Test / E-MTB: Das Pivot Shuttle AM galt für viele als eines der besten E-Mountainbikes seiner Zeit und kann sich bis heute mit den Top-Rädern am Markt messen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die nun vorgestellte, zweite Generation. Mit neuem Bosch Smart System, 800-Wh-Akku und überarbeiteten Details schickt sich der All-Mountain-Spezialist aus Arizona an, die Messlatte erneut höher zu legen. Ob das gelingt und das neue Shuttle AM die großen Fußstapfen seines Vorgängers füllen kann, haben wir im Detail getestet.
Im umfangreichen Portfolio von Pivot ist das Shuttle AM das „Eine-für-alles-Bike“. Mit 160 mm Federweg an der Front und 150 mm am Heck bewegt es sich im Sweetspot des modernen All-Mountain-Segments – ein Bereich, der sich für E-MTBs als idealer Kompromiss für Touren, technische Trails und sogar Bikepark-Einsätze erwiesen hat. Es ist ein Generalist im besten Sinne, der jedoch, wie unser Test zeigt, eine klare Tendenz zur sportlichen Abfahrt nicht verleugnen kann.
Der Rahmen im Detail
Herzstück des Shuttle AM ist ein gelungener Carbon-Rahmen. Bei den höherwertigen Pro- und Team-Modellen besteht auch der Hinterbau aus Kohlefaser, während das Einstiegsmodell „Ride“ auf einen Aluminium-Hinterbau setzt. Unabhängig von der Variante überzeugt der Rahmen mit einer exzellenten Verarbeitungs- und Lackqualität. Selbst nach intensiven Testfahrten in steinigem Gelände zeigten sich keine Lackabplatzer – ein Beleg für die Robustheit.
Pivot hat an allen relevanten Stellen an einen umfassenden Schutz gedacht: Neben der obligatorischen Kettenstrebe sind auch die Sitzstrebe, die Unterseite des Unterrohrs und sogar der sensible Bereich zwischen den Umlenkhebeln des Hinterbaus mit großzügigen Protektoren versehen. Das verhindert nicht nur Kratzer, sondern schützt den Carbon-Rahmen auch vor Beschädigungen durch Steine, die sich während der Fahrt in diesem Bereich verirren könnten.
Durchdachte Details und ein kleiner Wermutstropfen
Ein Segen für jeden Schrauber ist die Leitungsverlegung. Pivot verzichtet auf den umstrittenen Trend, Züge und Leitungen durch den Steuersatz zu führen. Stattdessen kommen klassische, formschön in den Rahmen integrierte Eingänge am Steuerrohr zum Einsatz. Ein neues Dual-Port-Design erlaubt es sogar, zwei Leitungen durch denselben Port zu führen, was die Verlegung vereinfacht und für eine saubere Optik sorgt.
Ein weiteres durchdachtes Detail ist die neu gestaltete Abdeckung des Ladeports. Anstelle der Standard-Gummikappe von Bosch hat Pivot eine eigene Lösung mit Magnetverschluss und doppelter Dichtung entwickelt, die den Premium-Anspruch des Rades unterstreicht und perfekt in den Rahmen integriert ist. Diese Abdeckung lässt sich zudem komplett entfernen, um Platz für den optionalen PowerMore 250 Range Extender zu schaffen.
Ein Punkt, der beachtet werden muss, ist der fest im Unterrohr integrierte 800-Wh-Akku. Er kann nicht zum Laden entnommen werden. Diese Bauweise spart Gewicht und erhöht die Rahmensteifigkeit, erfordert aber eine Lademöglichkeit direkt am Abstellplatz des Bikes.
Eine Besonderheit bei Pivot ist der Super Boost Plus Hinterbau mit einer Einbaubreite von 157 mm. Der Nachteil: Die Auswahl an kompatiblen Naben und Laufrädern ist eingeschränkter, was bei einem Laufraddefekt im Urlaub oder dem Wunsch nach einem Zweitlaufradsatz bedacht werden sollte.
