: Einen Kompromiss zwischen Gesamtumfang und Feinheit der Abstufung muss man bei diesen Kassetten definitiv nicht mehr machen.

Graziles Schaltwerk mit neuem Look
Das Schaltwerk, das die 13 Kränze bedient, hat sich gegenüber seinem Vorgänger deutlich verändert. Es wirkt grazil und etwas verschachtelt; „kultiger Skeleton-Look“ fiel dem Tester in Anlehnung an die legendären leichten Felgenbremsen dazu ein. Typisch Campagnolo ist die samtige Oberfläche der im Carbon-Spritzguss-Verfahren hergestellten Einzelteile. Das Schaltwerk scheint weniger stark seitlich abzustehen; der Akku versteckt sich praktisch unsichtbar an der Rückseite des Wechslers. Ihn zu entnehmen, ist ziemlich kompliziert – aber auch gar nicht nötig. Die Akkus von Schaltwerk und Umwerfer müssen zum Laden nämlich nicht demontiert werden; der magnetische Ladestecker findet wie von selbst den Weg zur Buchse und nach einer guten halben Stunde sind die Batterien bereits voll. Die Herstellerangabe – 750 km mit einer Ladung – konnte im Dauertest voll bestätigt werden. Und dass Campagnolo wohl aus patentrechtlichen Gründen zwei unterschiedliche Akkus konstruieren musste, kann dem Nutzer eigentlich ziemlich egal sein.
Dass man keine Ladeschale braucht und die Akkus auch nicht vergessen kann, wenn man sie am Rad lädt, ist sicher ein kleiner Vorzug der neuen Campagnolo-Gruppe, die auch sonst gegenüber der Konkurrenz aufgeholt hat. Der Shimano Dura-Ace Di2 hat sie das komplett kabellose System voraus, der SRAM Red AXS das zusätzliche Ritzel und weitere Kettenblatt-Kombinationen. Beim Gewicht ist sie mit letzterer gleichauf, außerdem beim Preis: Campagnolo verlangt für die komplette Gruppe ohne Powermeter 4.300 Euro, wobei sie genauso viel kostet wie die SRAM Red und einige Hundert Euro teurer ist als die Shimano Dura-Ace Di2. Die alte Super Record 2×12 Wireless ohne Daumentaste war dagegen mit 5200 Euro gelistet.
Warten auf die Campagnolo Chorus 13
In der Topklasse lautet das Fazit zur Campagnolo Super Record 13 nach 3.000 Kilometern also: „Alles bestens!“ Doch in der Mittelklasse muss der Hersteller aus Vicenza dringend aufholen. Selbst die derzeit günstigste mechanische Disc-Gruppe, die Chorus 2×12, kostet mehr als die elektronischen Einsteiger-Gruppen der Konkurrenz. Dabei sind diese eine tragende Säule im Programm von Shimano und SRAM: Sie sorgen für hohe Stückzahlen, sind aber auch für zahlungskräftigere Kunden interessant, die sich ein günstiges Zweitrad aufbauen oder beim im Winter genutzten Gravelbike nicht so viel investieren wollen.
Wann kehren die Italiener endlich zu einer Preisgestaltung zurück, die Wachstumsmöglichkeiten in der Breite bietet? Dann könnte Campagnolo am Markt endlich wieder den Platz einnehmen, den sich die Traditionsfirma mit ihren aktuellen Innovationen aufs Neue verdient hat.














