Interview: Die UCI hat bis Ende April alle Radsportveranstaltungen abgesagt, was darüber hinaus geht – ungewiss. Damit sind alle Raddisziplinen erst einmal auf off geschaltet, in einer Zeit, in der es eigentlich hoch hergeht. Wir haben uns mit dem Team Manager des erfolgreichen Mountainbike Team Bulls, Friedemann Schmude unterhalten, wie er die Situation einschätzt, was dies für das deutsche MTB Team bedeutet und wie die Saison 2020 weitergehen könnte!?
Friedemann, die derzeitige Situation könnte man als unklare Lage beschreiben. Wie sieht es im Mountainbike Rennzirkus aus, kannst du uns einen Einblick in die aktuelle Lage der Teams, Fahrer und Veranstaltungen geben?
Unklar ist die Lage nicht, allerdings sehr dynamisch. Fakt ist, wie schon richtig angemerkt, der Radsport Weltverband UCI hat zumindest bis zum 30. April alle Gesamtwertungen, Weltranglisten, Olympianominierungen etc. eingefroren und bis mindestens Anfang Juni sind so ziemlich alle Rennen abgesagt oder auf unbekannt verschoben worden. Der Rennkalender für 2020 wird wohl neu geschrieben werden müssen. Eine offizielle Aussage darüber, wie es ab Mai weitergeht, habe ich noch nicht gefunden, vermutlich ist eine solche Aussage zurzeit auch schlicht nicht möglich. Mein Job besteht gerade zu einem guten Teil darin, sich täglich Informationen von Eventveranstaltern und Verbänden zu organisieren.
Heißt, ihr habt jetzt erst einmal bis Ende des Monats keine Rennen mehr, weißt du über die Zeit darüber hinaus etwas? Ab wann können Mountainbikefans wieder bei MTB-Jedermannveranstaltungen teilnehmen und beim Team Bulls mitfiebern?
Zumindest weiß ich, dass unsere geplanten Rennveranstaltungen bis Anfang Juni entweder abgesagt oder verschoben wurden und ich denke, dem werden noch viele weitere Rennen folgen. Beispielsweise wurden die BIKE Festivals am Gardasee und Willingen auf Juli und August verschoben. Aktuell rechne ich damit, dass wir wohl frühestens im Juli wieder in den MTB Rennsport einsteigen könnten. Bis dahin hat der Radsport Sendepause! Wobei die Lage eigentlich weitreichender und komplizierter ist.
In wie fern?
Wir können bisher keine seriöse Aussage darüber treffen wann es weitergeht, somit ist meine Einschätzung auch nur eine Prognose. Wir sind im internationalen Renngeschäft tätig, das heißt, wir fahren überall auf der Welt und international besetzte Wettkämpfe. So sind wir auch von der politischen Lage abhängig, Stichwort: Reisebestimmungen und Veranstaltungsverbote. Beispielsweise wurde gerade erst das allgemeine Veranstaltungsverbot in Österreich bis Ende Juni verlängert und in Frankreich sogar bis Mitte Juli. Somit finden dort auch keine MTB-Rennen statt. Sollten wir z.B. im August noch immer nicht in die Schweiz einreisen dürfen, könnten wir auch nicht am Grand Raid BCVS Marathon teilnehmen und so weiter. Bei der Transalp im Juli, mit einem Streckenverlauf durch mehrere Länder, wäre das noch ungleich schwieriger.
Wie gehen deine Rennfahrer mit der ungewissen Rennsituation um?
Die Situation ist für alle neu! Ich versuche die Fahrer so gut es geht auf dem Laufenden zu halten und natürlich hoffen alle, dass es Mitte des Jahres wieder los geht. Viele Fahrer haben nach der Rückreise vom ebenfalls abgesagten Cape Epic erst einmal eine kleine Pause eingelegt. Ein Teil des Teams, wie beispielsweise Alban Laktata, versuchen mit intensiverem Training die Form zu halten, der andere Teil baut über ein Ausdauertraining die Form neu auf. Die meisten aus dem Team trainieren wieder wie im Winter: lange Ausdauereinheiten gepaart mit Athletiktraining und ziele auf einen Rennstart im Sommer ab.
Wenn es im Sommer wieder losgehen sollte, wie sieht dann das Rennprogramm aus?
Vermutlich sehr voll und es wird viele Überschneidungen geben. Es könnte auch chaotisch werden, da viele der verschobenen Events aus dem Frühjahr dann auch im Spätsommer stattfinden werden. Dazu kommen die internationalen Meisterschaften, die mit Priorität einen neuen Termin erhalten. An diesem Datum dürfen dann eigentlich keine weiteren Rennen der gleichen Klasse stattfinden.
Wird das Fahrerfeld deiner Meinung nach dadurch neu gemischt, oder werden wieder die üblichen Athleten vorne zu finden sein?
Was auf internationaler Ebene Auswirkungen haben dürfte, sind die unterschiedlichen Ausgangsbestimmungen. Soviel ich weiß, darf man beispielsweise in Frankreich, Italien und Spanien momentan nicht draußen trainieren, was natürlich zu einer Chancenungleichheit führt. Die Rennsaison 2020 wird durch den späten Beginn auf jeden Fall deutlich kürzer, auch wenn sich gerade andeutet, dass sie sich bis in den späten Herbst ziehen wird. Was den Athleten auf jeden Fall fehlt, ist die natürliche Rennhärte, welche nur teilweise durch hartes Training oder durch digitale Rennen, wie auf Zwift, ersetzt werden kann.
Hat der fast komplette Ausfall der Rennsaison auch Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Profiradsportler?
Kurzfristig könnte ich mir das schon vorstellen, dass ein Sportler in dieser Saison nicht das abrufen kann, was er sonst vielleicht hätte können. Langfristig glaube ich das nicht, es ist ja nicht so, dass die Athleten überhaupt nicht mehr trainieren dürfen und komplett Pause machen.
Welche Auswirkungen könnte die Corona-Krise auf den Rennzirkus im Allgemeinen haben?
Schwer zu sagen, wir als Team, die Rennveranstalter, Medien und noch einige mehr hängen auch an der Radindustrie und erhalten so zusagen Werbegelder. Wenn nun Werbebudgets gekürzt werden, könnte das durchaus auch den Rennsport treffen. Vieles hängt auch davon ab, wie lange dieser Zustand des „Lockdown“ noch anhält und ab wann wieder so etwas wie Normalität eintritt.
In diesem Zuge sollten wir auch einmal anmerken, dass es in der jetzigen Situation wichtigeres als den Rennsport gibt. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen, die gesellschaftliche Priorität ist gerade eine ganz andere, als sich über die Zukunft des Mountainbike-Rennsports in dieser Saison Gedanken zu machen. Klar, wir sind alle heiß darauf Rennen zu fahren. In erster Linie bin ich aber froh, dass meine Sportler alle gesund sind. Das dies so bleibt, hat oberste Priorität und erst wenn dies gewährleistet wird, steigen wir auch wieder in den Rennbetrieb ein!
Friedemann, vielen Dank, das war ein schönes Schlusswort. Wir freuen uns, wenn wir euch bald wieder auf der Rennstrecke sehen, bis dahin bleibt gesund!