Geometrie und Anpassbarkeit
Pivot hat die Geometrie des Shuttle AM im Vergleich zum Vorgänger behutsam modernisiert, ohne den ausgewogenen Charakter zu opfern. Mit einem Lenkwinkel von 64,1 Grad in der flachen Einstellung und einem moderaten Reach (476 mm bei Größe L) positioniert es sich als sportlicher Allrounder, der Laufruhe mit Agilität verbindet.
| SM | MD | LG | XL | |
|---|---|---|---|---|
| Reach (mm) | 435 | 465 | 480 | 500 |
| Stack (mm) | 629 | 638 | 647 | 656 |
| Sitzrohr (mm) | 378 | 399 | 432 | 470 |
| Lenkwinkel (in °) | 64.5 | 64.5 | 64.5 | 64.5 |
| Sitzwinkel (in °) | 76.9 | 76.9 | 76.9 | 76.9 |
| Oberrohr (mm) | 598 | 630 | 647 | 670 |
| Kettenstreben (mm) | 444 | 444 | 444 | 444 |
| Steuerrohr (mm) | 110 | 120 | 130 | 140 |
| BB Drop (mm) | 24 | 24 | 24 | 24 |
Über einen Flip-Chip an der Dämpferaufnahme lässt sich die Geometrie an persönliche Vorlieben oder unterschiedliche Laufradgrößen anpassen. Im „High“-Setting wird das Tretlager angehoben und der Lenk- sowie der Sitzwinkel werden um 0,5 Grad steiler. Diese Einstellung empfiehlt sich für technisch anspruchsvolle Uphills oder bei der Umrüstung auf ein Mullet-Setup mit einem 27,5-Zoll-Hinterrad. Die „Low“-Einstellung sorgt für maximale Stabilität und Kontrolle in schnellen und steilen Abfahrten.
Dank kurzer Sitzrohre und einer großzügigen Einstecktiefe (330 mm in Größe L) können Vario-Sattelstützen mit sehr langem Hub verbaut werden, was für maximale Bewegungsfreiheit auf dem Trail sorgt.
Motor, Akku und Elektronik: Das Herzstück des Shuttle AM
Angetrieben wird das Shuttle AM von der neuesten Motorengeneration von Bosch. Das Ride-Modell setzt auf den bewährten Performance Line CX, während die Pro- und Team-Varianten mit dem exklusiven Performance Line CX-R (Race) ausgestattet sind. Beide Motoren liefern ein maximales Drehmoment von 100 Nm und eine Spitzenleistung von 750 Watt. Der CX-R ist 100 Gramm leichter, verfügt über eine Titan-Kurbelwelle sowie Keramiklager und bietet den exklusiven „Race“-Modus für eine extrem direkte und aggressive Leistungsentfaltung.
Alle Modelle sind mit einem großen 800-Wh-Akku ausgestattet, der auch für lange Touren mit vielen Höhenmetern ausreichend Kapazität bietet. Wer noch mehr Reichweite benötigt, kann das System mit dem 250 Wh starken Bosch PowerMore Range Extender erweitern.
Die Bedienung erfolgt über die kabellose Mini Remote am Lenker. Während das Ride-Modell auf den im Oberrohr integrierten System Controller setzt, verfügen Pro- und Team-Modelle über das neue, brillante Kiox 400C Farbdisplay. Es ist perfekt in das Oberrohr integriert und bietet individuell anpassbare Datenfelder.
Ausstattungsvarianten im Überblick
Das Shuttle AM wird in drei Ausstattungsvarianten angeboten, für die man allesamt recht tief in die Tasche greifen muss.
- Ride (8.599 €): Mit Bosch Performance Line CX, RockShox Lyrik Select+ Gabel, Super Deluxe Select Dämpfer und mechanischer SRAM Eagle Transmission Schaltung.
- Pro (11.999 €): Mit dem CX-R Motor, RockShox ZEB Ultimate Gabel, Super Deluxe Ultimate Dämpfer, SRAM XO Eagle Transmission und kraftvollen SRAM Maven Silver Bremsen.
- Team (13.999 €): Das Topmodell wiegt nur 21,5 kg und kommt mit CX-R Motor, Fox Factory Fahrwerk (36 Gabel und Float X Dämpfer), DT Swiss Carbon-Laufrädern, SRAM XX Eagle Transmission und SRAM Maven Ultimate Bremsen.
Für das Team-Modell ist zudem ein Upgrade auf das elektronische Fox Live Valve Neo Fahrwerk für 1.300 € erhältlich.
Im Test hatten wir das Pro-Modell, dessen Ausstattung kaum Wünsche offen lässt.
| Rahmen | Shuttle AM V2 Carbon |
| Federgabel | RockShox Zeb Ultimate |
| Antrieb | Bosch CX-R |
| Akku | 800 Wh |
| Dämpfer | RockShox Super Deluxe Ultimate |
| Laufräder | DT Swiss HX1501 |
| Reifen VR | Maxxis Minion DHF MaxxTerra Exo+ |
| Reifen HR | Maxxis Minion DHR II MaxxTerra Exo+ |
| Schaltwerk | Sram X0 Eagle Transmission |
| Schalthebel | Sram AXS Pod |
| Kurbel | Praxis Alloy eCranks |
| Umwerfer | Ohne |
| Bremse | Sram Maven Silver |
| Bremsscheiben | Sram HS2 200/200 mm |
| Sattelstütze | One Up Dropper V3 |
| Sattel | Pivot Ride E-Bike |
| Vorbau | Phoenix Team Enduro |
| Lenker | Phoenix Race Low Rise Carbon |
Das Pivot Shuttle AM auf dem Trail
Nach der ausführlichen Betrachtung der Technik stellt sich die entscheidende Frage: Kann das neue Shuttle AM die hohen Erwartungen auf dem Trail erfüllen? Die kurze Antwort: Ja, und zwar auf ganzer Linie. Es macht alles, was der Vorgänger schon gut gemacht hat, nur eben überall noch ein bisschen besser.
Ersteindruck und Handling
Schon auf den ersten Metern fühlt man sich auf dem Shuttle AM zu Hause. Es ist ein intuitives Rad, das keine lange Eingewöhnungszeit benötigt und vom Start weg ein hohes Maß an Sicherheit vermittelt. Dabei findet es eine exzellente Balance: Es ist kein nervöser Kurbenräuber, aber auch kein reines „Baller-Bike“. Es liegt satt auf dem Trail, vermittelt dem Fahrer aber jederzeit klares Feedback vom Untergrund. Dieses ausgewogene Fahrverhalten macht es zu einem perfekten Begleiter für eine riesige Bandbreite an Trails und Fahrstilen.
Uphill-Performance
Auch bergauf überzeugt das Shuttle AM. Der DW-Link-Hinterbau arbeitet äußerst effizient und sorgt in Kombination mit dem kraftvollen Bosch-Motor für beeindruckende Traktion, selbst in technischen Anstiegen. Der EMTB+ Modus passt die Unterstützung dynamisch an und fühlt sich sehr natürlich an. Der exklusive Race-Modus des CX-R Motors ist extrem bissig und erfordert eine geübte Hand, kann aber über die App in seiner Dynamik angepasst werden. Für die meisten Fahrer dürften die Modi Tour+ und EMTB+ die beste Wahl für technische Uphills sein.
Downhill-Qualitäten
In der Abfahrt ist das Shuttle AM in seinem Element. Das potente Fahrwerk – in unserem Test-Bike die Kombination aus RockShox ZEB Gabel und Super Deluxe Dämpfer – bügelt auch grobes Gelände souverän glatt. Der Hinterbau wird gegen Ende des Federwegs angenehm progressiv und bietet so hohe Reserven bei Sprüngen oder harten Schlägen. Das Rad bleibt dabei stets kontrollierbar und vermittelt viel Sicherheit. Es ist ein Rad, das auf Flowtrails genauso viel Spaß macht wie auf anspruchsvollen Enduro-Strecken.
Ein entscheidender Fortschritt gegenüber dem Vorgänger ist die Geräuschkulisse. Das neue Shuttle AM ist flüsterleise. Das typische Klappern des alten Bosch-Motors ist verschwunden, und auch vom Rahmen selbst sind keine störenden Geräusche zu hören. Bergab ist es leiser als viele unmotorisierte Fahrräder, was den hochwertigen Gesamteindruck unterstreicht.



